Die Menschen nehmen wahr, dass sich die Angebote für nachhaltige Mobilität in den vergangenen Jahren durchaus verbessert haben. Das zeigt eine Umfrage zu einer aktuellen Studie im Auftrag des Bündnisses nachhaltige Mobilitätswirtschaft von Allianz pro Schiene, Bundesverband Carsharing (bcs), Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Zukunft Fahrrad zum volkswirtschaftlichen Nutzen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft. Das Conoscope-Institut hat Schienenverkehr, Busverkehr, die Fahrradwirtschaft, Carsharing sowie die Taxibranche in ihrer Gesamtheit als Wirtschaftsfaktor für Deutschland untersucht.
Demnach sagen 40 Prozent der Befragten, dass sich die Angebote deutlich (6 Prozent) oder etwas (34 Prozent) verbessert haben. Allerdings zeigen sich starke Unterschiede, je nach Größe der Kommune. Den größten Handlungsbedarf in ihrer Region sehen die Befragten bei der Verbesserung von Bus- und Bahnverbindungen (80 Prozent), einer besseren Radinfrastruktur (44 Prozent) sowie der vereinfachten Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel innerhalb eines Weges (42 Prozent).
"Politischer Gestaltungswille gefragt"
Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene, kommentiert die Ergebnisse: „Wenn 80 Prozent der Menschen in Deutschland den Ausbau von Bus- und Bahnverbindungen als notwendig ansehen, ist das ein klarer Auftrag an Bund und Länder, die Regionalisierungsmittel zu erhöhen. Mit zusätzlichen Bussen und Bahnen überzeugen wir noch mehr Menschen, ihr Auto stehen zu lassen. Zu einem besseren ÖPNV-Angebot gehören auch attraktivere Bahnhöfe. Nur noch jeder fünfte Bahnhof in der Republik gehört dem Bund. Insbesondere im ländlichen Raum sind die Bundesländer gemeinsam mit den Kommunen gefordert, ihre Bahnhöfe aufzuwerten, damit die Menschen gerne ankommen und mit Bus, Fahrrad oder Carsharing komfortabel ihr Ziel erreichen können.“
VDV-Geschäftsführer Alexander Möller ergänzt: „Dabei müssen Ballungsräume, ländliche Räume und Angebote wie On Demand-Angebote besonders in den Fokus genommen werden. Zusätzlich müssen die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den Neu- und Ausbau sowie für die Modernisierung der Infrastrukturen im ÖPNV erhöht werden.“
„Gefragt ist jetzt ein politischer Gestaltungswille, der nachhaltige Mobilität sowohl mit den Zielen Sicherheit, Gesundheit, Klima und Lebensqualität sowie mit Blick auf die wirtschaftlichen Chancen gezielt fördert. So können Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Carsharing gemeinsam ihre Stärken ausspielen“, sagt Wasilis von Rauch, Sprecher des Bündnisses und Geschäftsführer des Branchenverbands Zukunft Fahrrad.
Zehn Forderungen
Das Bündnis hat zehn Punkte für Mobilität und Wirtschaft aufgestellt und konkrete politische Maßnahmen skizziert. Diese sind:
- Bund und Länder müssen die Regionalisierungsmittel erhöhen und damit die Finanzierungssituation des öffentlichen Nahverkehrs dauerhaft verbessern. Nur mit zusätzlichem Bus- und Bahnangebot in den Städten und auf dem Land bietet man Menschen flächendeckend ein attraktives Mobilitätsangebot und damit die Möglichkeit, ihr Auto stehen zu lassen.
- Um nachhaltige betriebliche Mobilität zu vereinfachen, muss die steuerrechtliche Anwendung von Mobilitätsbudgets vereinfacht werden.
- Insbesondere im ländlichen Raum sind die Bundesländer gemeinsam mit Bund und Kommunen gefordert, ihre Bahnhöfe zu attraktiven Mobilitätsdrehscheiben aufzuwerten, wo die Menschen gerne ankommen und mit Bus, Fahrrad oder Carsharing komfortabel ihr Ziel erreichen können.
- Es braucht gleichwertige Voraussetzungen auf den Straßen für alle Verkehrsmittel. Nur wenn alle Verkehrsteilnehmenden, ob zu Fuß, mit dem Rad oder im ÖPNV sicher und verlässlich unterwegs sein können, gibt es echte Wahlfreiheit und fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsmitteln. 80 Prozent der Alltagswege können mit dem Fahrrad oder E-Bike gemacht werden. Dafür braucht es unter anderem eine Milliarde Euro pro Jahr für attraktive und sichere Fahrradinfrastruktur (Fahrradmilliarde).
- Bund und Länder müssen die Kommunen dabei unterstützen, die Umsetzung von Carsharing- und Mobilitätsstationen im öffentlichen Raum zu beschleunigen.
- Der Aufbau und die Nutzungsbedingungen für Ladeinfrastruktur müssen Sharing-Fahrzeuge berücksichtigen. Der Bund muss hierfür ein Konzept vorlegen.
- Die Verkehrswende braucht eine zukunfts- und leistungsfähige Infrastruktur im öffentlichen Verkehr. Die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes für den Neu- und Ausbau sowie für die Modernisierung der Infrastrukturen im ÖPNV müssen vonseiten des Bundes auf jährlich drei Milliarden Euro ab 2025 erhöht werden.
- Der Ausbau- und Modernisierungspakt aus dem aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel ist die Chance, das Angebot des ÖPNV zu erhalten, auszubauen und zu digitalisieren. Dafür müssen konkrete Finanzierungsbedarfe und eine Definition der künftigen Finanzierungsstruktur zwischen Bund, Ländern und Kommunen erarbeitet werden. Die Branche hat dazu Vorschläge gemacht.
- Staatliche Förderprogramme für die Wirtschaft müssen für zukunftsfähige Technologien, Produkte und Dienstleistungen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft, wie zum Beispiel der Fahrradwirtschaft, geschaffen beziehungsweise ausgebaut werden.
- Deutschland braucht eine Mobilitätsgarantie. Das bedeutet definierte Mindeststandards im ganzen Land und einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilitätsdienstleistungen - so wie es in der Schweiz heute schon Realität ist und in Österreich im Regierungsprogramm steht.
Wirtschaftsfaktor nachhaltige Mobilität
Die Studie konstatiert darüber hinaus, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland stark von den Unternehmen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft profitiert. Jeder Euro, der durch Unternehmen der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft in Deutschland erwirtschaftet wird, erzeugt demnach eine zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von 2,40 Euro. Insgesamt gehen 117,6 Milliarden Euro der in Deutschland erbrachten Wertschöpfung auf die Geschäftstätigkeiten der nachhaltigen Mobilitätswirtschaft zurück. 1,7 Millionen Voll- und Teilzeitbeschäftige profitieren von den direkten und indirekten Beschäftigungseffekten. Dadurch werden Einkommen in Höhe von insgesamt 66,8 Milliarden Euro generiert.