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Ein Bus fürs Geschäft

14.03.2016 14:49 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

Der Setra S 415 LE business ist stark auf das Thema Wirtschaftlichkeit getrimmt. Der Hersteller setzt bei diesem Fahrzeug weniger auf Emotionen als auf den angedachten Einsatzzweck: die Überland-Linie. Dabei basiert der Bus zwar noch auf der Baureihe 400, einem grundsätzlichen, guten Funktionieren steht das aber nicht entgegen.

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Testfahrt mit dem Setra S 415 LE business. Auf den ersten Blick ist es ein unscheinbares Fahrzeug, je genauer man sich ­jedoch damit beschäftigt, desto spannender wird dieser Bus. Bei ihm handelt es sich ja um den Nachfolger des Niederflurbusses NF, den es aber im Zuge der Konzernausrichtung nicht mehr gibt. Die reinen Niederflurfahrzeuge bleiben der Konzerntochter Mercedes-Benz mit dem Citaro beziehungsweise in anderen Märkten mit dem Conecto vorbehalten. Ja, auch Mercedes-Benz hat einen Low Entry im Programm und doch unterscheiden sich die beiden Fahrzeuge gründlich, zum Teil auch in ihrer Philosophie.

Dazu zählt bei Setra die Fokussierung auf den Überlandbereich. Auffälligstes Merkmal hierbei ist die 100-Prozent-Bereifung. Die 195er Räder erhöhen ohne Frage gerade auf den häufig nicht so guten Landstraßen deutlich den Fahrkomfort für die Fahrgäste. Interessant an dieser Stelle ist die Tatsache, dass sowohl Vorder- als auch Antriebsachse mit dem Citaro LE identisch sind. Die Mercedes-Benz-Antriebsachse findet ­übrigens 1:1 auch im Setra UL Verwendung. Im Unterschied zum Citaro handelt es sich jedoch beim LE ­business nur um eine teilweise Neu­entwicklung. Während Mercedes-Benz mit dem Citaro eine neue Generation eingeläutet hat, basiert der Setra auf der Baureihe 400. Deshalb wird der Bus zwar bisher in Deutschland gefertigt, doch es dürfte nicht mehr lange dauern, bis nennenswerte Stückzahlen dieses Busses aus dem Werk im türkischen Hosdere kommen. Von dort stammen auch der Intouro, der UL ­business, die meisten Travego sowie der Tourismo.

Als Setra seine Baureihe 500 vorstellte, war das Erstaunen der Fachwelt groß, denn was in technologischer Hinsicht auf die Räder gestellt wurde, war beeindruckend. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Überlandfahrzeuge der MultiClass. Mittlerweile ist klar, vorerst bleibt – zumindest strukturtechnisch – alles auf der alten Plattform 400. Natürlich wurden die Fahrzeuge mit den Euro 6-Motoren und der dazugehörigen Peripherie ausgestattet. Was aber fehlt, sind die weitergehenden Optimierungen und Feinheiten an der technischen Basis. Sicherlich hat das auch mit konzernstrategischen Überlegungen zu tun. Aktuell erfüllt dieser Bus sämtliche gesetz­lichen Anforderungen und gut arbeiten lässt es sich auch mit ihm. Dass die Optik nicht der der Baureihe 500 entspricht, dürfte in diesem Segment absolut verschmerzbar sein. Doch der Tag wird kommen, an dem sowohl ein ­Setra UL/LE oder ein Mercedes-Benz Intouro frische Gene benötigen. Doch bis das so weit ist, zählt dieses Fahrzeug nach wie vor zu den Bussen, die gesamtwirtschaftlich betrachtet eine ernst zu nehmende Größe darstellen.

Äußerlich hat sich beim LE business nicht viel getan, das ist aber nicht weiter tragisch, denn in dem Segment, in dem sich der Bus bewegt, zählt er immer noch zu den optisch attrak­tiven Fahrzeugen. Betritt man den Bus, kommt man leicht ins Staunen, denn die Innenstehhöhe im Mittelgang vor dem Hochbereich im Heck beträgt stolze 2,62 Meter. Das ist ordentlich, zum Glück aber wirkt der Bus deswegen nicht hallenartig. Möglicherweise liegt das auch an den optionalen Gepäckablagen, die den weiten Raum durchbrechen. Eingestiegen wird vorn durch eine einfach breite Tür. Die ist allerdings nicht nur einfach breit sondern besonders breit. Stolze 1.150 Millimeter misst die Durchgangsöffnung. Eine ein­flügelige Tür 1 ist beim Überlandbus ­sicherlich Standard, dennoch muss man sich ­daran erst einmal gewöhnen. Auch Einstieg 2 war mit dieser Türvariante ausgerüstet, optional ist hier aber eine zweiflügelige und 1.380 Millimeter ­breite Tür zu bekommen. Während der Testfahrt fielen die relativ langen Öffnungs- und Schließzeiten auf, die ein wenig an einen Reisebus erinnern, Welten von einer elektrischen Außen-Schwenk- Schiebetür entfernt. Aber fairerweise muss gesagt werden, auf der Überlandlinie mit ihren meist weit auseinanderliegenden Haltestellen ist dieser Punkt eher ­vernachlässigbar.


