Setras Doppeldecker erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Seit 2002 ist der S 431 DT auf unseren Straßen unterwegs und wurde bisher etwa 1.400 mal verkauft. Ende vergangenen Jahres wurde der Bus auf Euro 6-Motoren umgestellt und hat in diesem Atemzug gleich mal über 40 Neuerungen erfahren.
In Kortrijk wurde der S 431 DT in Euro 6-Version das erste Mal dem Fachpublikum vorgestellt. Wer sich allerdings dem Bus nicht gerade von hinten näherte, tat sich schwer, die Veränderungen zu entdecken. Denn äußerlich hat man den gewichtigen Bus nur sanft verändert. Bereits die Fahrzeugbezeichnung spricht Bände: S 431 DT deutet auf die Baureihe 400 hin. Doch ganz so einfach ist es in diesem Fall nicht, denn es hat sich eine Menge getan unter dem immer noch aktuell wirkenden Glas- und Blechkleid.
Die Frontscheibe ist beim aktuellen Fahrzeug verklebt und kommt ohne Einglasgummis aus. Das sorgt für weniger Windgeräusche. Leicht angepasst wurde die Blende für den Sensor des Abstandsregeltempomaten (ART). Überarbeitet wurde der Stoßfänger im Bereich der Nebelscheinwerfer, diese besitzen nun auch die Funktion eines Abbiegelichtes. Nicht angefasst wurden dagegen die Hauptscheinwerfer und die Blinkleuchten. Diese Neuheiten bleiben tatsächlich der Baureihe 500 vorbehalten.
Auf der rechten Seite befand und befindet sich seit jeher die Tür zum Kofferraum. Größter Unterschied nun: Sie wurde um 23 Zentimeter verbreitert. Das soll für eine bequemere Beladung des Gepäckraums sorgen. Setra-Doppelstockbus-Fahrer werden es gleich bemerken: der Kofferraum ist nun mit weniger Absätzen im Inneren gestaltet, das soll ebenfalls die Beladung erleichtern, dürfte aber hauptsächlich der Tatsache geschuldet sein, dass die Euro 6-Komponenten im Heck komplett anders als bisher angeordnet sind. Damit hängt auch zusammen, dass der Bus nur noch auf der linken Seite eine Tankklappe besitzt, der Tank wanderte nämlich in den vorderen Bereich hinter die Vorderachse in den Unterflurbereich. Weitere Veränderung deswegen: Rechts und links gibt es nun jeweils eine Klappe weniger. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass es sich um einen Euro 6-Doppeldecker handelt, bietet der Heckbereich. Denn hier befindet sich nun auch die Motorklappe mit den beiden Lüftungsgittern, von denen wie gehabt das linke nur der Optik wegen vorhanden ist, aber keinerlei Funktion zu erfüllen hat. Ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail betrifft die Position der Rückfahrkamera. Sie wurde weiter nach oben versetzt, damit beim Mitführen eines Skikoffers deren Sicht nicht mehr verdeckt wird.
Die eigentliche und wichtigste Neuerung sitzt im Heck, der neue OM 471. Im Doppeldecker arbeitet nun die im Busbereich stärkste Variante mit einem Drehmoment von unglaublichen 2.500 Newtonmetern. Das ist eine deutliche Leistungssteigerung im Vergleich zum bisher verbauten V-8-Aggregat. Dieses Drehmoment holt der Motor aus einem Hubraum von 12,8 Litern. 375 kW leistet der OM 471, das sind knapp 510 PS. Während einer ersten Testfahrt konnte der Motor überzeugen. Zwar war der Bus nicht ausgeladen, doch Erfahrungswerte machen die deutliche Überlegenheit zum bisherigen Motor deutlich. Möglich, dass der eine oder andere den satten V-8-Sound vermissen wird, doch spätestens beim Beschleunigen oder am Berg dürfte derjenige überzeugt sein, der mit seinem Bus nicht angeben sondern arbeiten will.
