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Hier fährt der Fortschritt

08.09.2014 15:10 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

40.000 verkaufte Citaro, diese Zahl ist eine Ansage. Mit der aktuellen Version hat Mercedes-Benz einen Stadtbus im Programm, der eindrucksvoll zeigt, was in einem Linienbus möglich ist. Zum ersten Mal konnte jetzt die OMNIBUSREVUE den Gelenkbus im Rahmen einer anspruchsvollen Testfahrt erleben.

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Dieser Bus ist eine Wucht. Nicht, weil er als Gelenkbus so gewaltig vorgefahren kommt oder weil seine signalgelbe Farbe derart berauschend wirken würde, nein, es sind seine inneren Werte, die überzeugen können. Starker Motor, jede Menge Sicherheit und ein überzeugendes Fahrgastraum- und Fahrerplatz-Layout sind die Eckdaten eines Fahrzeuges, welches Mercedes-Benz gerne als „Weltbestseller" bezeichnet. Klingt hochtrabend, macht aber nichts, denn die verkauften Stückzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Dabei war der Erfolg am Beginn der Citaro-Karriere nicht abzusehen. Jede Menge Probleme bereiteten dem Hersteller, vor allem aber den Kunden Kopfschmerzen. Aber egal, es ist vorbei, die trüben Tage sind Vergangenheit und seit es den Citaro in seiner Neuauflage gibt, verkauft sich der Bus quasi wie geschnitten Brot.


Zum ersten Mal nun schickte der Hersteller einen Citaro Gelenkbus nach Berlin zum Supertest. Wobei, so ganz stimmt das nicht, denn Ende 2009 feierte der Capacity hier Testpremiere. Der Capacity muss niemandem mehr etwas beweisen, der 19.540 Millimeter lange Großraum-Bus ist längst in den Metropolen dieser Welt zu Hause, in Kürze kommt auch seine Neuauflage. Nun also der Citaro G, ein klassischer 18-Meter-Gelenkbus, der es bisher noch nicht auf die Linie 100/200 geschafft hatte. Die Konfiguration des Testbusses klang interessant, ließ aber leise Zweifel aufkommen, ob der gewählte Motor und die lange Übersetzung das richtige für den Extremverkehr in Berlins Innenstadt sein würden. Denn was da als Kraftstrang-Kombination verbaut war, hatte das Zeug für einen echten Durchstarter.


Mercedes-Benz Citaro G Euro 6

Mercedes-Benz Citaro G Euro 6 Bildergalerie

© Foto: Daimler

OM 470: 1.900 Newtonmeter bei nur 10,7 Litern Hubraum

Mit dem OM 470 steckt ein wahres Kraftpaket im Heck. Satte 1.900 Newtonmeter holt das Aggregat aus gerade einmal 10,7 Litern Hubraum. Das ergibt dann 290 kW oder 394 PS. Zum Vergleich, der 2009er Capacity musste noch mit dem OM 457 hLA auskommen, der aus zwölf Litern Hubraum bei 260 kW gerade einmal 1.600 Newtonmeter schöpfen konnte. Und das bei einem Testgewicht von 27 Tonnen, drei Tonnen mehr, als der jetzt getestete Citaro G, der auf 24.000 Tonnen ausgeladen war. Braucht ein Gelenkbus so viel Power? Nun, wenn der Einsatz in bergigem Gelände vorgesehen ist, kann das nicht schaden. Oder aber, wenn eine lange Achsübersetzung gewählt wird. I=5,82 betrug sie beim aktuellen Testbus, das ist lang. Damit erreicht man bei Tempo 50 eine Drehzahl von gerade einmal 950 U/min. Zusammen mit dem starken ­Motor im Heck ergeben sich damit, auch gut ausgeladen, phänomenale Beschleunigungswerte, die selbst subjektiv im Stadtverkehr zu spüren sind. Kleiner Nachteil des Ganzen: Wirklich revolutionäre Verbrauchswerte lassen sich so nur schwer herausfahren. 72,3 Liter Durchschnittsverbrauch auf der Route sind nur ­einen Hauch weniger als vor fünf Jahren mit dem Capacity gemessen. Der brauchte über die Gesamtdistanz 72,9 Liter. Im Jahr 2014 pendelte nun der Verbrauch auf den reinen Innenstadtlinien übrigens zwischen 70 und 80 Liter auf 100 Kilometer, je nach Verkehr und notwendigen Ampel,- Stau- und Haltestellenstopps entlang der Strecke. Doch den Citaro G wird es zukünftig auch mit einer weiteren Motorenvariante geben. So soll er auf Wunsch mit dem kompakten und ­liegend eingebauten Reihen-Sechszylinder OM 936 h erhältlich sein. Zu ­sehen ist der Motor im Citaro G erstmals auf der IAA Nutzfahrzeuge im September dieses Jahres. Der Motor leistet 260 kW (354 PS) aus 7,7 Litern Hubraum und erreicht ein maximales Drehmoment von 1.400 Nm. Und dieser Motor bekommt dann auch das Power-Boost-System (PBS), welches durch eine Drucklufteinblasung den Drehmomentaufbau im unteren Drehzahlbereich verkürzt. Weiterer Vorteil dann, die Kapazität des Gelenkbusses kann um bis zu acht Fahrgäste erhöht werden. Die maximale Fahrgastanzahl von 152 erreichte der Testbus übrigens nur, weil die Achslast der Vorderachse erhöht wurde. Fahren ließ sich der Testbus auf jeden Fall problemlos. Zumal noch das ZF Ecolife Automatikgetriebe verbaut war. Unauffällig, so lässt sich dessen Arbeit mit einem Wort beschreiben. Die Gangwechsel erfolgten extrem geschmeidig, selbst unter Volllast drehte der Motor kaum in hohen Bereichen. Pendelschaltungen waren Fehlanzeige. Überhaupt scheint ZF bei den Automaten derzeit das Maß aller Dinge zu sein. Und auch geräuschseitig spielt das Getriebe in einer eigenen Liga.
© Foto: Sascha Böhnke

