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ÖPNV: Deutschland braucht ein besseres Angebot

03.11.2023 08:19 Uhr | Lesezeit: 4 min
Bushaltestelle_Laendlicher_Raum
Eine „Mobilitätsgarantie“ wäre vor allem für ländliche Regionen ein Meilenstein, so die Agora Verkehrswende
© Foto: BDL

Die Diskussion um das Deutschlandticket dürfe nicht davon ablenken, dass das ÖPNV-Angebot in der Fläche oft nicht ausreicht. Deutschland solle sich hier die Nachbarländer zum Vorbild nehmen, so die Agora Verkehrswende.

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Mit Blick auf eine bundesweit garantierte Grundversorgung mit Bus und Bahn sollte die Bundesregierung ein Qualitätsmonitoring einführen und sich mit Ländern und Kommunen auf ein Zielbild einigen, empfiehlt die Agora Verkehrswende. Die Denkfabrik bezieht sich dabei auf eine Datenanalyse mit Modellrechnungen zum Angebot des öffentlichen Verkehrs in Deutschland.

Demnach müssten, um für die große Mehrheit der Bevölkerung mindestens einen Anschluss im Zweistundentakt zu gewährleisten, die gefahrenen Kilometer im Linienverkehr um zehn Prozent erhöht werden. Für einen Stundentakt, der von Verbraucher- und Branchenverbänden als Mindeststandard angesehen wird, wäre sogar eine Steigerung um 46 Prozent notwendig, so die Agora Verkehrswende.

Eine solche „Mobilitätsgarantie“ wäre vor allem für „ländliche und strukturschwache Regionen ein Meilenstein“, sagte Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Menschen, die keinen Zugang zu einem Auto haben, sich das Autofahren nur schwer leisten können oder viel Zeit für Hol- und Bringfahrten aufwenden müssen, sind in ihrem gesellschaftlichen Leben eingeschränkt. Ein garantiertes Grundangebot mit Bus und Bahn kann gerade diese Menschen stärken und vor Mobilitätsarmut schützen.“

Vorbilder Schweiz und Österreich

Die Bundesregierung hat bereits in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, „Erschließungs- und Qualitätsstandards für ein alltagstaugliches Mobilitätsangebot“ mit Ländern und Kommunen zu erarbeiten und damit möglichst „gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen“ zu schaffen. Bei der Definition solcher Standards und der Analyse der Ausgangslage biete es sich an, wie Österreich und die Schweiz mit sogenannten „Güteklassen“ zu arbeiten, so die Agora Verkehrswende. Diese bewerten, wie oft Linienbusse und -bahnen von einer Haltestelle abfahren und wie weit Haushalte von der nächsten Haltestelle entfernt sind. Je besser die Güteklasse, desto kürzer der Weg vom Wohnsitz zu einer Haltestelle mit hoher Taktung.

Die Datenanalyse, die im Auftrag von Agora Verkehrswende erstellt wurde, zeigt allerdings erhebliche Unterschiede und Lücken in der Versorgung mit Bus und Bahn in Deutschland. Der Anteil der Menschen, die keinen guten Zugang zum öffentlichen Verkehr haben, ist am höchsten in Flächenländern wie Bayern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen schneiden im Vergleich dazu deutlich besser ab.

Laut den Zahlen verfügen bundesweit rund 33 Millionen Menschen (41 Prozent) an ihrem Wohnsitz über ein gutes bis sehr gutes Angebot mit Bus und Bahn (Güteklasse A oder B). 20 Millionen (25 Prozent) haben hingegen nur Zugang zu einem grundlegenden Angebot (Güteklasse E oder F) oder nahezu keinen Anschluss an den öffentlichen Verkehr (keine Güteklasse).

Linienangebot deutlich erhöhen

Zusätzlich zur Ist-Analyse wurden drei Varianten für eine Mobilitätsgarantie berechnet. Dafür wurden im Modell die Anzahl der Abfahrten auf den bestehenden Linien so lange erhöht, bis an allen Haltestellen ein bestimmter Mindesttakt gewährleistet ist. Erhöht wurde dabei die Taktung vor allem an Bushaltestellen, die bisher nur wenige Abfahrten bieten; an Bahnhaltestellen ist ein Stundentakt oder mehr bereits heute der Normalfall. Bei der praktischen Umsetzung einer Grundversorgung können in ländlichen Regionen neben Linienverkehren flexible Kleinbusangebote eine wichtige Rolle spielen.

In der kleinen Garantievariante braucht es nach den Modellrechnungen etwa zehn Prozent mehr gefahrene Kilometer im Linienverkehr, um den meisten Menschen mindestens einen Anschluss der niedrigsten Güteklasse F zu garantieren. Das entspricht mindestens einem Zweistundentakt an allen bestehenden Bushaltestellen. In der mittleren Variante braucht es eine Ausweitung um 46 Prozent, um mindestens einen Stundentakt beziehungsweise Güteklasse E zu garantieren. In der großen Variante hätten nahezu alle mindestens Zugang zu Güteklasse D beziehungswiese zu Abfahrten im 40-Minuten-Takt. Die Hälfte der Bevölkerung würde in Gebieten der Güteklasse A und B leben. Dafür müssten die Fahrplankilometer im Linienverkehr um 90 Prozent erhöht werden.

„Die Diskussionen über das Deutschlandticket dürfen nicht davon ablenken, dass Deutschland ein besseres Angebot im ÖPNV braucht“, erklärte Philipp Kosok, Projektleiter Öffentlicher Verkehr bei Agora Verkehrswende. „In Regionen, in denen kaum ein Bus oder eine Bahn fährt, helfen günstige Tarife nicht weiter. Für eine flächendeckend gute Grundversorgung sind klare Kriterien, Ziele und Zuständigkeiten sowie eine sichere Finanzierung gefragt.“

Kosok verweist darauf, dass es viele Praxisbeispiele gibt, die zeigen, wie es besser geht. „Österreich hat ein System zur Bewertung der Qualität entwickelt, das auch für Deutschland geeignet wäre. Die Schweiz macht schon heute vor, wie ein hoher Standard funktioniert. In Deutschland arbeiten einige Bundesländer bereits daran, die Versorgung zu verbessern. Darauf lässt sich aufbauen“, so Kosok.

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