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Recruiting: 10 Strategien gegen den Busfahrermangel

08.05.2023 10:15 Uhr
Zeretzke
© Foto: Zeretzke Reisen

Vorbei die Zeiten, in denen Busunternehmen einfach nur eine Anzeige in der Lokalzeitung schalten mussten, daraufhin stapelweise Bewerbungen von qualifizierten und motivierten Busfahrern in der Region bekommen haben und dann die besten herauspicken konnten. Das Recruiting ist vielschichtiger geworden. 10 Tipps für die erfolgreiche Personalsuche.

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Heute ist es deutlich herausfordernder für Unternehmen im Linienverkehr und in der Bustouristik geworden, überhaupt ausreichend Fahrpersonal zu finden, auch wenn sie ihre Stellen regelmäßig in den gängigen Stellenportalen ausschreiben. Von Bewerberauswahl kann da keine Rede mehr sein. Der Markt hat sich gewandelt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt.

Doch wenn Busunternehmen bei der Fahrersuche bereit sind, die gewohnten Wege zu verlassen und auch neue Methoden und Kanäle im Recruiting auszuprobieren, wird es ihnen auch weiterhin gelingen, den Personalbedarf hinterm Buslenkrad zu decken, auch wenn es mühsamer geworden ist. 10 Tipps für die erfolgreiche Personalsuche.

1. Die Bekanntheit des Busunternehmens als Arbeitgeber stärken

Private Busunternehmen fahren im Linienverkehr im Auftrag großer Verkehrsvergesellschaften oder -verbunde. Sie sind für die Menschen oft nicht sichtbar – meist steht der Firmenname nur klein auf dem Bus. Deshalb müssen gerade die kleinen, privaten Busunternehmen als interessanter Arbeitgeber für potenzielle Bewerber überhaupt sichtbar werden. Das klappt am besten über Social Media.

Busunternehmen können zum Beispiel ohne großen Aufwand ein kurzes Video drehen, das die Vorzüge des Arbeitens zeigt und das sympathische Team vorstellt. Die Hardware ist heute leicht verfügbar (es reicht auch ein gutes Smartphone mit Stativ) und ein Azubi, Praktikant oder Werkstudent, der so eine spannende Aufgabe nach einem genauen Briefing bestimmt gern übernimmt, findet sich in vielen Betrieben.

2. Zusammenarbeit mit einer Social-Recruiting-Agentur

Wer sich als kleines Busunternehmen nicht in der Lage sieht, selbst über Social-Media-Kanäle aktiv auf Bewerberfang zu gehen, und bereit ist, ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen – ein paar Tausend Euro sollte man dafür einplanen, kann auch mit einem professionellen Dienstleister wie einer Social-Recruiting-Agentur zusammenarbeiten. 

Denn Recruiting-Ads über Social-Media-Kanäle sind momentan der aussichtsreichste Weg, um an neues Personal zu kommen, weil man dort diejenigen erreicht, die nicht aktiv einen neuen Job suchen, aber dennoch wechselwillig sind. Und die sind laut einer Studie des Job-Portals „Meinestadt.de“ in der Mehrheit: Nur fünf Prozent der Befragten waren aktiv auf Jobsuche -  47 Prozent suchten nicht aktiv, aber wären wechselwillig.

Als sehr effektiv erweisen sich daher gut gemachte Recruiting-Ads, die der Zielgruppe auf Social-Media-Kanälen ausgespielt werden. Beim Busunternehmen Steidl Reisen aus Neumarkt, das in seiner Not Hein & Kollegen beauftragt hat, genügte ein zur Zielgruppe passendes Bild ("Key Visual" genannt), das als Werbung eingespielt wird. Klicken Interessierte es an, kommen sie auf eine Landingpage, in dem die Benefits eines Jobwechsels angezeigt werden. Der Grund, warum sich ein Wechsel zu diesem Arbeitgeber lohnt, muss hier sehr deutlich herausgestellt werden, sonst nützt auch die größte Reichweite laut Berater Martin Hein nichts. Bei Steidl Reisen war das attraktivste Goody eine Bezahlkarte, auf die es monatlich steuerfreie Sachzuwendungen einzahlt und die Busfahrer für ihre Einkäufe nutzen können. Bei Steidl Reisen war die Kampagne so erfolgreich, dass sie sie nach rund 40 eingegangenen Bewerbungen vorzeitig stoppen ließ. Acht ausgebildete Busfahrer hat das Busunternehmen daraufhin eingestellt. Für die Geschäftsführerin hat sich die Investition also gelohnt. Über ebenfalls kostenintensive Inserate in Zeitungen und auf Job-Portalen im Internet hatte sie zuvor keine einstellungsfähigen Busfahrer mehr gefunden.

