„Weniger wichtig als zunächst angenommen sind demnach Komforteigenschaften, die sich in alternativen Verkehrsmitteln wie dem Auto oder dem Fahrrad bieten wie beispielsweise Privatsphäre oder keine Ansteckungsgefahr“, sagte Paul Papendieck, Mitglied des Forscherteams um die Verkehrspsychologin Angela Francke, die eine Professur für Radverkehr und Nahmobilität an der Uni Kassel innehat. Das 9-Euro-Ticket habe für viele Nutzer eine große Erleichterung dargestellt.
„Es war klar geregelt, wo das Ticket gültig ist, wann es genutzt werden darf und wen ich darauf mitnehmen darf“, so Papendieck gegenüber der dpa. Nicht nur der Preis sei ausschlaggebend gewesen, sondern auch die einfache Nutzbarkeit. Erfragt wurde zum einen das subjektive Empfinden einer ÖPNV-Fahrt, inklusive Komfort, Entspannung und Privatsphäre. Zum anderen standen Funktionalität und praktische Nutzbarkeit des ÖPNV in Bezug auf Flexibilität, Zeitersparnis und Kosten im Fokus. Zwar zeigten die Ergebnisse, dass regelmäßige Nutzer im Vergleich zu gelegentlichen Nutzern eine positivere Einstellung zum ÖPNV hätten, erläuterte Papendieck. „Daraus lässt sich aber nicht der Kausalzusammenhang schließen, dass je besser die Einstellung, desto häufiger die Nutzung.“
Da unklar sei, ob die positive Einstellung oder die häufige Nutzung zuerst da gewesen sind, seien keine entsprechenden Rückschlüsse möglich. Zwar sei der Anlass der Untersuchung das 9-Euro-Ticket gewesen, die Fragen seien aber nicht konkret auf das kurzzeitige Angebot bezogen gewesen. Daher könnten auch grundsätzliche Erkenntnisse abgeleitet werden, sagte Papendieck.
Die Empfehlung der Wissenschaftler lautet, Flexibilität, Zeitersparnis und kostengünstige Angebote stärker zu betonen. „Es ist für die Nutzer offenbar nicht so wichtig, in Hightech-Bahnen zu sitzen, sondern ein Angebot in der Fläche zu haben, das sie günstig und flexibel ans Ziel bringt.“ Eine Nachfolgeumfrage soll nun Erkenntnisse zum Deutschlandticket liefern. Das Angebot stellt den Forschenden zufolge eine neue Option dar, die vor allem auf die einfache und flexible Nutzung des ÖPNV abzielt. Die Preisgestaltung von 49 Euro pro Monat werfe aber die Frage auf, ob das Deutschlandticket ebenfalls als preislich attraktive Alternative zu anderen Verkehrsmitteln wahrgenommen wird. Dafür planen die Forscher bis Ende Oktober, eine bundesweite Untersuchung zu realisieren.
(dpa)