Setra S 415 LE business

Setra S 415 LE business Bildergalerie

Setra S 415 LE business
© Foto: Daimler

Unverkleidete Schrauben­köpfe - Maschinenbau pur

Der Innenraum macht einen sehr hellen und durchdachten Eindruck. Sämtliche Sitze befinden sich vorn auf 190 Millimeter hohen Podesten. Zwei Stufen vor der Hinterachse führen nach oben. Soll der Bus eine Klasse 1-Zulassung (Stadtlinienbus) bekommen, dann sind es drei Stufen, außerdem wird in diesem Fall auf die etwas kleinere 175er Bereifung um­gestellt. Maximal 49 Fahrgäste passen sitzend in den S 415 LE business. Alle Sitze vom Typ Setra Transit sind mit Zwei-Punkt-Gurten ausgerüstet. Es gibt aber auch die ein wenig komfortableren Sitze Setra Route. Diese dürften bei Einsatzzwecken mit längeren Fahrabschnitten ihre Berechtigung haben, denn grundsätzlich hat dieser Bus natürlich nicht den gleichen Fahrkomfort wie ein ausgewiesener Reisebus. Sämtliche Elemente im Fahrgast­raum wirken sehr robust und strapazierfähig. Ein Schmunzeln riefen beim Tester die aus massivem Stahl gefertigten Gepäckablagen direkt über der Vorderachse hervor – immerhin, die sind unzerstörbar und machen optisch durchaus etwas her. Nicht ganz so schön in Sachen Optik – und bei einem Setra schon mal völlig ungewohnt – sind die unverkleideten Schrauben­köpfe, die sich über den kompletten Innenraum erstrecken. Maschinenbau pur. Und da blitzt sie durch – die Fokussierung dieses Fahrzeuges auf eine möglichst wirtschaftliche, preiswerte Ausrichtung. Allzu viele Kundensonderwünsche werden nicht erfüllt und einige Elemente muss man hinnehmen, wie sie sind. Das gilt zum Beispiel für die robusten ­Außenspiegel mit ihren unverkleideten Armen. Doch mal ehrlich – stört es den Betreiber? Aber mitunter wurde auch an unschönen ­Stellen gespart. So die Tanköffnung für den Dieselkraftstoff. Der Bus besitzt zwei extrem flache Tanks im Bereich um die Vorderachse. Der linke Tank ist dabei doppelt so groß wie der rechte. Dumm nur, dass es die Tanköffnung nur rechts gibt und es – auch im Test – zur Bildung von großen Luftblasen kam, die ein vernünftiges Tanken fast ­unmöglich machten. Hier sollte dringend nachgebessert werden. Das Thema Fahrgastraumausleuchtung ist im LE business relativ robust ausgeführt. In der Mitte der Fahrzeugdecke sind mehrere Lichtleisten untergebracht, in denen LED-Leuchten arbeiten. Auf optische Rafinessen wurde verzichtet, das ist aber nicht weiter tragisch, denn in Sachen Lichtausbeute leisten die Leuchten ganze Arbeit. Die volle Innen­beleuchtung lässt sich in zwei Stufen derart regeln, dass die vorderen Leisten abgeschaltet werden, um den Fahrer nicht zu blenden. ­Zusätzlich gibt es, und das ist bei einem ­Linienbus keine Selbstverständlichkeit, eine grüne Nachtbeleuchtung. Ist diese an, wird‘s ­kuschelig. Eine Blendung durch Leuchtenspiegelungen in der Frontscheibe gibt es eher indirekt: Wenn die Fahrgäste überwiegend helle Sachen tragen, dann kann sich dies störend auswirken, die Leuchten selbst sind außerhalb des Sichtbereiches. Die Cockpit- und Schalterbeleuchtung ist ­typisch Baureihe 400. Rundinstru­mente und Schalter sind in ­grüner Beleuchtungsfarbe aus­geführt. Obwohl sie eigentlich der Fahrgastraumbeleuchtung zuzuordnen ist, sorgt sie dennoch für das Licht am Gehsteig, an der Bushalte­stelle: die Einstiegsbeleuchtung. Simpel, aber äußerst effektiv, so das Kurzfazit. Selbst an stockdunklen Haltestellen wird jeder Millimeter gut ausgeleuchtet. Nicht ganz so schön ist die Fahrbahnbeleuchtung. Hier sind nämlich ausschließlich konventionelle H7-Schein­werfer zu bekommen. Xenon-Licht oder gar die neuen, erst kürzlich von Daimler Buses vorgestellten LED-Scheinwerfer sind Fehlanzeige. Das ist schade, denn der Wettbewerb zeigt, wie es auch gehen könnte. Ebenfalls nicht erhältlich ist ein Abbiegelicht. Und tatsächlich, auch Tagfahrlichter fehlen dem Setra S 415 LE business. Dafür sind die Seitenmarkierungsleuchten in LED-Technik ausgeführt. Was sich am Thema Licht erkennen lässt: ­Dieser Bus basiert auf der Baureihe 400.
Setra S 415 LE business
© Foto: Daimler

