Wenn in diesen Tagen die Serienproduktion des neuen Tourismo RHD anläuft, dann ist es die nahtlose Fortsetzung einer beispiellosen Story. Seit 1994 der erste RHD das Licht der Buswelt erblickte, haben 26.000 Fahrzeuge die Werkshallen verlassen, von der letzten, aktuellen Generation wurden mehr als 10.000 Exemplare gebaut. Zahlreiche Längen- und Ausstattungsvarianten ließen den Bus zu einem Allrounder werden, der wirtschaftlich dem Wettbewerb sprichwörtlich um die Ohren fährt. Dazu kamen ständige Verbesserungen und Aufwertungen, im Zuge der Euro 6-Umstellung hielten moderne Aggregate und erste wichtige Sicherheitsfeatures Einzug. Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Neue, strengere Richtlinien – auch in Sachen Sicherheit – fordern immer neue Anstrengungen der Entwickler, um den Anschluss nicht zu verlieren. So verlangt die neue Umsturzrichtlinie ECE R66.02, die den Überlebensraum der Fahrgäste im Fall eines seitlichen Umsturzes definiert, in der Regel umfangreiche Eingriffe in die Gerippestruktur des Busses. Im Fall des Tourismo bedeutet das: Das komplette Gerippe wurde neu konstruiert und ist in Ringspantentechnik ausgeführt. Gleichzeitig verringerte sich das Fahrzeuggewicht um insgesamt 200 Kilogramm. Möglich wurde das unter anderem durch eine spezielle Konstruktionsweise des selbsttragenden Gerippes: Die Knotenelemente wurden erneuert, die Säulenquerschnitte optimiert, was nicht nur das Gewicht senkt, sondern zugleich die Festigkeit erhöht. Der Tourismo RHD ist in der Höhe gewachsen, er misst nun 3,68 Meter. Der Höhenzuwachs resultiert aus einem neuen Grundrahmen, dürfte sich aber immer noch in einem Bushallen-verträglichen Rahmen bewegen. Netter Nebeneffekt: Das Kofferraumvolumen wuchs bei allen Versionen um einige hundert Liter an. Endlich auch beim Tourismo Einzug gehalten hat nun der von den Setra-Reisebussen und dem Travego bekannte Front Collision Guard FCG. Er sorgt im Falle eines Aufpralls für mehr Überlebensraum von Fahrer und Beifahrer und absorbiert einen großen Teil der Aufprallenergie.
Optisch wurde der Tourismo zwar behutsam angefasst. Das Ergebnis ist trotzdem markant. Mehr als deutlich wird die neue Formsprache an der Front, deren Scheinwerfer, die von den Schwer-Lkw des Konzerns stammen, moderne Zeiten einläuten. Die bisher sehr flache, einfache Front wirkt jetzt kraftvoll, fast bullig, so, als würde ein noch schüchterner Jüngling seine Brust voller Stolz herausstrecken und das Ganze mit einem leichten Lächeln garnieren. Gleich zwei Sterne zieren den Bug, einer in Form einer kleinen Plakette direkt unter der Windschutzscheibe und dann ein großer in der Bugmaskenmitte, hinter ihm versteckt sich der Radarsensor. Die neuen Spiegelarme strecken sich weit nach vorn, direkt dahinter schließt sich in Form einer Schwinge ein sogenanntes Charakterelement an, welches dem Bus eine einfache Erkennbarkeit auch aus der Ferne garantieren soll. Geradlinig geht es an der Seite bis zum Heck, welches die wohl markanteste Neugestaltung des Busses darstellt. Hier setzt der Designer auf das von der ComfortClass 500 bekannte rechts angebrachte Entlüftungsgitter sowie auf klare, leicht schräg nach oben verlaufende Linien. Die Abrisskante wurde neu gestaltet, was die Verwirbelungen und damit die Verschmutzung am Heck minimiert. Insgesamt bleibt der Tourismo seiner betont unauffälligen Erscheinung treu und wird doch sicherlich auch gerade deswegen seinen beispiellosen Erfolgszug fortsetzen. Den Fortschritt markieren, ohne den aktuellen Tourismo alt aussehen zu lassen, das ist gelungen und wichtig, denn auch die „bewährte“ Baureihe soll noch eine Weile parallel produziert werden. Das gilt erst recht für Spezialanwendungen wie den kurzen Tourismo K oder den Kombi RH. Die neue Baureihe besteht aus vier Modellen in drei Längen. Da gibt es den Tourismo RHD in einer Länge von 12.295 mm, den ebenfalls zweiachsigen Tourismo M2 in einer Länge von 13.115 mm mit einem sehr großen Kofferraumvolumen von 12,1 Kubikmetern. Die beiden Dreiachser teilen sich die Längen 13.115 mm als Version RHD M, der zwar nur 9,9 Kubikmeter Kofferraumvolumen, dafür aber hohe Gewichtsreserven bietet, sowie als Version RHD L, der bei einer Länge von 13.935 mm die Vorteile hohe Sitzplatzanzahl, hohe Gewichtsreserven und großer Kofferraum auf sich vereint.
