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Mercedes-Benz Tourismo: Das Goldstück

27.09.2007 15:53 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

Der neue Tourismo ist da. Seit einigen Monaten tauchen auf unseren Straßen immer mehr Fahrzeuge auf, unübersehbar, bemerkenswert. Die Produktion läuft auf Hochtouren, fast schon am Anschlag. Der Bus scheint ein Erfolg zu werden. Gründe dafür gibt es genug. OMNIBUSREVUE hat sich auf Spurensuche gemacht.

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Der neue Tourismo hat ein bedeutendes Erbe anzutreten, denn sein markanter Vorgänger zählt zu den erfolgreichsten Reisebussen überhaupt. Mit rund 1.000 verkauften Einheiten pro Jahr kam dieser auf insgesamt 12.000 Fahrzeuge und war der mit Abstand am meisten verkaufte Hochdecker in Europa. Kann da der Neue mithalten? Optisch jedenfalls kommt der neue Tourismo deutlich graziler und feingliedriger vorgefahren. Er ist, und das erkennt man auf den ersten Blick, ein vollwertiges Familienmitglied, so etwas wie der Bruder des Travego. Die Seitenwände wurden betont glattflächig gestaltet und lassen sich so leicht mit Dekor oder Werbung bekleben. Von der einfachen Reinigung der geklebten Scheiben ganz zu schweigen. Das Fahrzeug soll mehrere Segmente abdecken. Er ist nicht nur Generations-Nachfolger sondern ersetzt zugleich den bisherigen Integro H und den Travego RH. Die neue Tourismo-Baureihe besteht aus vier Reisehochdeckern: dem zweiachsigen Tourismo mit einer Länge von 12,1 m, dem zweiachsigen Tourismo M/2 mit einer Länge von 13 m sowie den beiden Dreiachsern M (13 m) und L (14 m). Im Gegensatz zum alten Modell wird es nur eine Höhe geben, nämlich inklusive der Aufdachklimaanlage 3.620 mm. Durch eine mögliche Linienbusabnahme soll der Tourismo eine Schlüsselrolle im hart umkämpften Segment der Geldverdiener übernehmen. Um bei den Unternehmern punkten zu können, zählen wesentliche Dinge. So die Wirtschaftlichkeit, die Ausfallsicherheit, die Verkehrssicherheit und natürlich die Zukunftssicherheit. In allen Punkten scheinen die EvoBus-Entwickler ihre Hausaufgaben gründlich gemacht zu haben. So profitiert der Bus von den Erfahrungen, die mit dem Travego und den Setra-Bussen gemacht wurden. Das Gerippe des Tourismo ist in Ringspantentechnik ausgeführt, wodurch auch im Falle eines Überschlages die Fahrgastzelle stabil bleiben soll. Das Fahrwerk wurde vom Travego übernommen und besitzt Einzelrad-Aufhängung an Doppelquerlenkern vorn, eine Antriebsachse mit Führung durch Längslenker und einen aufgelösten Dreieckslenker sowie Stabilisatoren an Vorder- und Hinterachse. Bei der Fahrt über die 160 km lange Schlechtwegstrecke machte der Bus eine ausgezeichnete Figur und reagierte stets unauffällig auch bei extremen Fahrsituationen.

