Elektroreisebusse werden kommen – oder vielmehr: Sie sind schon längst da. Zehn verschiedene Modelle wurden auf der diesjährigen Busworld in Brüssel präsentiert – nur einer davon aus Europa: der MAN Lion’s Coach E, wie Heinz Kiess, , Head of Produkt Marketing Bus bei MAN, auf der RDA-Jahrestagung vergangene Woche in Budweis berichtete. Er sieht trotz der Herausforderungen, die mit der Transformation einhergehen, auch eine historische Chance für die Bustouristik, sich neu zu positionieren und neue Kundenkreise für sich zu gewinnen.
Mit einer Reichweite von 650 Kilometern wird der Lion’s Coach E durchaus auch auf der Langstrecke einsetzbar sein. Doch dann muss er geladen werden.- und genau das ist das Problem: Die passende Ladeinfrastruktur fehlt noch – insbesondere dort, wo Busgruppen typischerweise pausieren oder übernachten.
Genau hier soll eine Innovation ansetzen, die auf der Tagung Premiere feierte: der KI-basierte Bus Power Monitor (BPM), der den Bedarf an Ladeinfrastruktur in einer Europa-Karte anzeigt. Busunternehmen - explizit auch solche, die nicht Mitglied im RDA sind, sind nun gefragt, dazu beizutragen, der Politik und zukünftigen Investoren den zielgerichteten Bedarf an Ladepunkten aufzuzeigen. Dafür müssen sie lediglich ihren Reisekatalog als PDF auf www.buspowermonitor.eu in das System hochladen: Das KI-basierte Tool macht den Rest und analysiert die Kataloge nach Destinationen und Reisezeiten und zeigt auf einer Europakarte, wo Ladepunkte dringend benötigt werden. Ziel ist es, Investitionen gezielt zu lenken – und Fehlplanungen zu vermeiden. Zum Auftakt in Budweis enthielt die neue Plattform bereits über 100.000 Ladepunkte, wie Alexander Mirschel von Realizing Progress bei der Vorstellung berichtete. Der mittlerweile branchenbekannte, auf KI-spezialisierte Tourismus-Berater hat die Plattform gemeinsam mit dem Programmierer Samuel Stockhausen für den RDA umgesetzt.
Impressionen der RDA-Jahrestagung in Südböhmen
Overtourism: der Bus als Teil der Lösung
Auch das Thema Overtourism wurde differenziert beleuchtet. Prof. Dr. Jürgen Schmude, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft und Leiter des Bayrischen Zentrums für Tourismus, machte deutlich, dass es „den Overtourism“ nicht gibt – sondern dass jede Destination individuell betrachtet werden muss. Die Branche solle das Thema proaktiv angehen, so seine Empfehlung. Der Bus soll die Lösung sein - durch gezielte Lenkung der Besucherströme und saisonale Entzerrung - und nicht als Problem dargestellt werden.
Ein Beispiel für gelungenes Besucher-Management präsentierte die Stadt Krumau in Südböhmen: Mit einem neuen Bus-Stopp für den Ein- und Ausstieg in zentraler Lage und buchbaren Busparkplätzen etwas außerhalb des historischen Zentrums konnte die Verkehrsbelastung deutlich reduziert werden - ohne Reisebusse auszusperren.
Neuer Vorstand gewählt
Die Jahrestagung des RDA wurde auch genutzt, um auf der 73. Mitgliederversammlung am 21. Oktober, wie alle drei Jahre, den Vorstand neu zu wählen. Nach über 22 Jahren im Vorstand, davon zehn als Vizepräsident, kandidierte der Schweizer Heinrich Marti (Ernst Marti AG) nicht erneut. Es war der emotionalste Moment der Mitgliederversammlung. In seiner Abschiedsrede sagte er: „Die Farbe ist mir in den vergangenen 22 Jahren aus den Haaren gewichen, aber nicht die Überzeugung aus dem Kopf, dass die Lobbyarbeit an Bedeutung gewonnen hat und dass der RDA dabei unverzichtbar ist.“ An den scheidenden Vizepräsidenten gewandt, sagte der sichtlich ergriffene RDA-Präsident Benedikt Esser: "Du hast Spuren hinterlassen, die weit über dein Amt hinausreichen. Du warst für uns alle ein Vorbild – als Kollege, als Ratgeber, als Mensch.“
Auf Marti folgt Anna Marx von Marx Reisen, die einstimmig zur neuen Vizepräsidentin gewählt wurde. Sie ist die erste Vizepräsidentin in der Geschichte des RDA. Neu in den Vorstand gewählt wurde in Abwesenheit ebenso einstimmig Philipp Cantauw (Der Schmidt Gruppe).
Südböhmen überzeugt
Neben den Fachvorträgen überzeugte die Tagung auch durch ihre Wahl des Veranstaltungsorts. Südböhmen, selbst vielen Touristikern bislang unbekannt, begeisterte mit seiner Gastfreundschaft und landschaftlichen Schönheit, die gerade im Herbst mit der bunten Laubfärbung an Kanada erinnert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich beeindruckt – nicht zuletzt durch Orte wie Budweis oder die Unesco-Welterbestadt Krumau mit ihrer intakten Bilderbuchkulisse.
Mehr inhaltliche Einblicke in die Tagung, Stimmen aus der Branche und zur busfreundlichen Reiseregion Südböhmen lesen Sie in der nächsten Ausgabe 11–12/2025 der OMNIBUSREVUE, die am 11. November erscheint.