Bereits dreimal kam es in diesem Jahr zu Großbränden in deutschen Bus-Depots. Im April brannte ein Bus-Depot der Rheinbahn in Düsseldorf. 38 Fahrzeuge wurden zerstört, geschätzter Schaden: 50 Millionen Euro. Als Ursache wurde ein technischer Defekt ermittelt, ohne diesen jedoch näher erfassen zu können, die starke Zerstörung verhinderte das. Zwei Monate später erwischte es im Juni eine Bushalle der ÜSTRA in Hannover. Acht Busse und ein Großteil der Halle inklusive Ladeinfrastruktur wurden ein Opfer der Flammen - Millionenschaden. Auch hier wurde als Brandursache ein technischer Fehler ermittelt. Nun der Großbrand in Stuttgart bei der SSB in Gaisburg mit 25 zerstörten Bussen, hier scheint der Brand von einem Elektrobus während des Ladens ausgegangen zu sein. Von Einzelfällen spricht angesichts dieser Häufung kaum noch jemand, umso wichtiger ist es, sich diesem Thema umfassend anzunehmen.
Das haben nun im Projekt „BRAFA – Brandauswirkungen von Fahrzeugen mit alternativen Antriebssystemen“ die TU Graz, die Montanuniversität Leoben, der Bundesfeuerwehrverband und das Beratungsunternehmen ILF Consulting Engineers Austria, unterstützt von der ASFINAG und dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie getan. Untersucht wurden die sicherheitsrelevanten Auswirkungen von Bränden von batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen (BEV) in Straßentunneln und Methoden zur Brandbekämpfung bewertet. Bekannt ist: Die auf Lithium-Ionen-Technologie basierenden Energiespeicher von E-Fahrzeugen verhalten sich im Brandfall anders als herkömmliche Automotoren. Aber was passiert genau, wenn E-Fahrzeuge im Tunnel brennen? Wie heiß wird es und welche Gase entstehen? Welche Gefahr besteht für Personen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Tunnel aufhalten? Welchen Risiken sind Einsatzkräfte ausgesetzt? Welche Schäden gibt es an der Tunnel-Infrastruktur? Und wie löscht die Feuerwehr ein brennendes E-Fahrzeug im Tunnel am effizientesten? Die Ergebnisse der umfassenden experimentellen und numerischen Untersuchungen liefern neben wertvollen Erkenntnissen zunächst vor allem eines: Beruhigung. Das Gefahrenpotential ist auf Basis dieser Untersuchungen nicht wesentlich kritischer zu bewerten als bei Bränden von Pkw mit herkömmlichen Verbrennungskraftmotoren.
„Österreichische Tunnelanlagen sind fit genug für die Herausforderungen, die mit brennenden E-Fahrzeugen einhergehen“, lautet das Fazit von Peter Sturm, Professor am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz. „Unsere Ergebnisse deuten aber auf ein deutlich erhöhtes Gefahrenpotential von E-Fahrzeugbränden in Parkgaragen hin. Und auch bei Tunnelbränden mit batterieelektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen, also mit E-Bussen und E-Lkws, braucht es dringend mehr Mittel für weiterführende Untersuchungen.“
Bisher wurden Tunnel-Brandversuche lediglich mit einzelnen Batteriezellen und kleinen Akkupacks vorgenommen, nun gab es zum ersten Mal einen groß angelegten Realbrandversuch. Im neuen Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ der Montanuniversität Leoben wurden Batteriemodule sowie drei elektrisch betriebene und zwei dieselbetriebene Fahrzeuge gezielt in Brand gesetzt. Die Fahrzeuge – Kompaktwagen, SUV und Kleintransporter – waren teilweise Neuwagen mit Baujahr 2020 und mit der neuesten am Markt vorhandenen Lithium-Ionen Batterietechnologie ausgestattet. Die Löschversuche wurden erst nach einer ungehinderten Brandzeit von zehn Minuten gestartet. "Das ist auch in etwa der Fluchtzeitraum und die Zeit bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte. Wir konnten in diesen ersten zehn Minuten wertvolle Daten gewinnen, danach war die Feuerwehr am Zug", sagt Peter Sturm.
Die Brandlast eines herkömmlichen Pkw liegt bei etwa 5 Megawatt (MW) oder grob umgerechnet einem brennenden Stapel mit 25 Holzpaletten. Die Wärmefreisetzungsrate der brennenden E-Fahrzeuge im Tunnel war mit 6 bis 7 MW zwar etwas höher als jene der dieselbetriebenen Vergleichsfahrzeuge, das bringt aber keine neuen Risiken oder Gefahren mit sich. Zum Vergleich: Die Brandlast eines konventionellen LKW liegt bei etwa 30 MW – und auch dafür sind Tunnelanlagen ausgerichtet.
Nun bedarf es keiner Glaskugel, um diese Zahlen - natürlich vereinfacht - auf einen Elektrobus hochzuskalieren, der häufig locker die zehnfache Batteriekapazität im Vergleich zum E-Pkw besitzt. Dazu kommt, dass Depot-Brände ein besonderes Gefahrenpotential beherbergen, da die Busse in der Regel dicht nebeneinander stehen und ein Übergreifen des Feuers kaum zu vermeiden ist. Ein Auseinanderziehen der Busse zumindest während des Ladevorganges wäre sicher eine Option.