Auffallend ist die Laufruhe. Kein Wunder, auch hier hat die Common Rail-Hochdruckeinspritzung Einzug gehalten. Nun ist im Doppelstockbus naturgemäß der Bereich rund um den Motor knapp bemessen, denn im Heck befindet sich der Kofferraum. Wo auch sonst, schließlich handelt es sich bei einem Doppelstockbus im Grunde um ein Niederflurfahrzeug. Und somit hatten die Ingenieure so manch harte Nuss zu knacken, denn zusätzlich zum SCR-System mussten nun noch die EGR-Filter untergebracht werden. Gelöst wurde das Ganze, indem der Tank, wie weiter vorn erwähnt, seinen Platz nun im Unterflurbereich hinter der Vorderachse gefunden hat. Auch weitere Aggregate und Vorratsbehälter wurden umpositioniert. Gerade einmal 0,17 Kubikmeter weniger steht nun zur Verfügung und damit immer noch 8,3 Kubikmeter.
Wirklich viel ist das natürlich bei bis zu 83 Fahrgästen nicht, doch Doppelstockfahrer müssen stets Kompromisse eingehen, von daher: Es hätte schlimmer kommen können. Das Tankvolumen beträgt 510 Liter und wird in drei Behältern aufgeteilt: 220 Liter plus 145 Liter auf der linken Seite und 145 Liter auf der rechten Fahrzeugseite. Der AdBlue-Tank fasst 34 Liter. Getankt werden kann nur noch links, nicht so schön ist, dass sich der Einfüllstutzen nicht direkt in der Nähe des Diesel-Einfüllstutzens befindet. Doch auch hier ist es ein Jammern auf hohem Niveau.
Im Inneren ist so ziemlich alles beim Alten geblieben, wobei „alt“ nicht der richtige Ausdruck ist, denn der Fahrgastraum wirkt nach wie vor für einen Doppelstockbus praktisch und zeitgemäß. Mag sein, dass es einen Hersteller gibt, der gerade den Bereich des Oberdecks noch luftiger gestalten kann, doch bekanntlich hat der zur Zeit arge Probleme, seinen neuen Skyliner auf die Straße zu bekommen. Setra wirbt zwar damit, dass es im S 431 DT nun beide Aufgänge serienmäßig gibt, doch im Grunde ist das der aktuellen Gesetzgebung geschuldet. Interessant aber immerhin ist die freie Wahl des Unternehmers, ob er den Aufgang vorn nun links oder rechts bekommen möchte. 83 Sitzplätze hat der Testbus geboten. Das ist eine Zahl, die derzeit an Bedeutung gewinnt, besonders im Bereich der Fernlinien spielt der Doppeldecker in seiner ganz eigenen Liga. Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass die Ausstattungs- und Konfigurationsmöglichkeiten des Unterdecks viel Spielraum für die unterschiedlichsten Bedarfe bietet. Ob volle Bestuhlung, exklusive Bistroausstattung oder Lounge – alles geht und alles ist im jeweiligen Fall sinnvoll.
Neues Lenkrad und Display sowie etliche Sicherheitssysteme
Wie aber fährt sich nun der aufgewertete Bus? Eine große Überraschung gibt es für den Fahrer bereits beim Platz nehmen auf seinem Arbeitsplatz. Denn er findet ein Cockpit vor, das in weiten Teilen von der Baureihe 500 übernommen wurde. Es gibt kaum etwas nicht, was es auch in der ComfortClass 500 oder der TopClass 500 gibt. Da ist zum einen das neue Display, welches erstmals im neuen Travego und dann auch in der 500er Setra-Baureihe zum Einsatz kam. Und mit ihm hat das Anzeigekonzept in 3D-Optik Einzug gehalten. Natürlich findet sich hier auch das neue Lenkrad mit seinen Tasten zur Navigation im Display-
Bedienmenü und der Steuerung der Tempomatfunktionen. Eine schöne Sache sind die in Blöcken zusammengefassten Funktionen wie Licht, Assistenten und so weiter.
Einen Doppeldecker zu steuern, verlangt neben viel Können auch eine riesige Portion Verantwortungsbewusstsein, schließlich bewegt man sich in einem Höhen-, Längen- und Gewichtsbereich, der kaum zu toppen ist. Dazu kommt die Verantwortung für eine sehr große Zahl an Fahrgästen bei hohen Geschwindigkeiten. Ein BRT-Bus befördert zwar noch mehr Leute, aber nicht mit 100 km/h. Aus diesem Grunde kann man es Daimler/Setra gar nicht hoch genug anrechnen, dass hier in Sachen Sicherheit alles verbaut wurde, was derzeit möglich ist.
