Zum ersten Mal in der Geschichte des Supertests der OMNIBUSREVUE kam ein mit einem Gasmotor angetriebener Bus nach Berlin. Natürlich ausgestattet mit modernster Verbrauchsmesstechnik und ausgeladen auf etwa 70 Prozent des maximal zulässigen Gesamtgewichtes. Warum ausgerechnet ein Gasbus in Zeiten, in denen es zumindest gefühlt nur noch um das Thema Elektrobusse geht? Nun genau darum! Denn bis es tatsächlich so weit ist, bis in den Städten nur noch Elektrobusse verkehren, dürfte es allen Beschwörungen zum Trotz noch ein ganzes Weilchen dauern. Und da ist das Thema „Wer soll das bezahlen?" nur eines von vielen. Ladeinfrastruktur, Um- und Aufrüstung in den Verkehrsbetrieben, Versorgung mit Energie, Gewährleistung einer hohen Fahrzeugverfügbarkeit – all das gehört dazu und eben nicht nur der so wunderbar leise und vordergründig saubere Bus selbst.
Denn auch das ist nach wie vor ein Thema, mit dem die Gesellschaft ehrlich umgehen muss: Wo kommt denn der Strom eigentlich her? Ja, mittlerweile gibt es sie auch, die gut funktionierenden Elektrobusse großer Hersteller – in wenigen Tagen wird beispielsweise Solaris den Preis „Bus of the Year 2017" für seinen Elektrobus erhalten, und zwar zu Recht. Doch bis solche Busse in nennenswerten Stückzahlen zu sehen sein werden, wird es noch dauern. Und solange sind Alternativen gefordert. Dabei geht es übrigens gar nicht so sehr um Hybrid-Busse. Zumindest dann nicht, wenn sie noch auf den Diesel als Zusatz-Antrieb setzen. Der Gasmotor ist längst eine mehr als vernünftige Antwort auf die Frage, wie wir die Metropolen sauberer bekommen.
Den Citaro NGT erkennt man äußerlich bereits auf den ersten Blick. Grund dafür ist die recht groß ausfallende Haube auf dem Dach. Darunter befindet sich die Gasversorgung in Form von sechs Flaschen. Das Fassungsvolumen von insgesamt rund 1.360 Litern soll für eine hohe Reichweite sorgen. In der Praxis soll der Citaro NGT die gleiche Reichweite wie ein Citaro mit Dieselmotor erreichen. Der Test in Berlin hat diese Aussage im Ansatz bestätigen können, wenngleich die Teststrecke natürlich zu kurz für eine genaue Aussage ist. Aus Gründen der Gewichtsverteilung sind die Gasflaschen beim Solobus über der Vorderachse und beim Gelenkbus über der mittleren Achse angeordnet. Die Abdeckung besteht aus dem Kunststoff Polyurethan mit einem innen montierten Aluminiumrahmen. Sie ist über ein Schienensystem auf dem Dach befestigt, verfügt über seitliche Serviceklappen und ist zusätzlich komplett aufschwenkbar. Unter der Abdeckung befinden sich neu entwickelte Gasflaschen. Sie bestehen aus einem Compositmaterial mit Kunststoffkern, einer Ummantelung aus Kohlefasern sowie zusätzlich aus Glasfasern. Diese Werkstoffkombination ist leicht und hochstabil. Gleichzeitig wurde das Tankvolumen der Gasflaschen in der neuen Generation von jeweils 190 auf 227 Liter erhöht. Vorteil: Bei gleichem Gesamtvolumen kann deshalb die Zahl der Behälter reduziert werden. Im Vergleich zum Vorgängermodell kommt der Citaro NGT bei unveränderter Reichweite daher jeweils mit einer Gasflasche weniger aus. Daraus resultiert ein Gewichtsvorteil von 15 bis 45 kg, abhängig von der Zahl der Gasflaschen. Das vor allem durch die Gasflaschen verursachte Mehrgewicht eines Gasbusses wird im Vergleich zum Vorgänger-Citaro reduziert. Es beläuft sich bei einem Solowagen auf nun rund 485 kg.