Power-Boost-System für mehr Anfahrdrehmoment

Sehr ungewöhnlich für einen Setra-Stadtbus ist die sehr hohe Anordnung des Fahrer­arbeitsplatzes. Über zwei Stufen erreicht man das Cockpit, thront dann aber wie ein König über dem Verkehrsgeschehen. Die Sicht nach vorn und auch in die Spiegel ist gut. An­gemerkt muss aber werden, dass es auch Spiegelsysteme mit einem deutlich größeren Sichtfeld gibt. Der Testbus war mit dem Automatikgetriebe ZF EcoLife ausgestattet. Dazu braucht man eigentlich nicht viele Worte zu verlieren, das Ganze funktioniert tadellos. Die einzelnen Schaltstufen werden ruckfrei eingelegt, ­bereits nach kurzer Zeit haben sich Getriebe und Fahrer aneinander angepasst, was Schaltungen im jeweils optimalen Drehzahlbereich ermöglicht. Im Heck arbeitete die leistungsstärkere Version des OM 936, also die mit 354 PS. Der Motor arbeitet mit zwei asym­metrischen Abgasturboladern und einer zwei­­­s­tufigen Aufladung, was einen durchzugsstarken Antritt verspricht. Dem war auch so, doch damit nicht genug, denn zum ersten Mal im Test war das neue Power-Boost-­System (PBS) an Bord. Ge­rade für topografisch anspruchsvolle Gegenden garantiert das neue System ein besseres „Sprintverhalten“ beim Anfahren. Dabei pumpt das Power-Boost-System Druckluft aus der Seriendruckluftanlage in den Ansaugtrakt des Motors und sorgt damit für eine kurzfristige Luftdurchsatzerhöhung. Das erhöht schnell das Anfahrdrehmoment, was bei Haltestellen nicht nur an Steigungen von unschätzbarem Wert ist. Tatsächlich bedeutet dieses System einen eklatanten ­Unterschied beim Anfahren im Vergleich zu Kraftstrangkombinationen ohne Power-Boost. Das Fahrverhalten dieses Busses ist gut. Die ZF-Einzelradaufhängung vorn, bekannt vom ­Citaro, bietet keinen Grund zur Klage und auch die MB-Hinterachse schluckt Fahrbahnunebenheiten recht stoisch. Beim Testbus wurde an der Hinterachse auf Stabilisatoren verzichtet, eigentlich unverständlich, denn der Aufpreis spielt keine wesentliche Rolle und sie sind auch erhältlich. Allerdings geht es darum, einen Kompromiss zu finden zwischen Fahrgastkomfort (weiche Aufhängung schluckt Unebenheiten besser) und Fahrstabilität. Auf der Kreisbahn konnte man diesen Effekt sehr schön beobachten. Der Bereich um die Hinterachse stieg deutlich weiter in die Höhe als vorn. Dennoch bleibt der Bus stets sehr gut fahr- und beherrschbar. Und wer Setra kennt, weiß, für Kompromisslösungen war man hier noch nie zu haben. Dazu passt die sehr direkte Lenkung, die auch auf schlechten Straßen nie nervös wirkte. 210.000 Euro kostet der getestete Bus, das ist ein guter Preis für ein Fahrzeug, mit dem es sich vernünftig arbeiten lässt. Auch wenn es im Wesentlichen ein Bus „von der Stange“ ist, lässt er sich in den wichtigsten Punkten in­dividuell konfigurieren. Dazu zählen unterschiedliche Leistungsstufen des Motors und vier Getriebevarianten. Serienmäßig gibt es das manuelle Sechsgang-Schaltgetriebe GO 190, optional das hier besprochene ZF EcoLife, die Viergang-­Automatik Voith ­Diwa sowie das automatisierte Schaltgetriebe GO 250-8 Powershift. Letzteres dürfte auch ­preislich sicherlich den einen oder anderen Bus­unternehmer überzeugen, insbesondere, wenn Strecken mit längeren Überlandanteilen bedient werden müssen. Unser Urteil: Auf den Setra S 415 LE business haben viele gewartet. Nicht, dass der Citaro LE aus gleichem Hause schlechter wäre, er ist nur für deutlich städtisch geprägtere Einsätze gedacht. Abseits davon schlägt die große Stunde des LE business. Wie schon sein Vorgänger, der NF, rollt er auf 195er Reifen, bietet einen modernen Fahrgastraum, einen guten Arbeitsplatz und einen sparsamen Motor, dem dank Power-Boost-System noch eine Portion „Extra-Bums“ spendiert wurde. Klar, ein wenig traurig darf man schon sein, dass der Bus noch nicht auf der Baureihe 500 basiert, doch zum alten Eisen zählt dieser Bus deswegen noch lange nicht, im Gegenteil. Denn insgesamt wurde fast in allen Details ein praxisorientertes Fahrzeug geschaffen. (sab)
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