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Baden-Württemberg: ÖPNV-Finanzierung mit Bürgerbeteiligung

29.01.2024 14:36 Uhr | Lesezeit: 4 min
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Kommunen könnten mit Mobilitätspass viele Millionen Euro erzielen und damit das ÖPNV-Angebot ausbauen, etwa in Karlsruhe (im Bild)
© Foto: VBK/Bruno Kelzer

21 Modellkommunen haben mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg Grundlagen für den Mobilitätspass erarbeitet. Ergebnisse der Berechnungen wurden jetzt in Stuttgart vorgestellt, und es geht zusammen mit drei Vorreiterkommunen in weitere Untersuchungen. Es gibt aber auch kritische Stimmen.

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Berechnungen des Verkehrsministeriums zufolge könnten die Städte und Landkreise in Baden-Württemberg mit der Einführung eines sogenannten Mobilitätspasses viele Millionen Euro für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erzielen. Je nach Modell und Größe der Kommune seien jährliche Einnahmen von bis zu knapp 90 Millionen Euro möglich, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Stuttgart. Mithilfe des Mobilitätspasses will das Land den Kommunen die Möglichkeit geben, mit einer Nahverkehrsabgabe den Ausbau des ÖPNV zu finanzieren. Im Gegenzug für die Abgabe müssen die Bürger ein Guthaben für die Nutzung des ÖPNV vor Ort erhalten. Das könnten sie für den Kauf von Zeitkarten einlösen.

Drei von vier Bürgern würden den ÖPNV-Ausbau unterstützen

Im Entwurf des Mobilitätsgesetzes sieht das Land vier verschiedene Varianten vor: So könnten entweder alle Einwohner zur Kasse gebeten werden oder alle Autobesitzer. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Abgabe für die Arbeitgeber, die einer bestimmten Mitarbeiterzahl pro Kopf einen bestimmten Betrag bezahlen müssten. Die vierte Variante wäre eine Citymaut - diese könnte aber nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen erhoben werden. Im europäischen Ausland leisten ähnliche Drittnutzerfinanzierungsinstrumente bereits seit vielen Jahren einen Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV, wie beispielsweise die Arbeitgeberabgabe in Frankreich (versement mobilité) und die Dienstgeberabgabe in Wien oder die Straßennutzungsgebühr in über 15 europäischen Städten. Laut einer neuen forsa-Umfrage sind auch 75 Prozent der Bürger in Deutschland bereit, den Ausbau des ÖPNV selbst finanziell zu unterstützen, sofern der Betrag für ein Abo des Nahverkehrs anrechenbar wäre. 

Vorreiterkommunen: Freiburg, Karlsruhe und Ortenaukreis

Das Verkehrsministerium hatte die Potenziale des Mobilitätspasses für 21 Modellkommunen berechnet. Vertreter dieser Kommunen zeigten sich offen für die Einführung. Die Stadt Freiburg, die Stadt Karlsruhe und der Ortenaukreis denken den Mobilitätspass seit Oktober 2023 weiter. Man sehe damit eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit, sagte Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Die Finanzierung des ÖPNV sei eine "irrsinnige Belastung" für den städtischen Haushalt, man sei dringend auf andere Finanzierungen angewiesen. Die Kommunen sehen aber auch Probleme. So gebe es noch viele offene Fragen, wie eine Citymaut oder auch eine Arbeitgeberabgabe konkret umgesetzt werden könnte.

Karlsruhe: zusätzliche Investitionen von Bund und Land

„Der Mobilitätspass kann vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage bei Bund, Land und Kommunen ein wichtiger, zusätzlicher Finanzierungsbaustein sein. Er darf aber auch nicht der einzige bleiben. Um die klimaneutrale Verkehrswende voranzutreiben und den ÖPNV nachhaltig zu stärken, bedarf es einer zusätzlichen Investitionsoffensive von Bund und Land“, so Mentrup. Bei einer Beitragshöhe von monatlich zehn Euro je Mitarbeitenden könnten in Karlsruhe mit dem Beitrag für Arbeitgeber Einnahmen in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro Gesamt-Netto-Erlös erzielt werden. Mit einem Beitrag für Kfz-Halter wären es elf Millionen Euro pro Jahr. 

Ortenaukreis: besseres Angebot auf dem Land

Der Ortenaukreis will das ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum vor allem am Abend und am Wochenende attraktiver machen. Landrat Frank Scherer erklärte: „Ein Mobilitätspass kann hier dann ein probates Mittel sein, wenn für die Bevölkerung ein deutlicher Mehrwert in Form eines optimierten ÖPNV-Angebots spürbar wird.” Den Hochrechnungen zufolge könnten bei einem Beitrag von zehn Euro pro Monat bei einer einwohnerbezogenen Ausgestaltung kommunale Mehreinnahmen in Höhe von bis zu 28 Millionen Euro pro Jahr realisiert werden. Ein Beitrag für Kfz-Halter würde bei gleicher Abgabenhöhe ein Potenzial von 15 Millionen Euro jährlich generieren. 

Freiburg: 40 Prozent weniger CO2 bis 2030

Bis 2030 möchte Freiburg die CO2-Emisssionen mit Vergleich zu 2010 um 40 Prozent senken. Der Anteil des ÖPNV am Modal Split soll so bis zum Jahr 2030 von rund 16 Prozent auf rund 20 Prozent gesteigert werden. Schon mit einem Beitrag für Arbeitgeber von monatlich zum Beispiel zehn Euro je Mitarbeitendem könnten in einer Großstadt wie Freiburg theoretisch ÖPNV Maßnahmen von bis zu 18 Millionen Euro pro Jahr ermöglicht werden. Kosten für Technik und Verwaltung sind dabei laut Landesgutachten schon abgezogen. Andererseits wies Oberbürgermeister Horn daraufhin, dass zuerst ausgereifte und verlässliche Finanzierungskonzepte von Bund, Land und Kommunen entwickelt werden müssten.

Kritische Stimmen von DGB, FDB und Unternehmerverband

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist die Einführung des Mobilitätspasses eine Notlösung, Bund und Länder wollten nicht genügend Geld in den ÖPNV stecken. "Der ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge. Der klimafreundliche Ausbau von Bus und Bahn muss aus Steuermitteln finanziert werden", sagte Maren Diebel-Ebers, stellvertretende DGB-Vorsitzende in Baden-Württemberg. Wenn die Abgabe komme, dann sei die arbeitgeberfinanzierte Variante die gerechteste.

Das sieht die FDP komplett anders. Die Arbeitgeberabgabe sehe er äußerst kritisch, sagte Hans Dieter Scheerer, ÖPNV-Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag. "Dieser zusätzliche Kostenblock schwächt die Wettbewerbsfähigkeit." Auch der Verband Unternehmer Baden-Württemberg sieht die Arbeitgeberabgabe kritisch. "Schließlich finanzieren die Betriebe über die Gewerbesteuer bereits einen Teil der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs in den Kommunen", teilte der Verband mit.

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