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Unauffällig auffällig

28.09.2018 16:50 Uhr
Unauffällig auffällig
© Foto: Sascha Böhnke

MAN hat seinen Reisebus-Bestseller Lion's Coach gründlich überarbeitet. Herausgekommen ist ein Fahrzeug, das alle Beteiligten zufriedenstellen dürfte. Auch wenn er im Detail noch nicht ganz perfekt ist, zeigt der Bus, wohin die Reise speziell im hart umkämpften wirtschaftlichen Reisesegment gehen wird. Auf geht's zum Supertest.

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So richtig konnte man früher mit einem Lion’s Coach keinen Blumentopf gewinnen – optisch, wohlgemerkt. Denn technisch ließ sich dieser Bus noch nie die Butter vom Brot nehmen, auch wenn das bei Setra- oder Mercedes-Fahrern wohl nie so richtig ankam. Tatsache aber ist, dass der Lion’s Coach schon immer Spitzenwerte in Sachen Verbrauch und Handling einfahren konnte. Wenn andere Busse über Schlechtwegstrecken rumpelten, schaukelten, wankten und ächzten, gleitete ein MAN stets souverän drüber. Daran hat sich nichts geändert, im Gegenteil, die neuen ZF-PCV-Stoßdämpfer schlucken noch mal eine Portion Unebenheit obendrauf. Gut, sie verfügen nicht über den Luxus ihrer CDC-Brüder, die das Fahrverhalten zwischen komfortabel und straffer einstellen lassen, doch die „Sparversion“ ist gut, zugleich wird wirkungsvoll das Nachschwingen beim Halten minimiert. Kurz zur Funktionsweise: PCV-Dämpfer kommen als rein hydraulische Schwingungsdämpfer ohne elektronische oder pneumatische Zusatzsysteme aus. Das Herzstück der PCV-Technologie bildet eine neu entwickelte Ölführung am Kolbenzapfen. Dank der unterschiedlichen Federscheiben, Ventile und Bohrungen stehen mehr Parameter bei der Kennliniengestaltung zur Verfügung als bei einem Standarddämpfer. Ein starker Dämpfkraftanstieg im unteren Geschwindigkeitsbereich reduziert Roll- und Nickbewegungen auf ein Minimum. Damit erhöht sich vor allem bei Brems- und Anfahrmanövern die Sicherheit von Buslenkern und Fahrgästen. Bei mittlerer Geschwindigkeit sorgt PCV mit veränderter Ölführung für einen langsameren Dämpfkraftanstieg. Die Kennlinie verläuft flacher, was sich in einem weicheren, komfortableren Ansprechen der Federung äußert. Um das Fahrzeug gleichmäßig stabil zu halten und ein Aufschaukeln sowie Nachschwingen des Fahrzeugaufbaus zu vermeiden, passt PCV den Ölfluss auch bei hohen Geschwindigkeiten an. Stärkere Strömungswiderstände sorgen hier für eine erneut ansteigende Dämpfkraft. Der Fahrzeugaufbau bleibt stabil. Das Fahrzeug ist sicher beherrschbar. Hervorzuheben ist, dass MAN das Dämpfersystem PCV serienmäßig beim Lion’s Coach an Bord hat.

Eine Lichtgestalt sind die neuen Frontscheinwerfer. Sie kommen übrigens auch beim Lion’s City sowie den neuen MAN-Lkw zum Einsatz. Tagfahrlicht und Blinker teilen sich eine Leuchteinheit, das sieht extrem schick aus und toppt so manchen Wettbewerber. Wer bereit ist, einen Aufpreis zu zahlen, bekommt die Hauptscheinwerfer in LED-Ausführung. Diese Mehrausgabe macht sich bezahlt, die Nachtfahrt im Rahmen des Supertests zeigte deutlich die Vorteile gegenüber H7 und selbst Xenon-Scheinwerfern. Ein identischer Hingucker sind übrigens die Rückleuchten, natürlich ebenfalls in LED-Technik gehalten. Die sind nicht nur nachts gut zu sehen, sondern machen auch am Tag eine gute Figur am ohnehin fast spektakulär zu nennenden Heck mit seiner schwarz glänzenden Anmutung. Auch innen braucht sich der Bus in der Nacht nicht zu verstecken. Auffallend ist, dass die zentrale Fahrgastraumbeleuchtung eben nicht auffällt, sie ist nämlich indirekt gestaltet und befindet sich an den Innenrändern der offenen Gepäckablagen. Diese sind zwar mit einigen Streben an der Decke befestigt, interessanterweise aber wirken die Ablagen dennoch filigran, fast schwebend. Die Nachtbeleuchtung wurde in den Haltestreben untergebracht, das wirkt modern und stimmungsvoll. Noch edler wird es, wenn die bis zu sechs Ablagen-Spangen geordert werden, die mit dem hinterleuchteten Lion’s-Coach-Schriftzug versehen sind. Wenig Aufwand für eine große Wirkung. Gesessen wird auf MAN Deluxxo-Sitzen, sie bieten ausreichend Rücken- und Seitenhalt und lassen nicht nur Fernbusfahrten leichter ertragen. Wobei, bei einer Busfahrt zählt eh meist ein ausreichender Sitzabstand zum Vordermann und der lässt sich bei einem 13-Meter-Bus natürlich leichter verbauen. Kein Wunder also, dass der Testbus auf „nur“ 48 Sitzplätze kam, dafür aber eben mit einem langstreckentauglichen Abstand. ­Gleiches gilt nicht für den Begleitsitz. Dieser ist eine Zumutung. Kaum Platz für die Beine, die Knie stoßen bei normal großen Personen am Frontkühlschrank an, es gibt keine Ablagen für den Begleiter, nicht mal an einen Becherhalter wurde gedacht. Die doppelte Kühlschrankklappe ist zwar nett gemeint, funktioniert aber in der Praxis nicht. Hier wird deutlich, dass es sich beim Lion’s Coach eben nicht um eine komplette Neuentwicklung handelt, sondern auf ein bestehendes Konzept aufgebaut wurde. So wurde auf eine grundsätzliche Gerippe-Änderung verzichtet, lediglich die sicherheitsrelevanten Knoten- und Verbindungspunkte wurden modernisiert, leichter und fester gestaltet, um auch die neueste ECE-Umsturzrichtlinie erfüllen zu können.

