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Aufgewacht: Politik entdeckt die Busbranche

18.06.2020 12:23 Uhr | Lesezeit: 4 min
Aufgewacht: Politik entdeckt die Busbranche
© Foto: Sascha Böhnke

170 Millionen Euro Soforthilfe wurden gestern von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zugesagt. Es ist ein erster zusätzlicher, direkter und wichtiger Schritt, den mittelständischen Busunternehmen wirksam zu helfen.

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Der 17. Juni 2020 wird eingehen in die Geschichte der Bustouristik als der Tag, an dem eine ganze Branche zusammenstand, wie man es zuvor in dieser Entschlossenheit noch nie erleben konnte. Auch wenn offizielle Zahlen fehlen: Es werden gut 1.000 Reisebusse gewesen sein, die sich auf den Weg nach Berlin machten, um dort erneut lautstark zu kämpfen. Nie zuvor in der Geschichte versammelten sich derart viele Busse zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor, wie an diesem Tag. Es sind mächtige Bilder, Bilder die Mut machen, denn es geht um das Überleben. So herrschte von Mitte März bis Mitte Juni im touristischen Bussegment ein faktisches Berufsverbot, welches seit wenigen Tagen zwar aufgehoben wurde, doch sowohl die Folgen des Komplettstillstandes als auch die nach wie vor dramatische Situation im Bereich Klassenfahrten, Incomingverkehre, Messen, Großveranstaltungen oder Kreuzfahrtgeschäft lassen nichts Gutes ahnen. Dazu kommt die nach wie vor durch entsprechend mediale Dauerbeschallung verursachte riesige Verunsicherung großer Teile der Bevölkerung in puncto Covid 19-Ansteckungsgefahr, was sich in Stornierungen oder ausbleibenden Buchungen für touristische Fahrten niederschlägt.

Und so wundert es kaum, dass die Freude der anwesenden Busunternehmer über das zusätzliche Soforthilfeprogramm zwar greifbar war, dennoch aber die Sorgen über eine wirtschaftliche Fortführung ihres Geschäftes überdeutlich in jedem Gespräch zum Ausdruck gebracht wurden. Denn neben ausbleibenden bzw. stark reduzierten Fahrten in diesem Jahr drücken auch die hohen Vorhaltekosten auf die Stimmung. Dessen ist sich auch Andreas Scheuer bewusst, der in seiner kurzen Ansprache auf dem offenen Oberdeck eines zur Bühne umfunktionierten Sightseeingbusses erklärte: "Heute Morgen haben wir noch einmal intensiv dafür gekämpft, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Vizekanzler Olaf Scholz, dem Finanzminister, dass wir für Sie eine spezielle Lösung zusätzlich bekommen. Und es ist vor allem für die Branche, die in den letzten Jahren ganz intensiv in neue Busse investieren musste oder aus Überzeugung investiert hat. Und in den letzten Wochen hat Ihr Werkzeug, der Bus, stillgestanden und ist nicht gerollt und Sie haben viele Busse abgemeldet, stillgelegt, für eine gewisse Zeit. Aber die Kosten aus den Neuanschaffungen der letzten Jahre sind weitergelaufen. Und deswegen geht es nicht nur um das Abgelten der Zinsbelastung sondern wirklich der Vorhaltekosten. Deswegen sind wir einer Berechnung gefolgt, die aus dem Verband kommt, sehr transparent aufgeschlüsselt und wir sind zu einer Gesamtsumme von rund 170 Millionen Euro gekommen seit März, um bei den Vorhaltekosten der Unternehmen Hilfestellung zu geben, Sie zu vergüten und zu sagen, das ist unser Notpaket für die Busunternehmen."

