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Bernreiter: „Man muss immer technologieoffen sein“

01.06.2023 15:34 Uhr
Christian Bernreiter, Bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr
Christian Bernreiter, Bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, im exklusiven Interview mit der OMNIBUSREVUE
© Foto: OMNIBUSREVUE/Erwin Fleischmann

Gerhard Grünig, Chefredakteur der OMNIBUSREVUE, und sein Stellvertreter Fabian Faehrmann, verantwortlich für das Schwestermagazin VerkehrsRundschau, waren am 16. Mai zu Gast bei Christian Bernreiter. Im Interview befragten sie den bayerischen Verkehrsminister zum Deutschlandticket, zur Busförderung in Bayern und zu seiner Meinung zur deutschen und europäischen Verkehrspolitik.

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OMNIBUSREVUE: Herr Bernreiter, ist das 49-Euro-Ticket der richtige Ansatz, auch vor dem Hintergrund der föderalistischen Unterschiede und kann es tatsächlich zur Verkehrswende beitragen?
Bernreiter:
Das Deutschland-Ticket läuft jetzt einen guten Monat. Es ist damit zu früh, um tatsächlich beurteilen zu können, ob es am grundsätzlichen Mobilitätsverhalten der Menschen etwas ändert. Ich war und bin da aber schon immer skeptisch. Was nützt mir ein günstiges Ticket, wenn die Infrastruktur fehlt oder das Angebot nicht stimmt? Besonders im ländlichen Raum sind die Menschen nach wie vor auf das Auto angewiesen, weil hier kein vergleichbar engmaschiges Angebot im ÖPNV vorgehalten werden kann wie in den Ballungsräumen. Sinnvoller wäre es daher gewesen, das viele Geld, das jetzt in das Ticket fließt, vorrangig in den Ausbau des ÖPNV zu investieren und so das Angebot attraktiver zu machen.

OR: Was muss sonst noch passieren, dass sich mehr Pendler vom Auto ab und zum Bus hinwenden – oder ist das gar nicht das Ziel?
Bernreiter: Unser Ziel ist ein ausgewogener und nachhaltiger Mix aller Verkehrsträger und Mobilitätsformen. Dabei kommt natürlich auch dem Bus eine wichtige Rolle zu. Im Dezember letzten Jahres haben wir für einen attraktiveren öffentlichen Personennahverkehr unsere ÖPNV-Strategie 2030 vorgestellt. Damit wollen wir den ÖPNV in ländlichen wie urbanen Räumen klimaschonend, digital, vernetzt und zukunftsorientiert weiterentwickeln. In den Ballungsräumen haben wir ja meist schon einen gut ausgebauten ÖPNV, der erfreulicherweise von vielen Menschen genutzt wird. Auf dem Land wird es ein vergleichbar dichtes Angebot nicht geben können. Hier können aber etwa bedarfsorientierte Angebotsformen wie zum Beispiel Rufbusse künftig eine viel größere Rolle spielen, um eine Alternative zum privaten Auto zu bieten. Mit unserem Förderprogramm zur Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum unterstützen wir über 70 Projekte in über 30 Landkreisen. Wir kommen hier also schon gut voran.

OR: Inwieweit investiert der Freistaat Bayern in die CO2-Neutralität der kommunalen Busbetriebe?
Bernreiter: Wir unterstützen die Verkehrsunternehmen bei der Beschaffung neuer Busse. Spätestens bis 2040 wollen wir so flächendeckend auf emissionsfreie Antriebe umstellen. In diesem Jahr wurden zum Beispiel bereits fast 400 Busse zur Förderung angemeldet, darunter über 300 Elektrobusse, aber auch solche mit Wasserstoffantrieb. Übergangsweise fördern wir auch noch emissionsarme Fahrzeuge, zum Beispiel mit Biogasantrieb. Daneben sorgen wir auch für die passende Infrastruktur: Im letzten Jahr konnten wir für 14 Projekte eine Förderung mit einem Gesamtvolumen von 18 Millionen Euro in Aussicht stellen.

OR: Welchen Stellenwert hat der Bus generell beim Bayerischen Verkehrsministerium?
Bernreiter: Gerade im ländlichen Raum stellt der Bus als flexibles und umweltschonendes Verkehrsmittel das Rückgrat des ÖPNV dar. Vorteile ergeben sich vor allem durch eine relativ schnelle Realisierung beim Ausbau des ÖPNV-Angebotes mit einem leistungsfähigen und sicheren Straßennetz. Wir sind hier ein verlässlicher Partner der bayerischen Busunternehmen und unterstützen diese wie beschrieben tatkräftig dabei, ihre Flotten noch umweltfreundlicher zu machen.