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Der Fahrgastraum in neuem Design
Der Fahrgastraum bietet einige nette Überraschungen. So wurde der Einstieg vorn etwas verbreitert, möglich wurde das durch die Verlängerung des Vorbaus. Die bekannten Sitze aus eigener Fertigung stehen auf 15 Zentimeter hohen Podesten, im Mittelgang beträgt die Stehhöhe 2.010 mm. Wer sich umsieht, wird eine neue Formen- und Farbsprache bemerken, es dominiert der Farbton „Greige“, also eine Art Mischung aus Grau und Beige. Wo es bisher immer ein wenig dunkel zuging, werten freundliche Farben das Ambiente auf. Das gilt auch für die Innenseite der Mitteltür (eine Hecktür ist nicht vorgesehen), die nun hell gestaltet ist. Vorbei die Zeiten des Abstiegs in dunkle Höhlen, wenn es auf das Bord-WC ging. Eine durchdachte Lösung ist die Verwendung von Nadelfilz in den Böden der Gepäckablagen, das verhindert ein Rutschen der dort deponierten Sachen. Gesessen wird auf Travel Star Eco-, Softline- oder Luxline-Sitzen. Neu ist die Softline-Version, die über rautenförmig abgesteppte Sitz- und Rückenpolster verfügt. Das wirkt durchaus hochwertig. Aufwerten lassen sich die Sitze unter anderem durch höhenverstellbare Kopfstützen. Überarbeitet wurde das Licht. So finden sich im Innenraum jetzt nur noch LED-Leuchten. Entlang der Fahrzeugdecke wurden in optischer Anlehnung an die Vorgängerbaureihen kastenförmige Leuchten quer zum Mittelgang angebracht. Sie sind zweistufig schaltbar und leuchten auch die Gepäckablagen aus. Eine indirekte Beleuchtung gibt es beim Tourismo nicht. In einer völlig neuen Form kommen die Servicesets. Die Dekorrahmen sind in Schwarz oder Silber lieferbar, die Zwischenstücke der Servicesets bestehen aus geprägtem Kunstleder. Gut ist, dass die Bahnen im Deckenluftkanal modular aufgebaut sind, dadurch kann die Position der Servicesets bei einer nachträglichen Änderung des Sitzabstandes geändert werden. Die Podestküche wurde extra für den neuen Tourismo entwickelt. Sie wird entweder von einem deutschen oder einem türkischen Zulieferer gefertigt und verfügt über Energiespartechnik, die mikroprozessorgesteuert über einen Touchscreen bedient wird. Dabei entsprechen Anordnung und Auswahl der verbauten Elemente wie Kaffeemaschine, Würstchenkocher, aber auch Mikrowelle oder Espressomaschine durchaus gängigen Standards. Sollen Rollstühle befördert werden, ist unmittelbar nach der Vorderachse eine zusätzliche Tür vorgesehen, der Lift selbst ruht im Kofferraum rechts in einer Kassette. Ein Lift in einer verbreiterten Mitteltür ist bisher nicht vorgesehen.