Das beginnt beispielsweise mit so Unscheinbarem wie dem Licht/Regensensor, der nun zusammen mit der Kamera für den Spurassistenten in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht ist. Natürlich ist das neueste Bremssystem EBS 3 an Bord. Das ermöglicht den Einbau von ABA 2, also dem Notbremsassistenten, der sogar stehende Hindernisse erkennen kann. Mit Einführung der Baureihe 500 kam auch der Attention Assist, also eine Art Müdigkeits-Assistent, der aufgrund der Lenkzeiten eine Pause vorschlägt. Auch der findet sich im S 431 DT. Und weil wir gerade bei den Assistenten sind – mit an Bord ist nun auch Eco Driver Feedback. Möglich, dass das die Heißsporne unter den Fahrern nicht freuen wird, denn das System wertet kontinuierlich die Fahrweise aus und protokolliert die Fahrweise nach kraftstoffsparenden und verschleißtechnischen Gesichtspunkten. Dazu passt natürlich auch PPC (Predictive Powertrain Control), der höhenbasierte Tempomat. Gerade auf langen Autobahnabschnitten, die bekanntlich nicht nur durch die Ebene führen, ergibt bei einem solchen Schwergewicht dieses Sparsystem Sinn. Das ESP, ABS und ASR an Bord sind, ist selbstverständlich. Nicht ganz so selbstverständlich ist die Tatsache, dass der Bus den Pendelschlagtest nach ECE-R29 erfüllt. Bei diesem Test muss insbesondere der Bereich von Fahrer und Beifahrer hohen Belastungen standhalten können. Hier also haben die Entwickler das Gerippe einer deutlichen Änderungskur unterzogen. Sowohl unter wirtschaftlichen als auch sicherheitsrelevanten Gesichtspunkten ist noch die Reifendruck-Überwachung zu sehen, die vor schleichenden Plattfüßen warnt. Das ist umso wichtiger, da man gerade mit einem Doppeldecker lieber nicht ins Schlingern geraten möchte.
Die Frischzellenkur kann sich sehen lassen
Fahren lässt sich der Bolide völlig problemlos. Natürlich spürt man seine Größe, doch das Fahrwerk leistet eine ausgezeichnete Arbeit. Neu ist beispielsweise die Einzelradaufhängung der Nachlaufachse, sie stabilisiert den Bus noch einmal zusätzlich. Auch in Kurven gibt sich der Bus keine Blöße, zu beachten ist lediglich der etwas größere Radstand von 6.700 Millimetern zwischen den ersten beiden Achsen und das Ausschwenkmaß des Heckbereiches, dann klappt es auch beim Abbiegen.
Spannend dürfte nun noch die Frage sein, inwieweit sich der Verbrauch im Vergleich zum EEV/Euro 5-Bus verändert. Man kann sicher von einem Minderverbrauch ausgehen, eine Testfahrt würde sicherlich Klarheit schaffen, doch spätestens wenn der S 431 DT flächendeckend unterwegs ist, dürfte auch dieses Geheimnis gelüftet sein. Kein Geheimnis ist, dass solch ein Bus um die 430.000 bis 450.000 Euro kostet. Das ist zwar auf den ersten Blick eine Menge Geld, doch in Hinblick auf die Sitzplätze relativiert sich diese Summe recht schnell, wirtschaftlicher ist kaum ein anderer Bus.
Unser Urteil: Der Setra S 431 DT ist zwar ein alter Bekannter, aber noch lange kein Oldie. Ganz im Gegenteil, die Frischzellenkur, die Daimler diesem Bus verpasst hat, kann sich sehen lassen. Der starke Reihen-Sechszylinder leistet ganze Arbeit, die Sicherheitssysteme, die an Bord sind, suchen wieder einmal ihresgleichen. Dazu kommen Spritspar-Assistenz-Systeme, die gerade in diesem Bereich nicht zu unterschätzen sind. Weshalb man dem Bus bei so viel Neuheiten nicht auch noch eine aufgefrischte LED-Front und ein entsprechendes Lichtheck verpasst hat, ist ein kleines Rätsel. An der Elektronik kann es nicht liegen, denn der Fahrer muss sich an seinem Arbeitsplatz nicht umstellen, wenn er von der CC 500 oder TC 500 umsteigt. Nichtsdestotrotz ist der größte Setra ein beliebtes Fahrzeug, das mit dem Sprung zu Euro 6 weitere Freunde finden dürfte.
(sab)
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