Die Sicherheit im Fokus

Viel Wert legt Mercedes-Benz bei seinen Bussen auf das Thema Sicherheit. Da ist die Vorschrift ECE R 66/01. Diese definiert für den Innenraum bei einem Umsturz einen größeren Überlebensraum als bisher. Obwohl die Vorschrift erst 2017 in Kraft tritt, entspricht der Citaro ihr bereits jetzt. Das ist allerdings auch kein Wunder, schließlich wurde das Fahrzeug von Grund auf neu entwickelt, da würde das ­erneute Anfassen des Rohbaus nach nur ­wenigen Jahren keinen Sinn machen. Wie auch beim Solobus basiert der Rohbau der Gelenkvariante auf einer Ringspantentechnik, die man so schon von den stärker gefährdeten Reisebussen kennt. Sie ist sehr steif ausgeführt und soll die Fahrgäste bei einem Seitenaufprall schützen. Statt einem Front Collision Guard im Bug haben die Entwickler dem Citaro ein sogenanntes Crash-Element als Kollisionsschutz spendiert. Das ist eine Struktur, die im Falle eines Zusammenstoßes Energie auf­nehmen kann. Zusätzlich wurden die A-Null-Säulen verstärkt. Als herausragendes Sicherheitsfeature, welches aber mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist, wurde der Citaro Solobus mit ESP ausgerüstet. Über den Sinn von ESP auch beziehungsweise gerade im Linienbus braucht heute nicht mehr diskutiert zu werden. Und so ist es ein wenig schade, dass es den Ingenieuren im Gelenkbus noch nicht gelungen ist, ESP zu integrieren. Dafür aber wurde vieles getan, um den Bereich rund um das Gelenk sicherer zu machen. Ein selbst entwickeltes Steuergerät regelt das notwendige Dämpfmoment im Drehgelenk durch eine Beobachterfunktion. Die sogenannte Knickwinkelsteuerung ließ sich eindrucksvoll auf der Teststrecke der OMNIBUSREVUE auf dem ADAC Fahrsicherheitsgelände im brandenburgischen Linthe erleben. Beim „Wedeln“ mit dem Gelenkbus neigte der Hinterwagen in keinster Weise zum Ausbrechen. Zusammen mit der Antriebsschlupfregelung kann die Fahrstabilität auch in dynamischen Fahrsituationen im Rahmen gewährleistet werden. Für diesen zugegebenermaßen recht hohen Fahrkomfort sorgt auch die Einzelradaufhängung vorn. Dazu kommt noch ein Dämpfersystem an allen Achsen, auch das kennt man bereits vom Reisebus. Ein nettes Detail übrigens sind die beiden Kunststoffkeile, die unter der Front austauschbar angebracht wurden. Sollte der Bus einmal vorn aufsetzen, was ja durchaus vorkommen kann, ist der Unterbau wirkungsvoll geschützt.
© Foto: Daimler

