Das beliebte Deutschlandticket für Millionen Fahrgäste könnte schon bald wieder Geschichte sein. Im Streit und die künftige Finanzierung erhöhen die Länder den Druck auf den Bund. Seit 1. Mai kann man mit dem D-Ticket in Bussen und Bahnen im bundesweiten Nahverkehr für 49 Euro im Monat fahren – mit einem digital buchbaren, monatlich kündbaren Abonnement. Bund und Länder schießen nach einer grundsätzlichen Verabredung bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu. Im ersten Jahr sollen mögliche Mehrkosten zur Hälfte geteilt werden - diese "Nachschusspflicht" aber ist von 2024 an offen.
Länder würden sich hälftig beteiligen
Der Vorsitzende der Länder-Verkehrsminister, Oliver Krischer aus Nordrhein-Westfalen, sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) von einer schwierigen finanziellen Lage. Die Nachschusspflicht sei nötig, weil die Nahverkehrsunternehmen eine Kalkulationsbasis bräuchten. "Wir als Länder sind bereit, Mehrkosten hälftig zu zahlen. Vom Bund kommt aber kein klares Signal, sondern im Gegenteil eine Verhärtung", sagte der Grünen-Politiker. Er entnehme Äußerungen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dass es keinen einzigen Euro mehr geben solle. Das NRW-Ministerium halte die Prognose des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro 2024 für realistisch. Die Lösung müsse sein, dass sich Bund und Länder weiterhin hälftig die Mehrkosten teilen.
Bund konzentriert sich auf Bahn-Sanierung
Ein Entgegenkommen deutete sich indes vorerst nicht an. "Nachdem der Bund den Ländern die Regionalisierungsmittel erhöht und mit dem Deutschlandticket einfachere Strukturen im ÖPNV durchgesetzt hat, wird er sich nun auf seine Kernaufgabe konzentrieren und die Sanierung und Modernisierung der Bahn angehen", hieß es am Sonntag aus Wissings Ministerium. Mit den Regionalisierungsmitteln bestellen Länder und Verbünde Leistungen bei Verkehrsunternehmen. Generell müssten Fragen zur Finanzierung des Deutschlandtickets mit den Ministerpräsidenten geklärt werden, erklärte das Ministerium. Hier gebe es einen klaren Beschluss, der die Finanzfragen bis 2025 regele.
Krischer sieht drei Szenarien
NRW-Minister Krischer skizzierte drei Szenarien, falls der Bund bei einer "Blockadehaltung" bliebe. "Die eine Möglichkeit ist, man erhöht den Preis. Es steht ja schon eine Zahl im Raum, und zwar 59 Euro. Ich hielte das aber politisch für fatal, wenn man weniger als ein Jahr nach der Einführung so eine Erhöhung hätte." Dann würden auch Leute wieder aussteigen und die Einnahmen am Ende nicht viel höher sein. "Das heißt eine Preiserhöhung ist keine Lösung", sagte Krischer.
Finanzierungsfrage bleibt offen
"Die zweite Lösung ist, die Länder sagen, wir übernehmen die Mehrkosten alleine. Da sehe ich aber keine politische Akzeptanz unter den Ländern", so der Grünen-Politiker. "Die dritte Möglichkeit wäre, das Angebot zu verringern, um Kosten zu sparen. Das widerspricht aber so ziemlich jedem verkehrspolitischen Programm." Auch die Idee Wissings, bei Vertriebskosten im ÖPNV zu sparen und die Zahl der Verkehrsverbünde zu verringern, könne die Finanzierungsprobleme im öffentlichen Verkehr und beim D-Ticket nicht ansatzweise lösen.
Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz anberaumt
Am 28. September gibt es eine digitale Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern, wie Krischer sagte. Dort gehe es darum, eine gemeinsame Haltung der Länder abzustimmen und mit dem Bund über die Lage zu sprechen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sei natürlich auch eingeladen. "Eine Zu- oder Absage liegt uns aber bisher nicht vor", sagte Krischer. Aus dem Berliner Ministerium hieß es am 24. September auf Anfrage, der Sondertermin sei mit dem Bund nicht abgesprochen, und man habe bisher keine Einladung wahrgenommen. Sollte sie eingehen, prüfe man selbstverständlich eine Teilnahme.