Die Neuen fallen auf. Definitiv. Ob es die Front ist, die einem überdimensionalen lächelnden Gesicht ähnelt, oder die gezackte Seitenlinie beim 9900 – Volvo hat seine Reisebusse komplett neu gestaltet. Insgesamt wirken sie nun weniger streng als vorher, mehr Rundungen lassen die Fahrzeuge weicher erscheinen. Das wird nicht jedem gefallen, ist aber dennoch eine mehr als interessante Bereicherung in einem ansonsten recht einheitlich wirkenden Markt. Doch das neue Volvo-Design hat letztlich handfeste Gründe. Es soll nämlich Kraftstoff sparen. Konsequent zieht sich denn auch dieser Spargedanke von der Front über den Spiegel bis zum durchdachten Heck. Optisch sind 9700 und 9900 gut zu unterscheiden: Während der 9700 über eine sich geradlinig erstreckende untere Fensterfront verfügt, ist diese beim höherwertigen Bruder in strenge Auf- und Ablinien unterteilt.
Die aerodynamisch geformte Außenhaut mit ihren glatten Flächen und abgerundeten Kanten soll einen sehr geringen Luftwiderstand ermöglichen. Dazu konnte das Fahrzeug-Gesamtgewicht durch die Verwendung von Leichtbau-Werkstoffen um rund 350 Kilogramm reduziert werden. Das Ergebnis: bis zu vier Prozent weniger Kraftstoffverbrauch. Bei einem Fernreisebus mit einer jährlichen Laufleistung zwischen 100.000 und 300.000 Kilometern lässt sich einiges einsparen. Noch sparsamer wird es, wenn der Bus mit der dynamischen Niveauregulierung und Volvo I-See bestellt wird. Bei I-See handelt es sich um eine Art höhenbasierten Tempomaten, wie ihn Wettbewerber beim Bus und Volvo beim Lkw schon länger im Programm haben. Vor einem Anstieg wird entweder rechtzeig heruntergeschaltet, um am Berg keine Geschwindigkeit zu verlieren, der hohe Gang wird beibehalten, da das System erkennt, dass der Bus die Steigung bei niedrigen Drehzahlen meistern und somit Kraftstoff sparen wird. Oder bei einem leichten Gefälle wird ausgekuppelt – der Bus rollt sparsam in einem vorher definierten Geschwindigkeitsfenster weiter. Bei der allerersten „Kennenlern-Fahrt“ auf dem schwedischen Volvo-Testgelände konnte das System leider nicht erfahren werden, dafür fehlte es einfach an Streckenlänge und entsprechender Topografie. Die OMNIBUSREVUE wird aber nachliefern.
Eine große Rolle spielen bei der neuen Baureihe auch die Sicherheitsthemen. So gibt es nun das neue Fahrerwarnsystem DAS (Driver Alert Support), welches Unfälle durch übermüdete oder unaufmerksame Fahrer verhindern soll. Das System überwacht das Fahrverhalten und die Position des Fahrzeugs in Relation zu Fahrspurbegrenzungen und Straßenrändern. Sobald sich aus dem Fahrstil Hinweise auf eine mögliche Übermüdung oder Unaufmerksamkeit des Fahrers ergeben, warnt ihn das System optisch in Form von Pop-up-Meldungen, die auf der Instrumententafel angezeigt werden, und gleichzeitig ertönt ein akustisches Signal. Weitere Neuerungen sind der verstärkte Unterfahrschutz FIP (Front Impact Protection) im Frontbereich des Busses, der jetzt noch mehr Energie absorbieren kann, sowie ein zusätzliches Sichtfenster im unteren Teil der vorderen Einstiegstür, das dem Fahrer die Erkennung anderer Verkehrsteilnehmer in der unmittelbaren Umgebung des Fahrzeugs erleichtert. Dass ein Auffahrwarner in Verbindung mit einem Notbremsassistenten an Bord ist, soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden; Letzterer ist seit einiger Zeit vorgeschrieben.
Neu gestaltet wurde das Design des Fahrer-Arbeitsplatzes. Das Lenkrad wurde komplett neu gestaltet, die Instrumentierung soll ebenfalls neu sein. Leider aber wirkt ausgerechnet diese nicht wirklich perfekt, eher ein wenig altbacken. Auch hat man als Fahrer nicht so viel Platz, wie man es aus anderen Bussen gewohnt ist. Fahren lässt sich der Bus sehr gut, das automatisierte Schaltgetriebe I-Shift arbeitet schnell, butterweich und versagt auch bei anspruchsvollen Rangieraufgaben nicht. Natürlich ebenfalls an Bord ist die elektronisch unterstützte Lenkung Volvo Dynamic Steering (VDS). Und so funktioniert sie: Die konventionelle hydraulische Servolenkung wird mit einem am Lenkgetriebe montierten Elektromotor kombiniert. Anhand der Eingangssignale verschiedener Sensoren ermittelt das elektronische Steuergerät die Bewegungsrichtung des Fahrzeugs und die Absicht des Fahrers. Nach dem Prinzip der sogenannten Drehmomentüberlagerung wird der Motor 2.000 mal pro Sekunde angesteuert, um unabsichtliche Lenkbewegungen zu korrigieren und bei Bedarf zusätzliche Lenkkraft bereitzustellen. Wer das System zum ersten Mal erlebt, wird möglicherweise irritiert über die enorme Leichtgängigkeit und den steten Drang der Lenkung zur Zurückstellung in die Geradeaus-Position sein, doch nach einer recht kurzen Eingewöhnungszeit will man VDS nicht mehr missen.
Die Fahrgäste erwartet ein überarbeiteter Innenraum. Beim Volvo 9900 wie gehabt mit einem leicht nach hinten ansteigenden Boden. Der 9900 ist im Vergleich zu seinem Vorgängermodell bei der Gesamthöhe um zwölf Zentimeter gewachsen. Dadurch ist bei der neuen Modellgeneration Platz für einen größeren Gepäckraum geschaffen worden. Der Deckenbereich ist im Fahrgastraum im Vergleich zum Vorgängermodell um acht Zentimeter angehoben worden. Beim Flaggschiff 9900 gibt es Klappen vor den oberen Gepäckfächern, das ist eine sichere Sache. Grundsätzlich funktioniert die neue Generation – schon heute freut sich die OMNIBUSREVUE auf eine ausführliche Testfahrt.
(sab)