Neben der neuen Flaschen-Aufdachanlage ist dafür auch der kompaktere Motor verantwortlich. Aufgrund der Gewichtsersparnis steigt die Fahrgastkapazität des Citaro NGT im Vergleich zum Vorgängermodell ein wenig an. In Serienausstattung befördert der Solobus Citaro NGT nun bis zu 96 statt bisher 93 Passagiere. Der Gelenkbus Citaro G NGT nimmt maximal 153 statt bislang 149 Fahrgäste auf. Betankt wird der Bus über einen Anschluss im Motorraum, optional gibt es eine Tankklappe in der Motorraumklappe. Auf Wunsch wechselt der Einfüllstutzen über den Radlauf vorne rechts.

Der Gasmotor ist deutlich leichter geworden
Das Highlight des Citaro NGT ist natürlich sein neuer Gasmotor. Er basiert auf dem Dieselmotor OM 936. Der M 936 G wiegt mit einem Gewicht von 747 kg einschließlich Vorkatalysator rund 230 kg oder knapp 25 Prozent weniger als das Vorgängertriebwerk mit 12,0 l Hubvolumen. Der stehend eingebaute Reihensechszylinder wird als monovalenter Motor mit komprimiertem Erdgas betrieben (CNG = Compressed Natural Gas). Neu entwickelt sind Aufladung, Ladeluftführung, Zündung und Gemischaufbereitung inklusive der wassergekühlten Abgasrückführung. Die Zündung eines Erdgasmotors entspricht einem Benzinmotor. Beim M 936 G finden Zündkerzen mit Stabzündspulen Verwendung. Der Erdgasmotor arbeitet mit einer stöchiometrischen Verbrennung von Lambda = 1 wie ein moderner Benzinmotor. Das bedeutet: Es ist genau die notwendige Luftmenge vorhanden, um den Kraftstoff vollständig zu verbrennen. In diesem Bereich erreicht auch der Katalysator seine maximale Reinigungsleistung. Daraus resultiert beim M 936 G eine saubere Verbrennung bei gleichzeitig hoher Leistung und niedrigen Schadstoffemissionen. So sinken zum Beispiel durch das neue Brennverfahren die NOx-Emissionen im Vergleich zum Vorgänger erheblich. Ein Turbolader mit asymmetrischer Turbinengeometrie und zwei Wastegate-Ventilen sichert ein gutes Ansprechverhalten des Motors und gleichzeitig die Versorgung der gekühlten Abgasrückführung. Aufgrund der praktisch rußfreien Verbrennung entfallen sowohl die vom Dieselmotor gewohnte SCR-Technik mit AdBlue-Einspritzung als auch der Partikelfilter. Die Abgasreinigung übernimmt beim Gasmotor wie bei einem Ottomotor ein Dreiwegekatalysator. Er setzt sich aus einem Vorkatalysator mit zwei Lambdasonden sowie einem Hauptkatalysator zusammen. Der Motor leistet 222 kW, erreicht ein maximales Drehmoment von 1.200 Nm und unterschreitet die Abgasgrenzwerte von Euro 6 zum Teil erheblich. Das im Übrigen dürfte ein wesentlicher Grund für die Fahrzeughersteller sein, solche Antriebe zukünftig im Programm zu haben. Das Spannende an diesem Fahrzeug: Im praktischen Fahrbetrieb ist faktisch kein Unterschied zum Dieselbus zu spüren. Kein Wunder, die Leistungs- und Drehmomentkurven verlaufen im Hauptfahrbereich von Leerlaufdrehzahl bis etwa 1.500 U/min identisch. Oberhalb arbeitet der Erdgasmotor sogar einen leichten Leistungs- und Drehmomentvorteil heraus. Erst bei Drehzahlen über 2.000 U/min ist der Diesel- dem Erdgasmotor überlegen. Was hier alles ein wenig theoretisch klingt, konnte unser Testredakteur im anspruchsvollen Berliner Stadtverkehr auch tatsächlich selbst erleben. Kräftiger Anzug, gutes Mitschwimmen und dabei stets ausreichend Reserven.