Das Goldstück: der Tourismo M

Das Goldstück: der Tourismo M Bildergalerie

Der neue Arbeitsplatz ist geräumiger als beim Vorgänger

Geschaltet wird per manuellem Sechsgang-Getriebe. Das ließ sich beim Test spielerisch bewerkstelligen, solange man nicht versucht, am Joystick zu reißen. Insgesamt wirkt der neue Arbeitsplatz geräumiger als beim Vorgänger, das ist aber auch kein Wunder, schließlich wurde der Vorbau um satte 140 mm verlängert. Nun passt hinter den Fahrersitz sogar noch eine Tasche oder ein Mülleimer. Ablagemöglichkeiten und Staufächer findet der Fahrer reichlich, gut gefällt der Getränkehalter mit tiefer Mulde, der auch auf kurvigen Strecken den Becher Kaffee sicher hält. Nicht so günstig ist die Platzierung des digitalen Fahrtenschreibers. Er wurde unterhalb des Schalthebels recht tief und versteckt verbaut. Was beim herkömmlichen Fahrtenschreiber kein Problem darstellte – außer Bücken, Rein- und Rausnehmen der Scheibe mussten keine Einstellungen vorgenommen werden – ist hier ein kleines Ärgernis, denn das digitale Kontrollgerät verlangt bei Fahrzeugnutzung ständig Eingaben am Gerät, hier wird aber nach Firmenangaben bereits über eine günstigere Platzierung nachgedacht. Keine Kompromisse geht der Tourismo bei der Sicherheit ein und fährt mit Sicherheitsfeatures serienmäßig vor, die andere noch nicht mal gegen Aufpreis im Programm haben. So besitzt der Bus das elektronisch geregelte Bremssystem EBS, den Bremsassistenten BAS, einen Dauerbremslimiter DBL und natürlich das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP. Spurassistent und Abstandsregeltempomaten wird es im Tourismo nicht geben, diese Features sollen dem Travego vorbehalten bleiben. Der Dauerbremslimiter verhindert übrigens, dass der Bus ungewollt schneller als etwa 104 km/h fährt. Egal, ob es bergab geht oder der Gang herausgenommen wurde. In der Praxis funktioniert das auch sehr schön, wenn man den Bus aber länger mit dem DBL gegen die eingestellte Endgeschwindigkeit rollen/bremsen lässt, hat man trotzdem seinen Eintrag auf der Fahrerkarte, den man zwar nicht selbst, der nächste Kontrolleur aber mit Sicherheit feststellen kann. Angetrieben wird der Bus von einem Euro-4-Reihen-Sechszylinder OM 457 mit knapp 12 l Hubraum. Die Leistungspalette reicht von 354 PS über 408 PS bis hin zu 428 PS, über die der Testbus verfügte. In praxisgerechter Ausladung stellte diese Motorisierung auch in sehr hügeligem Gelände ein gesundes Optimum dar. Natürlich verbraucht der Dreiachser auch mehr als ein vergleichbares zweiachsiges Fahrzeug, doch insgesamt vermittelt der Motor einen verbrauchsgünstigen Eindruck. Die Motoren kommen mit Blue-Tec-Dieseltechnologie und nachgeschaltetem SCR-Katalysator nach der EU-Abgasrichtlinie Euro 4 zum Einsatz. Ab Herbst soll es den Tourismo auf Wunsch auch mit Euro-5-Motor geben.

Innenraum ohne Schnickschnack

Die Fahrgäste erwartet ein solider Innenraum ohne jeglichen Schnickschnack. Wer etwas Besonderes wünscht, muss ein anderes Fahrzeug wählen. Die Linie der Entwickler des Tourismo war klar: Wirtschaftlichkeit bis in den letzten Kofferraum. So hat der Bus zwar alles, was ein Reisebus braucht, aber nichts ist übermäßig auffällig oder luxuriös. Beispiel Servicesets. Diese kommen von einem Zulieferer und sind in ähnlichen Varianten auch bei zahlreichen weiteren Herstellern zu finden. Beispiel Sitze. Sie stammen aus eigener Produktion, verfügen über eine Rückenlehnenverstellung, Verstellmöglichkeiten zur Seite und ergonomische Sitzformen. Die Verstellung lässt sich übrigens per Einhebelbedienung bewerkstelligen. Dafür gefallen die nach oben abklappbaren und dann sehr störend wirkenden gangseitigen Armlehnen weniger. Doch das ist eine Kleinigkeit, die verzeihbar ist, denn insgesamt wirkt das Fahrzeug durchdacht und durchweg für einen Dauereinsatz geeignet. Dazu zählt ein umfassender Korrosionsschutz, den die Kathodische Tauchlackierung KTL darstellt, die der Tourismo im türkischen Werk Hosdere, seiner Produktionsstätte, erhält. Dazu zählt weiterhin die Elektronik-Architektur, die auf der Flexibel Programmierten Steuerung FPS basiert, jedoch auf fünf Steuergeräte reduziert wurde, was das System vereinfacht. Zudem werden bewusst zahlreiche Komfort-Systeme wie Küche, Radio/Video, Sonnenrollos, Fensterheber und so weiter mit konventioneller Elektronik wie Sicherungen und Relais gesteuert. Das vereinfacht die Reparatur unterwegs und lässt zudem eine leichtere Nachrüstung von zusätzlichen Komponenten wie beispielsweise eine Anhängerkupplung zu, ohne erst umständlich mit Software hantieren zu müssen. Insgesamt betrachtet, fällt auf, dass sich der Tourismo bewusst von Travego und Setra ComfortClass abgrenzt. Da ist zum einen der interessante Preis, zum andern der Verzicht auf zahlreiche Extras und Ausstattungsdetails.

Fazit

Der neue Tourismo ist ein echter Überraschungs-Testkandidat gewesen. So unscheinbar er scheinbar daherkommt, so gewaltig protzt er mit alltagstauglichen und innovativen Ideen. Dazu kommt ein für einen Dreiachser ausgezeichneter Verbrauchswert, hier hat Mercedes-Benz voll gehalten, was immer versprochen wurde. Zwar hat der Bus auch kleine Schwächen, doch die fallen im Gesamtpaket kaum auf, zumal einige davon behoben werden sollen. Für den Unternehmer dürfte dieses Fahrzeug ein wirtschaftliches Highlight werden, das gilt für den Preis, die Unterhaltskosten und nicht zu vergessen die fast lückenlos vorhandene Sicherheitsausstattung. Die Mitbewerber sollten sich schon mal warm anziehen – der Winter steht vor der Tür.
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