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Was für Möglichkeiten

05.10.2015 15:33 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

Setra hat die ComfortClass gestaucht: 20 Zentimeter niedriger ist der S 515 MD. Das bringt Vorteile beim Verbrauch und Nachteile beim Kofferraumvolumen. Taugt der Bus dennoch für Fahrten in die Ferne? OMNIBUSREVUE hat den Test gemacht.

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"Liebling, ich habe den Bus geschrumpft". Was im Original aus der Feder eines Hollywood-Drehbuchautors stammt, ist im vorliegenden Fall eher die schlaue Idee findiger Busentwickler. Denn der Setra MD ist im Grunde eine vollwertige ComfortClass, wenn da nicht …

Was für ein Verbrauch! 23,61 Liter im Durchschnitt auf der 600 Kilometer langen Superteststrecke der OMNIBUSREVUE. Das ist für einen ausgeladenen 12-Meter Bus ein phänomenal geringer Wert. Sieht man sich dazu die einzelnen Etappen an, wird klar, der geringe Kraftstoffverbrauch wird unter sämtlichen Bedingungen erreicht. So ist der S 515 MD in der Stadt genauso ein Sparfuchs wie auf der schweren Landstraße und erst recht auf den Autobahnen, wo Durchschnittsverbräuche zwischen 17 und 19 Litern die Normalität sind. (Siehe Testtabelle auf Seite 25). Dabei war der Bus auf 17,6 Tonnen ausgeladen und wie sich anhand der Durchschnittsgeschwindigkeiten belegen lässt, auch im üblichen ­Geschwindigkeitsbereich unterwegs.

Zwei wesentliche Aspekte dürften für den niedrigen Durchschnittsverbrauch verantwortlich sein. Da wäre auf der einen Seite die gerin­gere Fahrzeughöhe. 20 Zentimeter niedriger ist der MD im Vergleich zum HD. Und die ComfortClass HD ist ja bekanntermaßen aerodynamisch fortschrittlich unterwegs: Es gibt eine strömungsoptimierte Abrisskante am Heck, die Seitenbereiche wurden windschlüpfriger konstruiert, das gilt ebenso für die Scheibenwischer und die Türverkleidungen. Außerdem senkt sich die ComfortClass ab Tempo 95 um einige Zentimeter ab. Nur noch mal zur Klarstellung: All das hat auch die MD-Baureihe. Somit handelt es sich im übertragenen Sinne nicht mehr um eine rollende Schrankwand, sondern eher um eine Kommode. Wer also viel auf langen, schnell zu fahrenden Strecken unterwegs ist, für den könnte sich das sogenannte Mitteldeckerkonzept rechnen. Zumindest, wenn man mit einem Kofferraumvolumen von 7,3 Kubikmetern auskommt (mit normalem WC müssen noch einmal 1,2 Kubikmeter abgezogen werden). Denn hier ist das Geheimnis, wo an der Höhe gespart wurde. Von außen gibt es übrigens zwei markante Merkmale, an denen man einen Mitteldecker erkennt. Nämlich die im Heck gerade verlaufende Seitenlinie und die fehlenden kleinen Staufächer über den ­Rädern. Die Fahrer wird das sicherlich ein ­wenig ärgern, denn nichts ist so wichtig wie jede Menge Stauraum – nicht nur für Koffer. Auf der anderen Seite ist klar, dass man nicht alles haben kann.

Dafür aber bleibt der Fahrgastraum unangetastet. Die Stehhöhe im Mittelgang beträgt beachtliche 2.100 Millimeter. Da muss man sich bei Mitteldeckern des Wettbewerbs schon eher bücken. In der Basisausführung sind die Servicesets eher einfach gehalten, gegen Aufpreis gibt es dann auch die aus der HD-Reihe bekannten Bauteile. Dennoch bietet auch die Grundversion bereits die bekannten Gepäckablagen mit den seitlich nach oben gezogenen Luftkanälen.

