Um die Frage, wie sich der Erfolg im heimischen Tourismus messen und bewerten lässt, ging es beim Tourismustag der Tourismus Marketing Gesellschaft Baden-Württemberg (TMBW) in Metzingen, an der über 300 Touristiker teilnahmen. Im Tourismus definiere man „Wachstum und Erfolg seit langer Zeit vor allem als ein Wachstum unserer Gäste- und Übernachtungszahlen“, sagte Staatssekretär Patrick Rapp (CDU) zum Auftakt der Veranstaltung. Klar sei aber, dass „wir unsere Gästezahlen nicht auf Dauer und nicht ins Unermessliche steigern können“, so Rapp. Daher ginge es vielmehr darum, dauerhaft die Anforderungen von „Betrieben, Gästen und Einheimischen in Einklang“ zu bringen.
Wie sich eine Tourismusdestination jenseits von reinem Wachstum neu aufstellen und dabei am Gemeinwohl orientieren kann, versuchte Christian Haselsberger aufzuzeigen, der für den österreichischen Tourismusverband Wilder Kaiser als sogenannter „Lebensraum-Manager“ die Interessen von Einheimischen und Urlaubsgästen zusammenführen soll.
Die Region gilt als eine der Vorreiter in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie und verfügt seit 2019 über eine sogenannte „Gemeinwohl-Bilanz“. Ziel soll dabei sein, die eigene Region zu einem lebenswerten und nachhaltigen Lebensraum weiterzuentwickeln: „Ein intensiver Dialog mit der Bevölkerung und ein Denken nach der Gemeinwohl-Ökonomie sind Basis für dieses Handeln“, sagte Haselsberger.
Kein Wachstum um jeden Preis im Tourismus
Getragen werden solle Ansätze von der Überzeugung, dass die Branche mehr umfasst als das Beherbergen und Bewirten von Gästen, so die TMBW. Ein verantwortungsvoller Tourismus müsse die Interessen von Einheimischen und Gästen in Einklang bringen, die Attraktivität des Standorts steigern und neben ökonomischem Erfolg auch ökologische und soziale Nachhaltigkeit anstreben. Wachstum um jeden Preis habe „auch in der Tourismusbranche als vordergründiges Ziel längst ausgedient“ – meint zumindest die TMBW.
Angesichts der Forderung nach einer Neubewertung und Zielen jenseits wirtschaftlicher Erfolge, tauchte natürlich unweigerlich auch die Frage auf, wie sich denn der Erfolg des Tourismus künftig messen lassen soll, falls Gäste- und Übernachtungszahlen als maßgeblicher Wert an Gewicht verlieren.
Die Antwort der TMBW blieb denn auch etwas unscharf, denn lapidar heißt es: „Hier steht die Tourismusbranche noch ganz am Beginn einer Neuausrichtung.“ Auf mögliche Alternativen wies immerhin die Stuttgarter Tourismusforscherin Vanessa Borkmann hin. Sie plädierte dafür, den gesellschaftlichen Beitrag des Tourismus insgesamt besser zu erfassen, wobei auch dies scher greifbar blieb. Hierfür müsse man neue Kennzahlen entwickeln, um die Relevanz der „Gastwelt“ ganzheitlicher zu bewerten: „Dazu könnten unter anderem Kennzahlen wie der Social Impact, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit oder auch der Digitalisierungsindex dienen.“
Zukunftsforscher erwartet Runderneuerung im Tourismus
Was die aktuelle Situation im Tourismus sowie den weiteren Ausblick anging, sagte der Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter, dass die multiplen Krisen der vergangenen Jahre als „Beschleuniger für eine radikale Runderneuerung“ gewirkt hätten, er sprach von einer grundlegenden Transformation des Tourismus, die nun folge.
Hierzu gehört für Reiter ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Beteiligten einbezieht: „Das neue touristische Ökosystem ist mehr als die Summe der einzelnen Akteure. Es wird getragen von einem neuen verantwortungsvollen Spirit, der Qualität vor Quantität einfordert, Wertschätzung vor Wertschöpfung, Gemeinwohl vor Partikularinteressen.“