In Deutschland fehlen hunderttausende LKW- und Busfahrer, Verkehrsplaner, Ingenieure, Fluglotsen und Werkstattpersonal. Der Bundestagsabgeordnete Henning Rehbaum, zuständiger Berichterstatter der CSU/CSU für Fachkräfte in der Verkehrswirtschaft, lud am vergangenen Mittwoch erneut zum „Runden Tisch Fachkräftemangel im Verkehr“ ein, um über die zugespitzte Situation in den Betrieben zu sprechen. Über 50 Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Verbandsvertreter aus dem Verkehrsbereich berichteten aus der Praxis und boten Lösungsvorschläge an. Die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten: Die Entbürokratisierung von Ausbildung und Anerkennung ausländischer Fachkräfte, insbesondere LKW- und Busfahrer.
Vom neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz erhoffen sich die Praktiker nicht allzu viel. „Das wahre Nadelöhr bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte“, sagte Heike van Hoorn, Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums (DVF), sei vor allem die Beantragung von Arbeitsvisa. Auf einen Termin in den deutschen Konsulaten im Ausland müsse man oft monatelang warten. Das bestätigte auch Ahmet Salincakli, der Fachkräfte aus der Türkei nach Deutschland vermittelt. „Hat man dann einen Termin ergattert, fordern die Konsulate für Fahrer einen EU-Führerschein, obwohl sie schon jahrelange Berufserfahrung auf europäischen Straßen haben“. Diese Vorgabe sei unsinnig und sollte wegfallen, so Salincakli.
Jens Pawlowski, Leiter des Hauptstadtbüros des Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), forderte, das sog. Beschleunigte Fachkräfteverfahren auch auf Berufskraftfahrer anzuwenden sowie E-Learning bei der Fahrerqualifikation und eine Ausbildung in Fremdsprachen endlich zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten Pilotprojekte mit Drittstaaten gestartet werden, z.B. mit Serbien, der Türkei oder Usbekistan, um Fahrer bereits dort zu qualifizieren. Besonders ärgerlich aus Sicht des deutschen Transportgewerbes sei, dass die derzeit in Gräfenhausen streikenden ausländischen Lkw-Fahrer osteuropäischer Großspeditionen aufgrund bürokratischer Hürden nicht bei deutschen Unternehmen und zu ordentlichen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden könnten.
Eine weitere Stellschraube seien Reformen des europäischen Führerscheinrechts: Patrick Orschulko, Referent beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo), schlug Änderungen der Mindestaltervorschriften und die Erhöhung der Kapazitäten der Führerscheinklasse D1 von 16 auf 22 Passagiere vor. Auch das Aufheben des Wohnortprinzips sei ein Hebel, um Menschen mit Wohnsitz in Deutschland das Absolvieren des Führerscheins und der Berufskraftfahrerqualifikation im EU-Ausland zu ermöglichen. Helfen würde den Verkehrsunternehmen außerdem, wenn die Bundesagentur für Arbeit den Führerscheinerwerb auch für Minijobber fördern würde. Gerade in der Busbranche seien Teilzeitmodelle traditionell erforderlich, um die vielen Verstärkerfahrzeuge zum Berufs- und Schulverkehr am Morgen und am Nachmittag zu meistern, bei denen die Busse oft nur zwei Stunden im Einsatz seien.
Van Hoorn ergänzte, dass ein einmaliger Fachkräftegipfel des Bundesverkehrsministeriums nicht ausreiche, um dem strukturellen Personalmangel entgegenzutreten. Nötig seien Monitorings über die Mangelberufe und eine Ressortstrategie speziell für den Verkehrssektor. Rehbaum sagte abschließend: "Die Bundesregierung muss nicht nur Gipfel veranstalten, sondern auch daraus lernen und Maßnahmen einleiten. Der Transport von Menschen und Gütern ist systemrelevant, und für unsere Volkswirtschaft von größter Bedeutung. Verkehrsminister Wissing, Außenministerin Baerbock und Arbeitsminister Heil müssen beim Fahrermangel endlich Gas geben - sonst kriegen wir in Deutschland englische Verhältnisse, und der Ausbau des ÖPNV scheitert am Fahrermangel. Die Lösungsvorschläge der CDU/CSU und der Branche liegen auf dem Tisch - die Bundesregierung muss sie dringend umsetzen."