Testfahrt mit dem Setra S 415 LE business. Auf den ersten Blick ist es ein unscheinbares Fahrzeug, je genauer man sich jedoch damit beschäftigt, desto spannender wird dieser Bus. Bei ihm handelt es sich ja um den Nachfolger des Niederflurbusses NF, den es aber im Zuge der Konzernausrichtung nicht mehr gibt. Die reinen Niederflurfahrzeuge bleiben der Konzerntochter Mercedes-Benz mit dem Citaro beziehungsweise in anderen Märkten mit dem Conecto vorbehalten. Ja, auch Mercedes-Benz hat einen Low Entry im Programm und doch unterscheiden sich die beiden Fahrzeuge gründlich, zum Teil auch in ihrer Philosophie.
Dazu zählt bei Setra die Fokussierung auf den Überlandbereich. Auffälligstes Merkmal hierbei ist die 100-Prozent-Bereifung. Die 195er Räder erhöhen ohne Frage gerade auf den häufig nicht so guten Landstraßen deutlich den Fahrkomfort für die Fahrgäste. Interessant an dieser Stelle ist die Tatsache, dass sowohl Vorder- als auch Antriebsachse mit dem Citaro LE identisch sind. Die Mercedes-Benz-Antriebsachse findet übrigens 1:1 auch im Setra UL Verwendung. Im Unterschied zum Citaro handelt es sich jedoch beim LE business nur um eine teilweise Neuentwicklung. Während Mercedes-Benz mit dem Citaro eine neue Generation eingeläutet hat, basiert der Setra auf der Baureihe 400. Deshalb wird der Bus zwar bisher in Deutschland gefertigt, doch es dürfte nicht mehr lange dauern, bis nennenswerte Stückzahlen dieses Busses aus dem Werk im türkischen Hosdere kommen. Von dort stammen auch der Intouro, der UL business, die meisten Travego sowie der Tourismo.
Als Setra seine Baureihe 500 vorstellte, war das Erstaunen der Fachwelt groß, denn was in technologischer Hinsicht auf die Räder gestellt wurde, war beeindruckend. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Überlandfahrzeuge der MultiClass. Mittlerweile ist klar, vorerst bleibt – zumindest strukturtechnisch – alles auf der alten Plattform 400. Natürlich wurden die Fahrzeuge mit den Euro 6-Motoren und der dazugehörigen Peripherie ausgestattet. Was aber fehlt, sind die weitergehenden Optimierungen und Feinheiten an der technischen Basis. Sicherlich hat das auch mit konzernstrategischen Überlegungen zu tun. Aktuell erfüllt dieser Bus sämtliche gesetzlichen Anforderungen und gut arbeiten lässt es sich auch mit ihm. Dass die Optik nicht der der Baureihe 500 entspricht, dürfte in diesem Segment absolut verschmerzbar sein. Doch der Tag wird kommen, an dem sowohl ein Setra UL/LE oder ein Mercedes-Benz Intouro frische Gene benötigen. Doch bis das so weit ist, zählt dieses Fahrzeug nach wie vor zu den Bussen, die gesamtwirtschaftlich betrachtet eine ernst zu nehmende Größe darstellen.
Äußerlich hat sich beim LE business nicht viel getan, das ist aber nicht weiter tragisch, denn in dem Segment, in dem sich der Bus bewegt, zählt er immer noch zu den optisch attraktiven Fahrzeugen. Betritt man den Bus, kommt man leicht ins Staunen, denn die Innenstehhöhe im Mittelgang vor dem Hochbereich im Heck beträgt stolze 2,62 Meter. Das ist ordentlich, zum Glück aber wirkt der Bus deswegen nicht hallenartig. Möglicherweise liegt das auch an den optionalen Gepäckablagen, die den weiten Raum durchbrechen. Eingestiegen wird vorn durch eine einfach breite Tür. Die ist allerdings nicht nur einfach breit sondern besonders breit. Stolze 1.150 Millimeter misst die Durchgangsöffnung. Eine einflügelige Tür 1 ist beim Überlandbus sicherlich Standard, dennoch muss man sich daran erst einmal gewöhnen. Auch Einstieg 2 war mit dieser Türvariante ausgerüstet, optional ist hier aber eine zweiflügelige und 1.380 Millimeter breite Tür zu bekommen. Während der Testfahrt fielen die relativ langen Öffnungs- und Schließzeiten auf, die ein wenig an einen Reisebus erinnern, Welten von einer elektrischen Außen-Schwenk- Schiebetür entfernt. Aber fairerweise muss gesagt werden, auf der Überlandlinie mit ihren meist weit auseinanderliegenden Haltestellen ist dieser Punkt eher vernachlässigbar.
