Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) muss ein erkrankter Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, wenn er aufgrund Krankheit nicht zur Arbeit erscheinen kann. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, schilderte der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Fuhlrott die Rechtslage.
„Arbeitgeber können aber auch schon eher die Vorlage eines ärztlichen Attests verlangen“, betont Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott. „Derartige Regelungen finden sich teilweise in Arbeitsverträgen, teilweise in betrieblichen Vorgaben. Auch kann der Arbeitgeber im Einzelfall eine entsprechende Anweisung treffen.“
Für den Beschäftigten heißt dies dann regelmäßig, sich auf dem Weg zum Arzt aufzumachen und in der Praxis nach einer ärztlichen Untersuchung sich ein Attest ausstellen zu lassen. Die genauen Vorgaben dazu regelt die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie. „Wenn der Arzt den Patienten kennt, ist bei bestimmten Diagnosen auch eine Befundung per Videountersuchung möglich“, sagte Fuhlrott.
Voraussetzungen für telefonische Krankschreibung
In Hochzeiten der Pandemie wurde hiervon eine zeitlich befristete Ausnahme in der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie (§ 8 Arbeitsunfähigkeits-RL) eingeführt. Danach war bei Erkrankungen der oberen Atemwege ohne schwere Symptomatik eine Krankschreibung auch im Wege der telefonischen Anamnese möglich. Arztpraxen sollten nicht weiter überlastet werden und Infektionen in Wartezimmern sollten vermieden werden.
„Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Arzt persönlich mit dem Patienten telefoniert und sich dabei – zumindest telefonisch – ein Bild von seinem Zustand macht“, betont Fachanwalt Fuhlrott. „Dieser muss dann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er ein Attest ausstellt oder den Patienten zur weiteren Abklärung in die Praxis einbestellt“.
Die auf diesem Wege ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unterschied sich nicht von den „normalen“ Attesten. Für Unternehmen war daher nicht erkennbar, auf welchem Weg die Untersuchung erfolgt war.
Hoher Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung
Diese Regelung, die bis zum 30. November 2022 befristet war, wird nun bis zum 31. März 2023 verlängert. „Wird eine ärztliche Bescheinigung auf diesem Wege telefonisch durch den Arzt erteilt, so kommt ihr grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie einer ‚regulären‘ ärztlichen Bescheinigung zu“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott. Nur bei besonderen Voraussetzungen könne der starke Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung erschüttert werden. „Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Beschäftigte einen beantragten Urlaub nicht gewährt erhalten hat und daraufhin erkrankt. Auch wenn nach einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers ein ärztliches Attest in Hause flattert, kann dies nach einer jüngeren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung in Frage stellen“, ergänzt der Arbeitsrechtsprofessor.
Ganz anders liege der Fall bei online eingeholten Attesten, denen von vornherein kein besonderer Beweiswert zukommt: „Klar abzugrenzen von diesen ärztlichen Attesten aus Arztpraxen sind aber ominöse Bescheinigungen, die vereinzelte Anbieter über das Internet lediglich durch Ankreuzen bestimmter Fragen durch den Arbeitnehmer ausstellen, ohne dass der Arbeitnehmer zuvor Kontakt mit einem Arzt hatte“ betont Fuhlrott, der Unternehmen empfiehlt, derartige Bescheinigungen grundsätzlich nicht anzuerkennen.