OR: Kommen wir zu deutschen und europäischen Themen – wie etwa schätzen Sie die Fokussierung auf E-Mobilität ein?
Bernreiter: Als Ingenieur sage ich natürlich ganz klar ‚Nein‘ zur Fokussierung. Man muss immer technologieoffen sein. Denn wir wissen aktuell nicht, wie sich alles weiterentwickelt. E-Mobilität ist in Ballungsräumen sehr, sehr gut – wenn der Strom klimaneutral erzeugt wird. Wenn dazu die Kohle aus Lützerath kommt, ist der CO2-Fußabdruck inakzeptabel. Also muss man unterscheiden, wo man was einsetzt. Auf der Straße werden wir Wasserstoff für Lkw benötigen. Wie gesagt, wir wissen nicht, wohin die Reise geht. Keinesfalls dürfen wir uns wieder von anderen Ländern als Rohstofflieferanten abhängig machen.

OR: War der Vorstoß von Volker Wissing zum Thema E-Fuels sinnvoll? Und wie sehen Sie Themen wie HVO oder Bio-LNG?
Bernreiter: Bei E-Fuels war es höchste Zeit, dass man da noch mal dazwischen gegrätscht ist. Allerdings glaube ich erst an einen Erfolg, wenn alles im EU-Gesetzesblatt steht und ausformuliert ist. Laut der Forschung der TU München sind E-Fuels eine gute Möglichkeit der Energiespeicherung, wenn wir einmal wirklich so viel grünen Strom haben, dass man ihn nicht ins Netz einspeisen kann. Abgesehen davon bin ich überzeugt davon, dass es auf der Welt Regionen geben wird, die weiter auf den Verbrennungsmotor setzen. Die Pläne für Weiterentwicklungen des Verbrenners in der Schublade verschwinden zu lassen, um sie dann vielleicht irgendwann wieder herauszuholen, wird nicht funktionieren. Meine Idee wären praktikable Zielvorgaben und kein generelles Verbrenner-Aus.

OR: Also auch HVO und Bio-LNG als Kraftstoffe, für die man außerdem die vorhandene Infrastruktur nutzen kann?
Bernreiter: Ja, genau!

OR: In die Zukunft gedacht, können wir uns das leisten, ein Wasserstoffnetz und eine Ladeinfrastruktur aufbauen?
Bernreiter: Wenn wir technologieoffen sein wollen, dann müssen wir Lade- und Tankinfrastruktur haben. Ich bin überzeugt, dass es Einsatzbereiche gibt, gerade beim Gütertransport, da wird man Wasserstoff brauchen. Beim Pkw glaube ich, dass sich Batterieelektrik durchsetzen wird. Da sind wir auch schon dran. Der Freistaat Bayern hat die meisten öffentlichen E-Ladesäulen und wir wollen bis zum Jahr 2030 auf 70.000 öffentliche Ladesäulen erweitern. Wir sind aber genauso dazu bereit und haben auch entsprechende Förderungen ausgesprochen, dass wir Wasserstofftankstellen installieren.

OR: Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur werden auf jeden Fall teuer, das lässt sich ohne Förderungen kaum realisieren. Hilft Bayern da?
Bernreiter: Wir fördern den öffentlichen Verkehr, pro Jahr zum Beispiel 400 E-Busse. Aber beim Transportgewerbe sehe ich das nicht als öffentliche Aufgabe des Freistaats Bayern.

OR: Dann zurück nach Bayern. Entwickeln Sie eine eigene Wasserstoffstrategie?
Bernreiter: Die Bayerische Staatsregierung ist da natürlich hinterher, damit wir nicht abgehängt werden. Wir kümmern uns um Leitungen aus dem Süden, die dann auch den Süden Deutschlands versorgen. Das wäre eigentlich eine Aufgabe des Bundes, sich um diese Dinge zu kümmern. Ministerpräsident Markus Söder hat mindestens 50 Elektrolyseure angekündigt, um überschüssigen grünen Strom für die H2-Produktion zu nutzen. Wir sind also im Aufbau von regionalen Speichermöglichkeiten.

OR: Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führten Gerhard Grünig und Fabian Faehrmann.

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