© Foto: Sascha Böhnke

Meine Meinung / Unser Urteil

Dafür aber hat der Fahrer kaum Grund zum Meckern, sein Arbeitsplatz wurde zwar im Vergleich zum letzten Vorgänger nur leicht modifiziert, dafür aber verbaut der Hersteller kontinuierlich Verbesserungen in Sachen Sicherheit und Antriebsstrang. Das macht sich zum einen in Sachen Unfallvermeidung bemerkbar und auf der anderen Seite durch einen geringeren Kraftstoffverbrauch. Die Testrunde absolvierte der Bus mit einem Gesamtverbrauch von 27,55 Litern/100 km. Das ist für die schwere Testrunde ein sehr guter Wert. Reine ebene Autobahn­etappen schlugen mit 20–21 Litern/100 km zu Buche, die sehr schwere Landstraßenetappe mit 41 Litern/100 km. Auch das ein ausgezeichnetes Ergebnis, an welchem speziell in den Bergen das automatisierte 12-Gang-Schaltgetriebe seinen nicht unerheblichen Anteil hatte. Schnelle Schaltzeiten, schnelles Hoch- und Runterschalten, Drehzahlangleichung vor Schaltvorgängen – all das zeichnet die MAN TipMatic aus. In Kürze wird das Nachfolgegetriebe, das auf dem ZF Traxon basiert, seinen Einzug halten, damit verspricht MAN noch einmal eine Verbesserung in zahlreichen Punkten. Auf der Autobahn gut funktioniert hat der höhenbasierte Tempomat in Verbindung mit der Freilauf-Roll-Funktion. Hiermit lässt sich, wenngleich auch nur in Maßen, ebenfalls Kraftstoff sparen. Doch gerade bezogen auf die Gesamtfahrleistung gilt: Kleinvieh macht aus Mist. 11 Kubikmeter misst das Kofferraumvolumen, da bleibt bei diesem Zweiachser noch locker Platz, um einen Rollstuhllift zu verbauen. Der befindet sich über der Vorderachse. Im Inneren sorgen zusammenschiebbare und klappbare Sitze auf Cargoschienen dafür, dass die Sitze in diesem Bereich flexibel an Bord verbleiben können. Im Rahmen des Handlingtests funktionierte der hydraulische Lift in seiner Gesamtheit störungsfrei und fast intuitiv. Auch in Sachen Konnektivität braucht sich der Bus nicht zu verstecken. Ein Spannungswandler, WLAN-Vorbereitung, 230-Volt-Steckdosen und USB Lademöglichkeit an jedem Doppelsitz dürften den surfsüchtigen Reisenden entgegenkommen. Und auch die Details wie eine 230-V-Steckdose im Kofferraum sollten an dieser Stelle Erwähnung finden. Insgesamt funktioniert der Lion’s Coach. Und zwar besser als gedacht. Spannend dürfte letztlich bleiben, wie viele sich für den Bus mit MAN-Logo oder den baugleichen Bus mit dem Neoplan-Logo entscheiden dürften. Letzterer soll ja mit noch mehr Exklusivität punkten – aber die Schlacht um den schöneren Frontscheinwerfer hat der Neoplan leider verloren… Meine Meinung: Mit dem MAN Lion's Coach ist das so eine Sache: Die einen lieben diesen unkomplizierten Bus, die anderen fremdeln immer noch mit dem Fahrzeug, was aber höchstwahrscheinlich aus seiner längst verblichenen Vergangenheit herrührt. Doch wer mal aufmerksam durch die Lande fährt, dem wird die hohe Zahl an Lion's Coach-Bussen auffallen. Klar, bei 260.000 Euro geht es bei den 13 Metern los und 300.000 Euro für einen vollausgestatteten sind eine Kampfansage. Erstaunlich ist es für mich, mit wie wenigen optischen Änderungen außen der Bus eine wahre Verjüngungskur erfahren hat. Häßliches Entlein war einmal, wenn heute die für einen Bus extrem schicken Scheinwerfer aufblinken, dann heißt es höchstens für den Wettbewerb: Obacht – ein MAN! Unser Urteil: Der MAN Lion's Coach C ist ein Fahrzeug, das eindrucksvoll beweist, dass auch streng kalkulierte Busse auf höchstem Niveau fahren können. Die Sicherheitsfeatures sind aktuell, die Lichtthematik wurde ausgezeichnet umgesetzt und der Antriebsstrang setzt ohne Frage Maßstäbe. Das ist umso bemerkenswerter, da hier noch nicht das neue ZF Traxon verbaut ist. In Sachen Verbrauch profitiert der Bus vom höhenbasierten Tempomaten und der Freilauffunktion. Zusammen mit der Getriebeoptimierung ist der Lion's Coach ein echter Spar-Meister. Einige Detaillösungen sind etwas ärgerlich, dazu zählen zu wenig Staumöglichkeiten innen und außen für den Fahrer sowie ein zu eng gestalteter Beifahrerplatz. Doch grundsätzlich funktioniert der Bus, das werden die Zulassungszahlen zeigen.
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