Gesessen wird im Testbus auf 48 Setra-Route-Sitzen, bei diesen sind die Kopfteile in Leder gehalten, die gangseitigen Armlehnen sind schwenkbar ausgeführt, das gilt auch für die Verstellung der Rückenlehne. Im Heck befindet sich das Bord-WC. Der Grund dafür ist die optional erhältliche Heck- statt Mitteltür. Das WC ist typisch für eine ebenerdige Toilette groß geschnitten. Direkt daran seitlich ­anschließend befindet sich eine kleine Steh­küche. Die Idee dahinter ist grundsätzlich gut, denn dadurch lassen sich im 515 MD mit seinen knapp über zwölf Metern Länge immer noch 48 Fahrgastsitze in Drei-Sterne-Klassi­fizierung unterbringen. Ob allerdings die ­Fahrgäste, die tatsächlich unmittelbar neben Boiler, Würstchenkocher und Kaffeemaschine sitzen, davon auch so begeistert sind, darf bezweifelt werden. Es sei denn, der Fahrer spendiert Freimahlzeiten. Aber – und das ist auch kein Geheimnis: Wie war das doch gleich mit der eierlegenden Wollmilchsau? Genau, die gibt es nicht. Was es jedoch bei der MD-Reihe gibt, ist eine stattliche Zahl von Bestuhlungsvarianten. So gibt es den 515 MD in Fünf-­Sterne-Ausführung immer noch mit 40 Sitzen, beim S 516 MD erhöht sich diese Zahl auf 44. Auch kann der Mitteldecker mit einem ebenen Boden ausgestattet werden! Dann wäre Raum für eine 2+1-Bestuhlung. Wie wär’s mal mit einer Businessclass auf MD-Basis?

Spannend ist übrigens das Thema Kofferraumvolumen in Verbindung mit den unterschiedlichen Türkonzepten. So kommt der S 515 MD mit ­Mitteltür und WC auf ein Volumen von 6,1 Kubikmetern, wird eine Hecktür verbaut, ­beträgt das Kofferraumvolumen inklusive Heck-WC beachtliche acht Kubikmeter (beim S 516 MD sind es 9,7).