Setra S 415 LE business


Unverkleidete Schraubenköpfe - Maschinenbau pur
Der Innenraum macht einen sehr hellen und durchdachten Eindruck. Sämtliche Sitze befinden sich vorn auf 190 Millimeter hohen Podesten. Zwei Stufen vor der Hinterachse führen nach oben. Soll der Bus eine Klasse 1-Zulassung (Stadtlinienbus) bekommen, dann sind es drei Stufen, außerdem wird in diesem Fall auf die etwas kleinere 175er Bereifung umgestellt. Maximal 49 Fahrgäste passen sitzend in den S 415 LE business. Alle Sitze vom Typ Setra Transit sind mit Zwei-Punkt-Gurten ausgerüstet. Es gibt aber auch die ein wenig komfortableren Sitze Setra Route. Diese dürften bei Einsatzzwecken mit längeren Fahrabschnitten ihre Berechtigung haben, denn grundsätzlich hat dieser Bus natürlich nicht den gleichen Fahrkomfort wie ein ausgewiesener Reisebus. Sämtliche Elemente im Fahrgastraum wirken sehr robust und strapazierfähig. Ein Schmunzeln riefen beim Tester die aus massivem Stahl gefertigten Gepäckablagen direkt über der Vorderachse hervor – immerhin, die sind unzerstörbar und machen optisch durchaus etwas her. Nicht ganz so schön in Sachen Optik – und bei einem Setra schon mal völlig ungewohnt – sind die unverkleideten Schraubenköpfe, die sich über den kompletten Innenraum erstrecken. Maschinenbau pur. Und da blitzt sie durch – die Fokussierung dieses Fahrzeuges auf eine möglichst wirtschaftliche, preiswerte Ausrichtung. Allzu viele Kundensonderwünsche werden nicht erfüllt und einige Elemente muss man hinnehmen, wie sie sind. Das gilt zum Beispiel für die robusten Außenspiegel mit ihren unverkleideten Armen. Doch mal ehrlich – stört es den Betreiber? Aber mitunter wurde auch an unschönen Stellen gespart. So die Tanköffnung für den Dieselkraftstoff. Der Bus besitzt zwei extrem flache Tanks im Bereich um die Vorderachse. Der linke Tank ist dabei doppelt so groß wie der rechte. Dumm nur, dass es die Tanköffnung nur rechts gibt und es – auch im Test – zur Bildung von großen Luftblasen kam, die ein vernünftiges Tanken fast unmöglich machten. Hier sollte dringend nachgebessert werden. Das Thema Fahrgastraumausleuchtung ist im LE business relativ robust ausgeführt. In der Mitte der Fahrzeugdecke sind mehrere Lichtleisten untergebracht, in denen LED-Leuchten arbeiten. Auf optische Rafinessen wurde verzichtet, das ist aber nicht weiter tragisch, denn in Sachen Lichtausbeute leisten die Leuchten ganze Arbeit. Die volle Innenbeleuchtung lässt sich in zwei Stufen derart regeln, dass die vorderen Leisten abgeschaltet werden, um den Fahrer nicht zu blenden. Zusätzlich gibt es, und das ist bei einem Linienbus keine Selbstverständlichkeit, eine grüne Nachtbeleuchtung. Ist diese an, wird‘s kuschelig. Eine Blendung durch Leuchtenspiegelungen in der Frontscheibe gibt es eher indirekt: Wenn die Fahrgäste überwiegend helle Sachen tragen, dann kann sich dies störend auswirken, die Leuchten selbst sind außerhalb des Sichtbereiches. Die Cockpit- und Schalterbeleuchtung ist typisch Baureihe 400. Rundinstrumente und Schalter sind in grüner Beleuchtungsfarbe ausgeführt. Obwohl sie eigentlich der Fahrgastraumbeleuchtung zuzuordnen ist, sorgt sie dennoch für das Licht am Gehsteig, an der Bushaltestelle: die Einstiegsbeleuchtung. Simpel, aber äußerst effektiv, so das Kurzfazit. Selbst an stockdunklen Haltestellen wird jeder Millimeter gut ausgeleuchtet. Nicht ganz so schön ist die Fahrbahnbeleuchtung. Hier sind nämlich ausschließlich konventionelle H7-Scheinwerfer zu bekommen. Xenon-Licht oder gar die neuen, erst kürzlich von Daimler Buses vorgestellten LED-Scheinwerfer sind Fehlanzeige. Das ist schade, denn der Wettbewerb zeigt, wie es auch gehen könnte. Ebenfalls nicht erhältlich ist ein Abbiegelicht. Und tatsächlich, auch Tagfahrlichter fehlen dem Setra S 415 LE business. Dafür sind die Seitenmarkierungsleuchten in LED-Technik ausgeführt. Was sich am Thema Licht erkennen lässt: Dieser Bus basiert auf der Baureihe 400.