Kampagne Social Recruiting Steidl Reisen
Mit dieser Social-Recruiting-Kampagne von Hein & Kollegen hat Steidl Reisen so viele Bewerbungen bekommen, dass das Busunternehmen sie vorzeitig stoppen ließ
© Foto: Hein & Kollegen

Social Recruting mit Film

Einen aufwändigeren Weg im Social Recruiting ist Zeretzke Reisen aus Castrop-Rauxel gegangen: Das familiengeführte Busunternehmen ließ von einer Agentur ganze Recruiting-Videos produzieren und hat auf diese Weise innerhalb eines Monats über 108 Bewerbungen bekommen, mit deren Qualität es zufrieden war. Zwei Busfahrer und sechs Quereinsteiger wurden daraufhin eingestellt.

Die Rheinbahn in Düsseldorf hat mit der Social-Recruiting-Kampagne in nur drei Monaten über 1.000 Bewerbungen bekommen. Diese große Zahl braucht es auch, denn Marvin Staufenberg von Mission Personal, der diese und andere Busunternehmen beim Social Recruiting unterstützt hat, weiß, dass das notwendig ist: Nur rund jeder zehnte Kandidat unterzeichnet am Ende einen Arbeitsvertrag. Wer also 25 Busfahrer einstellen möchte, benötigt laut Staufenberg mindestens 250 Jobinteressenten.

Das Praktische an Recruiting-Videos: Sie sind zwar aufwendiger und kostspieliger, machen den Busfahrer-Job aber erlebbarer. Und einmal produziert, lässt sich die Kampagne nach ein paar Monaten wiederholen. Das hat auch Zeretzke Reisen so gemacht.

Filmdreh
Zeretzke Reisen hat gemeinsam mit einer Social-Recruiting-Agentur kurze Recruiting-Filme gedreht, in denen die eigenen Busfahrer die Hauptdarsteller waren. Nachdem sie auf den gängigen Social-Media-Kanälen ausgespielt wurden, kamen innerhalb eines Monats über 100 Bewerbungen rein, mit deren Qualität das familiengeführte Busunternehmen zufrieden war. Zwei Busfahrer und sechs Quereinsteiger konnten daraufhin eingestellt werden.
© Foto: Zeretzke Reisen

3. Netzwerke in Zielregionen aufbauen

In EU-Ländern, in denen wechselwillige Busfahrer zu finden sind, sollten Busunternehmen aktiv auf Suche gehen. Einigen Busunternehmen gelingt es, Kontakte bereits eingestellter Fahrer in ihre alte Heimat zu nutzen und darüber weitere Fahrer anzuwerben und einzustellen. Auf diese Weise hat ein größeres, privates Busunternehmen in Baden-Württemberg einen guten Recruiting-Kanal in Serbien aufgebaut. Andere Busunternehmen arbeiten mit Arbeitsämtern in Zielregionen zusammen oder konzipieren für die Busfahrersuche eine Landingpage in der jeweiligen Landessprache, um Busfahrer in dem gewünschten Land auf sich aufmerksam zu machen.

4. Personalvermittler einschalten

Schafft es ein Busunternehmen nicht, selbst ein Netzwerk in anderen Ländern aufzubauen, helfen professionelle Personalvermittler. Für die Vermittlung aus Ost- und Südosteuropa gibt es spezialisierte Dienstleister, die auch für kleinere und mittlere Busunternehmer Fahrpersonal suchen und rekrutieren. Fündig werden sie in Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakei, Tschechien oder Kroatien fündig.

Wer auf lange Sicht Busfahrer benötigt und erfolgreich gegen den demografischen Wandel ankämpfen will, muss außerhalb Europas suchen. Davon ist zumindest Rechtsanwalt Claus Brockhaus überzeugt, der sich mit seiner Personalvermittlung D&B Global Recruitment jetzt auch auf die Busfahrervermittlung spezialisieren will. Denn er glaubt, dass der Busfahrermangel in Deutschland ohne Personalgewinnung im Nicht-EU-Ausland nicht zu überwinden sein wird. Sein Konzept: Er baut zunächst in der Türkei, später auch in Marokko und Indien einen Pool an wechselwilligen Busfahrern auf, vermittelt ihnen noch in ihrer alten Heimat Deutschkenntnisse bis B1-Niveau und führt sie in Deutschland durch die beschleunigte Grundqualifikation. Er sagt, mehr als 600 Busfahrer jedes Jahr nach Deutschland holen zu können, auch dauerhaft. Kontakte zu wechselwilligen und gut ausgebildeten Busfahrern in der Türkei hat er bereits geknüpft.