Setra 515 MD

Setra 515 MD Bildergalerie

Setra 515 MD
© Foto: Daimler

Der niedrige Schwerpunkt kommt dem Fahrverhalten zugute

Den Fahrer erwartet ein funktio­naler Arbeitsplatz. Zum ersten Mal hatte der Testredakteur der OMNIBUSREVUE die Gelegenheit, das Basiscockpit in der Praxis zu erleben. Rund um das einfarbige Cockpit sind die Schalter in den Setra-gewohnten Schaltergruppen angeordnet. Das erleichtert bei der täg­lichen Arbeit das schnelle Auffinden von nicht so häufig benutzten Schaltern. Auch hier gibt es das Multifunktionslenkrad mit der „Cards- und Stacks-Bedienung“, also dem Menü, durch welches mithilfe der Lenkradtasten geblättert werden kann. Natürlich ist das gesamte Basiscockpit von der Anmutung wesentlich ein­facher gehalten als das der HD-Reihe. Das merkt man dann auch, wenn man vertraute Elemente plötzlich nicht mehr findet, weil sie an neue Orte gewandert sind. So sitzt jetzt die mittlerweile doch recht betagt wirkende ­Audioanlage „Bosch Classic Line“ so weit ­unten rechts, dass es der Testfahrer kaum glauben konnte. Dafür aber sind die Sichtverhältnisse in den Außenspiegeln Spitze. Einen kleinen Kühlschrank in der Front gibt es auch und hinter dem Grifflauf des Einstiegs eine kleine Ablageschale. Wer seinen MD aber lieber mit dem Standardcockpit der ComfortClass HD möchte, der kann das natürlich auch ­bekommen. Dafür sind aber andere, wichtige Details auch beim MD Serie. So ist eine getrennte Klimatisierung für Fahrer und Fahrgäste ebenso inklusive wie das passive Sicherheitselement Front Collision Guard (FCG). Auch an Bord sind die Reifendruckkontrolle, ESP und der Brems­assistent BAS ebenso wie eine Brandmeldeanlage für den Motorraum. Einen Abstands­regeltempomat hatte der Testbus allerdings nicht verbaut. Dass der Unterbau niedriger ist, spürt man übrigens auch im dynamischen ­Betrieb. Die Pylonengasse sowie die Kreisbahn absolvierte das Fahrzeug ohne zu murren. Der niedrige Schwerpunkt in Verbindung mit den verbauten Achsen macht sich bemerkbar. Auch ist die ESP-Abstimmung eine gelungene Sache. Am Anfang greift das System sanft in die Motorsteuerung ein, und erst, wenn das nicht mehr reicht, erfolgt ein gezielter Bremsen­eingriff. Das Ganze geschieht ohne nennenswerte Bremsruckler. Setra und Mercedes-Benz haben das ESP-Thema allerdings schon länger gut gelöst. Spannend bei solch einem Fahrzeug ist natürlich die Frage nach der Motorisierung und der gewählten Getriebe-/Schaltungsart. Serienmäßig gibt es beide Einstiegsmodelle der ComfortClass 500 mit dem OM 936. Das ist ein mittelgroßer 7,7-Liter-Motor, der 260 kW (354 PS) leistet. Geschaltet wird dann manuell per GO 190. Diesen Motor besaß auch der Testwagen, als aufpreispflichtiges Extra jedoch das automa­tisierte Schaltgetriebe GO 250-8, auch Power­Shift genannt. 1.400 Nm beträgt das Motor-Drehmoment, das ist für einen ausgeladenen Mitteldecker nicht viel. Entsprechend fuhr der Bus überdurchschnittlich oft in höheren Drehzahlbereichen, was auch für Tempo 100 galt. Aber wie weiter vorn schon geschrieben: Dem geringen Verbrauch ist das nicht abträglich. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass der S 515 MD im Bereich der schweren, bergigen Landstraßenetappe ordentlich zu kämpfen hatte, kein Vergleich zu Bussen, die mit 1.900 oder 2.100 Nm ausgestattet sind. Bei einer solchen Motorisierung sollte der spätere Einsatzzweck und -ort schon ­genau bekannt sein. Doch es gibt Alternativen: Den großen OM 470 in den Leistungsklassen 265 kW (360 PS) und 290 kW (394 PS). Es wäre spannend zu testen, wie sich diese Kraftstrangkombination in Sachen Verbrauch auf der identischen Teststrecke schlägt. Eine blendende Figur macht der S 515 MD bei Dunkelheit. Sowohl Abblend- als auch Fernlicht tauchen auch die dunkelste Straße in ­einen hellen Schein, die Innenbeleuchtung überzeugt durch ihre schlichte Funktionalität und die Einstiegsbeleuchtung ist schlicht, aber pfiffig gelöst: LED-Spots in entsprechenden Servicesets beleuchten die Treppe sowie den Bereich vor der Tür wirkungsvoll aus. Alles in allem konnte der Setra S 515 MD überzeugen. Etwas ungewohnt war die schwache Motorisierung und der hohe Drehzahlbereich, in dem das Fahrzeug häufig unterwegs war. Dem Verbrauch scheint das aber in Verbindung mit dem kleinen Motor förderlich zu sein. Das Gepäckraumvolumen geht in Ordnung, wer ein solches Fahrzeug kauft, weiß, was er benötigt. Zudem sind die wichtigsten Ausstattungsmerkmale der ComfortClass ­ohnehin an Bord, insbesondere bei der Sicherheit lässt sich der Hersteller auf keinerlei ­Kompromisse ein. Insgesamt wirkt der MD eigentlich gar nicht wie ein „Einstiegsmodell“. Denn wer auf einige Details verzichten kann, wird sich mit diesem mehr als spannenden Bus schnell anfreunden. Und für alle anderen gibt es ja noch die größeren Geschwister. (sab)
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