Cockpit um den Fahrer herum entwickelt

Der Fahrer bekommt von all diesen elektronischen, hydraulischen, pneumatischen und mechanischen Helfern kaum etwas mit, er spürt nur, dass alles funktioniert. Er kontrolliert den Bus von seinem Arbeitsplatz, der nach wie vor einzigartig für einen Stadtbus ist. Das Cockpit wurde um den Fahrer herum entwickelt, für ihn, und das spürt man. Auf den ersten Blick besitzt der Citaro sehr viele Schalter und Anzeigen, doch schnell wird klar, ­alles, was man im hektischen Stadtverkehr benötigt und im Blick haben muss, befindet sich an logischen Stellen und wird dargestellt. So ist der Instrumententräger kein reines VDV-Gerät, vielmehr orientiert es sich an den VDV-Richtlinien und erweitert diese sinnvoll an zahlreichen Stellen. Der gesamte Arbeitsplatz wurde angehoben, dadurch sitzt der Fahrer auch den Passagieren gegenüber höher und in einer besseren Position. Der Testbus war zusätzlich mit einer recht großen Trennscheibe ausgestattet. Diese ist die bisher beste Lösung, die zum einen wirksamen Schutz gegen mögliche Übergriffe, gegen Witterungsunbilden oder auch gegen hustende Fahrgäste bietet, auf der anderen Seite aber den Fahrer nicht zu sehr abschottet, wie das bei einer typischen Kabine der Fall ist. Grundsätzlich unterscheidet sich der Arbeitsplatz des Gelenkbusses nicht von dem des Solo­busses. Anders ist höchstens die Tatsache, dass man einen längeren Bereich im Blick haben muss. So sind Kameras zur Innenraumüberwachung gerade im hinteren Teil sinnvoll. Besonders an Haltestellen kommt es zudem darauf an, die Türbereiche gut einsehen zu können. Wenn der Bus nicht gerade geknickt steht, ist das auch kein Problem, es sei denn, man hat, wie es beim Testbus der Fall war, auch an der Tür eins die hauseigene Außenschwenk-Schiebetür verbaut. Ist die offen, sieht man nicht mehr viel im rechten Außenspiegel. Dafür aber sind die Öffnungs- und Schließzeiten angenehm kurz und in Sachen Betriebssicherheit soll die Tür ebenfalls Maßstäbe setzen. (Das konnte von uns aber noch nicht geprüft werden.) Um auch den hinteren Bereich an den Türen sehen zu können, müsste der Fahrer korrekterweise erst Tür eins ­schließen und anschließend nach einem ­Spiegelblick die übrigen. Das Arbeiten mit dem Gelenkbus gestaltet sich ansonsten problemlos. Ob Sitzheizung, ob elektrisch betätigtes Fahrerfenster, ob Ab­lagen, Staufächer und gut einsehbarer Gerätebereich – auch nach mehreren Stunden Stadtverkehr treten keine Ermüdungserscheinungen auf. Im Gegensatz zum Solowagen ist es vorn zudem leiser, kein Wunder, der Motor sitzt weiter hinten. Doch auch die Fahrgäste werden sich kaum über ein zu lautes Innengeräusch beschweren. Die Werte sind ausgezeichnet. Das gilt ebenfalls für das Design im Fahrgastraum. Vieles wirkt durchdacht, so beispielsweise der transluzente Faltenbalg, der nur an den Seiten, etwa in Fensterhöhe, lichtdurchlässig gestaltet ist. Das macht Sinn, denn besonders auf dem Dach neigen Faltenbälge nach einiger Zeit zu hartnäckiger Verschmutzung, die nur aufwendig zu reinigen ist. Gesessen wird auf „City Star Eco“ aus eigener Fertigung von Mercedes-Benz mit Sitz- und Lehnfläche im Bezug „Anello“. Einen sehr eleganten Eindruck vermittelt der Fußbodenbelag. Ob das im Stadtbus jeder sinnvoll findet, ist Ansichtssache, aber für alle Interessierten: Der Belag trägt die Bezeichnung „Gaya Wood“. Insgesamt zeigt der Mercedes-Benz Citaro G, wie der ÖPNV der nächsten Jahre funktionieren wird. (sab)
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