5. Jobmessen und Recruiting-Events nutzen

Ob Berufsinformationsmessen an Schulen oder in der Stadthalle, sonstige Karrieretage oder IHK-Veranstaltungen, Bewerber-Speed-Datings oder - für größere Unternehmen - Tage der offenen Tür: Busunternehmen sollte jede Gelegenheit in ihrer Region nutzen, sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen und sich dabei auch bei potenziellen Nachwuchskräften wie Schulabsolventen bekannt zu machen. Das führt dann zum nächsten Tipp:

6. Auf die Busfahrer-Ausbildung setzen

Busunternehmen haben zwei Möglichkeiten, ihren Fahrernachwuchs selbst „heranzuzüchten“. Dass immer mehr Betriebe auf diese Möglichkeit setzen, um dem Fahrermangel entgegenzuwirken, bestätigen auch Fahrlehrer, die seit Jahrzehnten Busfahrer ausbilden. Ob die Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb oder zum Berufskraftfahrer – wer schon junge Menschen ins Unternehmen holt und es schafft, die Nachwuchsfahrer durch ein familiäres Betriebsklima und gute Arbeitsbedingungen an sich zu binden, braucht den demografischen Wandel nicht mehr zu fürchten. Die aufwändige und kostspielige Ausbildung, für die in vielen Fällen die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter die Kosten übernehmen, zahlt sich dann schnell aus.

7. Frauen gezielt ansprechen

Frauen machen rund die Hälfte der Bevölkerung aus, aber noch bei weitem nicht die Hälfte des Fahrpersonals von Busunternehmen. Sie sind also deutlich unterrepräsentiert. Oft liegt der Frauenanteil noch im einstelligen Prozent-Bereich. Wer auf einen Frauenanteil über 20 Prozent kommt, ist da schon gut aufgestellt und hat vieles richtig gemacht. Denn ohne Frauen am Bussteuer wird auch die Verkehrswende nicht zu schaffen sein.

Diejenigen, die Frauen als Fahrerinnen beschäftigen, berichten, dass sie für den Beruf auch wegen ihrer kommunikativen Fähigkeiten sehr gut geeignet sind. Ein Fahrlehrer berichtet, dass Frauen, die er für den Beruf ausgebildet hat, sehr motiviert und ehrgeizig seien. Busunternehmen sollen überlegen, wie es ihnen gelingen kann, gezielt Frauen für den Job hinterm Buslenkrad anzusprechen und zu begeistern. Eine Busunternehmerin aus Niedersachsen macht das sogar ziemlich direkt und fragt auch Frauen, die sich auf eine andere Stelle bei ihr bewerben, ob sie sich nicht vorstellen könnten, Busfahrerin zu werden. Um sie zu überzeugen, lässt sie sie mitunter sogar mal eine Runde auf dem Betriebshof mit einem Bus fahren.

Auch mit dem nächsten Pluspunkt kann es gelingen, den Beruf für Frauen attraktiv zu machen:

8.Teilzeitangebot schaffen

Wer im Fahrbetrieb aktiv Teilzeitangebote schafft, steigert seine Attraktivität als Arbeitgeber. Gerade im Linienbetrieb können sich zwei Frauen eine Linie teilen.

Wie der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) berichtet, zeigten Erfahrungen, dass Engpassberufe mit Teilzeitoptionen an Attraktivität gewinnen.

Busfahrerin
Frauen für den Job hinterm Buslenkrad zu begeistern und zu gewinnen, das ist eine wichtige Herausforderung für Busunternehmen. Dies gelingt mit gezielter Ansprache und passenden Arbeitsbedingungen wie Teilzeit
© Foto: Drazen/stock.adobe.com

9. Niedrigschwellige Bewerbungs- und Kontaktmöglichkeiten schaffen

Ein gut formuliertes Bewerbungsschreiben, bei dem die Motivation aus jeder Zeile sprießt, ein lückenloser Lebenslauf und ein professionelles Porträtfoto sind der Klassiker einer jeden Bewerbung – aber für die Stellenanwärter auch zeitaufwändig - und daher abschreckend für diejenigen, die nicht aktiv nach einem neuen Job suchen.

Um auch wechselwillige Menschen zu erreichen, die nur passiv auf Jobsuche sind, und solche, die sich mit ausformulierten Anschreiben schwer tun, bieten Busunternehmen für die Fahrersuche oft einen einfacheren Weg: Sie müssen online in einem Bewerber-Formular lediglich ihre Kontaktangaben eintragen und mit ein paar Klicks noch ein paar Fragen zu ihrer Qualifikation beantworten. Das wars. Wer Busfahrerkandidaten so niedrigschwellige Möglichkeiten bietet, ihr Jobinteresse zu bekunden, wird mehr Zulauf haben und mehr Kontakte zu potenziellen Kandidaten knüpfen.

10. Ruheständler zurückholen

Viele Busunternehmen machen es schon aus der Not heraus, auch der VDV empfiehlt es: Gezielt Fahrerinnen und Fahrern im Ruhestand anzusprechen, um sie weiterhin mit attraktiven Angeboten für einige Zeit an den Fahrdienst binden zu können. Viele sind froh, wenn sie ihre Rente aufbessern können, und freuen sich über das Gefühl, noch gebraucht zu werden. Und sie fühlen sich wohl in der neuen Position, dass sie - anders als früher -  selektiv Aufträge annehmen können und nicht mehr müssen.

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KOMMENTARE


Klaus

29.02.2024 - 14:18 Uhr

Punkt 11: Fahrer angemessen bezahlen...keine Ausreden bitte!!!!


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