Diese 170 Millionen Euro werden nun nachträglich in den Haushalt eingebracht, damit direkt nach der Verabschiedung des Haushaltes im Juli direkt darauf zugegriffen werden kann. Dennoch stellt das Geld nur einen Teil der benötigten Hilfen dar. Realistische Prognosen sehen eine Zeitspanne von bis zu drei Jahren, die der touristische Wiederanlauf benötigen kann. Und so fordert unter anderem RDA-Präsident Benedict Esser, die Bezugsdauer und Höchstgrenzen der Überbrückungshilfen im parlamentarischen Prozess so auszugestalten, dass die Struktur der 3.441 Betriebe gerade im ländlichen Raum erhalten werden kann. "Die Höchstgrenzen für die kleinen Betriebe, 9.000 und 15.000 Euro, das dürfen wir auch nicht vergessen, die müssen weg, weil mit 9.000 Euro auf drei Monate kommt man mit ein oder zwei Bussen nicht weit. Das sind 3.000 Euro im Monat, das macht einmal "Zisch" und dann ist es weg." Insbesondere die Zugänglichkeit der Mittel für verbundene Unternehmen ist von größter Bedeutung. Zusätzlich müssen auch kleinere Unternehmen bis 10 Mitarbeiter KfW-Schnellkredite mit einer 100%igen Haftungsfreistellung beantragen können.

Wie dramatisch die Situation für viele Busunternehmer längst ist, zeigte auch der Umstand, dass zahlreiche Betriebe schlicht nicht mehr das Geld für eine Tankfüllung aufbringen konnten, um nach Berlin zu fahren. Dennoch war der Zusammenhalt jener, die vor Ort mit ihren Bussen demonstrierten, gewaltig und eben auch als Signal zu verstehen, für die gesamte Branche zu kämpfen. Bereits am Vortag gab es aus Bayern ein wichtiges Signal, die Ausgestaltung der Hygieneregelungen für Reisebusse betreffend, nun kann auch dort analog zu Bahn und Flugzeug jeder Platz besetzt werden bei Einhaltung einer Maskenpflicht. Bisher herrschte nach wie vor auf Länderebene ein Flickenteppich, von bundesweit einheitlichen Regelungen keine Spur. Doch der bdo verkündete heute: "Ebenfalls ist es gestern dem bdo und seinen Landesverbänden gelungen, endlich einheitliche Hygienestandards für die touristische Busreise zu erhalten. Dem anliegenden Beschluss der gestrigen Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder lässt sich entnehmen, dass sich die Bundesländer darauf geeinigt haben, dass in Reisebussen dieselben Schutzvorschriften wie im öffentlichen Personenverkehr gelten sollen. Damit gilt die Pflicht zur Bedeckung von Mund und Nase in Reisebussen. Ein Mindestabstand von 1.50 ist nicht länger mit dem Verkauf von Sitzplätzen verknüpft und der Weg für die Wiederaufnahme unserer Busreisen ist nun auch wirtschaftlich wieder sinnvoll gesetzlich geöffnet worden."

Fazit: Diese zusätzliche Soforthilfe ist ein starkes Zeichen. Dabei dürfen jedoch die weiteren dringlichen Themen nicht außer Acht gelassen werden. Die bundeseinheitlichen Hygienestandards kommen genau zur richtigen Zeit. Es bleibt nun aber auch zu hoffen, dass die Fahrgäste auch mit Mund-Nase-Schutz Lust auf Reisen haben und vor allem den Reisebus als sicheres Verkehrsmittel gerade in diesen Zeiten begreifen. Ob die Unternehmen kurz- und mittelfristig ausreichend Gelder erwirtschaften, um die teilweise aufgenommenen Hilfskredite zurückzahlen zu können, lässt sich derzeit noch nicht seriös beantworten. Damit das aber überhaupt möglich sein wird, ist ein vollumfängliches Wiederhochfahren aller wirtschaftlichen Bereiche deutschland- vor allem aber auch weltweit eine unbedingte Voraussetzung.

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KOMMENTARE


Armin Goldbach

18.06.2020 - 18:40 Uhr

Eine gute Hilfestellung für den Wiederbeginn der Reisebusunternehmen.Ein grosser Teil unserer Klientel zählt zur Risikogruppe und bucht deshalb nur ca mit der Hälfte der ursprünglichen Anzahl. Alle Reisen müssen nun neu aufgestellt und kalkuliert werden,somit doppelte Arbeit in der Vorbereitung.Nur wenn Gruppen die bis Ende Juli storniert haben ihre Reise vielleicht doch noch in 2020 in veränderter Form?durchführen,gibt es eine kleine Chance das Winterloch zu überstehen.Die Absagen diverser Grossveranstaltungen tragen zur weiteren Unsicherheit bei.Diese erste Hilfe kann nur als Anfang verstanden sein.


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