Bei den Tunnelversuchen konnte weiterhin konstatiert werden, dass es zwar beim Brand der E-Fahrzeuge etwas wärmer wird, "aber dadurch nicht grundlegend gefährlicher im Tunnel. Die gemessenen Temperaturen im Fluchtbereich liegen für alle Brandversuche unterhalb der 60 Grad Celsius Grenze. Das ist zwar keine angenehme Temperatur, aber Flucht und Brandbekämpfung sind noch möglich.", fasst Peter Sturm zusammen. Doch nun heißt es von Seiten der Projektteilnehmer, dass im Fall einer Spontanreaktion, bei der die gesamte Batterie auf einmal in Vollbrand steht, über einige Minuten eine merklich höhere Wärmefreisetzung von bis zu 10 MW zu erwarten sei. „Allerdings haben wir diese Spontanreaktion gezielt herbeigeführt, um eben diesen „worst case“ untersuchen zu können. Im Realfall passiert in der Batterie ein sogenannter Thermal Runaway, bei dem die Überhitzung und der Brand wie eine Kettenreaktion von einer Zelle zur nächsten übergreifen. Daher dauern solche Batterienbrände auch lange.“, berichtet Peter Sturm.
Auch emittierte Gase und Schwermetalle standen im Fokus des Projekts und wurden mittels gezielter Luftabsaugung und aufgehängten Vliesdecken gesammelt und gemessen. "Allerdings führt die thermisch bedingte Rauchgasschichtung im Tunnel dazu, dass sich diese hoch konzentrierten Brandgase überwiegend in oberen Bereichen des Tunnels sammeln und damit außerhalb des für Menschen relevanten Bereichs. Das heißt, die Fluchtwege sind nicht davon betroffen", erklärt Peter Sturm. Nachsatz: "Einen großen Anteil am vergleichsweisen geringen Risiko in Straßentunnelanlagen haben die Belüftungssysteme. Die gibt es zum Beispiel in Parkgaragen nicht oder zumindest nicht im vergleichbaren Ausmaß. Das bedeutet, Brände von E-Fahrzeugen in Garagen stehen gefahrentechnisch auf einem anderen Blatt Papier und müssten dringend genauer untersucht werden. Unsere Messergebnisse deuten jedenfalls auf ein ernstzunehmendes Gefahrenpotential hin."
Im Rahmen der Brandexperimente testete der Österreichische Bundesfeuerwehrverband verschiedene Löschmethoden. Am besten funktionierte die konventionelle Brandbekämpfung mit Wasser. „Wasser ist aufgrund der sehr guten Kühlwirkung das Löschmittel der Wahl. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass sich bei Lithium-Ionen-Akkus ein Löscherfolg erst dann einsetzt, wenn das Wasser das Innere der Batterie erreichen kann. Eine externe Kühlung einer nur unwesentlich beschädigten Batterie ist kaum wirksam. Bisherige Einsätze haben gezeigt, dass sich die Löschdauer und der Löschmittelbedarf erhöhen und mehrere 1000 Liter Löschwasser erforderlich sein können. Da müssen die Einsatzkräfte gegebenenfalls auf das in den Tunnelanlagen vorhandene Löschwasser zurückgreifen", so Stefan Krausbar vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband.
Flammenerstickende Löschdecken bringen ab dem Zeitpunkt, an dem der Brand auf die Batterie übergreift, keinen Mehrwert mit sich. Grund sind die starken Flammen in Bodennähe, die ein enges Überziehen der Löschdecke über das gesamte Fahrzeug massiv erschweren, und die Sauerstoffselbstversorgung der Batterie. Der Einsatz von Löschlanzen, die Wasser direkt in das Batteriegehäuse einspritzen, hat sich hingegen als sehr effektiv erwiesen. Die Handhabung der Löschlanzen ist allerdings kompliziert und nicht ungefährlich, sodass diese Methode eine spezielle Schulung der Einsatzkräfte erfordert.
Trotz der vielen gewonnen Erkenntnisse betont Projektleiter Peter Sturm, dass weiterführende Untersuchungen mehr als wünschenswert sind. Die Brandauswirkungen von batterieelektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen – Busse und Lkws – konnten dadurch nur mittels numerischer Simulation basierend auf Annahmen zur Brandentwicklung, Branddauer und Schadstofffreisetzung hochskaliert werden. Für diese Annahmen gibt es derzeit keine belastbaren messtechnischen Verifikationen. Umfassende Brandexperimente im Großversuch würden die Aussagegüte daher deutlich verbessern. Selbiges gilt für die konkrete Gefahrenlage bei E-Fahrzeugbränden in Parkgaragen. "Bei aller Freude über den Vormarsch alternativer Antriebssysteme dürfen solche sicherheitsrelevanten ‚Hausaufgaben‘ nicht vernachlässigt werden", appelliert Peter Sturm an Gesetzgebung und Forschungsförderung.