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Irizar i6: Ein Bus will es wissen

21.08.2011 09:32 Uhr
Irizar i6: Ein Bus will es wissen
© Foto: Sascha Böhnke

Mit dem i6 stellt Irizar einen selbstragenden Reisebus vor. Dieser Bus wird vom spanischen Hersteller komplett in Eigenregie gefertigt. Er soll auch den hohen westeuropäischen Anforderungen genügen, wir haben ihn getestet.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da hat der spanische Busaufbauer ­Irizar auf der Busworld in Kortrijk verkündet, sich stärker als bisher auf eigene Füße stellen zu wollen. Das geschah mit der Vorstellung eines PB in Integralbauweise. Ein gewisses Risiko steckt in dieser Tatsache, denn die Partner von Irizar sind echte Schwer­gewichte auf dem europäischen Busmarkt, mit deren Hilfe die findigen Aufbauer aus dem Baskenland eine ja durchaus vorteilhafte Allianz eingegangen waren. Bei uns in Deutschland ist Irizar eine bekannte Größe durch Fahrzeuge wie etwa den Scania PB, den ­Scania Century oder den Scania i4. Mit schwedischer Technik unter dem Aufbau und schwedischer Kompetenz in Sachen Verkauf und Service spielt Scania/Irizar zwar nicht unbedingt in der ersten Liga unter den Importeuren, doch Verkaufszahlen sind durchaus vorhanden. Nun ist erfahrungsgemäß nichts so beständig wie der Wandel, getreu diesem Motto versucht sich Irizar jetzt als eigenständiger Bushersteller. Das dürfte auf dem heimischen Markt durchaus gelingen, ob die Spanier damit aber auch im deutschsprachigen Markt erfolgreich sein ­werden, wird sich zeigen. Denn natürlich ist Irizar hierzulande keine unbekannte Größe – die aber baut sich drohend auf, wenn es eben um genau die sensiblen Themen wie aus­reichend Verkaufsbüros, ausreichend Werkstätten und einen funktionierenden Notdienst geht. Und da steht Irizar derzeit noch ganz am Anfang. Es kommt also darauf an, genau in diesen Bereichen so schnell wie möglich Fuß zu fassen, will man hier erfolgreich sein. Denn es ist schon so mancher ausländischer Bus­hersteller in Deutschland gescheitert, eben weil ihm Kontakte und der Bezug zum sehr eigenen Busmarkt in Deutschland fehlten. Da hilft dann auch schiere Größe und Erfolge in den Heimatmärkten nur sehr bedingt weiter. Als Beispiel lassen sich hier Hersteller aus der Türkei oder auch China nennen. Irizar beschäftigt über 3.100 Mitarbeiter in Werken, die sich in sieben Ländern befinden (Spanien, Brasilien, ­Mexiko, Marokko, China, Indien und Südafrika). Dazu kommen drei Schwestergesellschaften und eine Vertriebspräsenz in über 90 Ländern auf fünf Kontinenten. Hauptsitz des Unternehmens ist der Ort Ormaiztegi (Spanien). Das Unternehmen wurde 1889 gegründet und ist heute Marktführer in Spanien. Jährlich werden rund 4.200 Reisebusse gefertigt. Und das sind sie dann auch, die nicht zu unterschätzende Vorteile, die Irizar in die Waagschale werfen kann. Durch seine langjährigen Erfahrungen und die Zusammenarbeit mit zahlreichen Busherstellern, in deren Auftrag die Spanier produzierten, kennen sie sehr genau die Anforderungen der einzelnen Märkte. Die Gefahr, einen Bus in Deutschland anzu­bieten, der von vornherein keine realistische Chance hätte, lässt sich so minimieren. Genau das ist auch der Grund, weshalb sich ­OMNIBUSREVUE entschlossen hat, den Irizar i6 einem echten Supertest zu unterziehen. Schon in dieser Tatsache offenbart sich ein erster Unterschied zu anderen Herstellern, die es leider kaum schaffen, einen Bus ausgeladen zum Test zu schicken und sich bereits dadurch disqualifizieren. Irizar aber meinte es ernst.
© Foto: Sascha Böhnke

Eigenproduktion in selbsttragender Bauweise

Wer mit dem i6 ein völlig neues Fahrzeug erwartet hat, wird enttäuscht. Was aber nicht tragisch ist, denn der i6 bietet durchdachten Busbau und solides Handwerk. Den entscheidenden Unterschied zum Scania Irizar erkennt man sowieso nicht von außen. Der i6 ist ­nämlich eine komplette Eigenproduktion in selbsttragender Bauweise. Das macht den Bus insgesamt ein wenig stabiler und auch etwas leichter. Stolz ist man auch auf die Tatsache, dass der Bus bereits heute die strenge Überrollnorm ECE R66.01 erfüllt. Zusätzlich verstärkt wurde zudem die Front, die im Falle einer Kollision sowohl Fahrer/Beifahrer, als auch den Unfallgegner schützt. Die Achs-, ­Getriebe- und Motorkomponenten kann Irizar nun frei nach Belieben zusammenstellen, was durchaus Vorteile bietet. Äußerlich erinnert der Bus stark an den PB. Wie dieser ist auch beim i6 das Dach an der Front weit nach unten gezogen. Das sorgt zum einen für einen hohen Wiedererkennungseffekt, zum anderen aber auch wie schon beim PB für eine eingeschränkte Sicht der Fahrgäste nach vorn. ­Sicherlich, man kann nicht alles haben, doch sollte dieses Konzept überdacht werden, wenn der Bus nicht nur für Intercity-Verkehre eingesetzt werden soll. Oder soll er vielleicht genau das? In Deutschland öffnet sich ja gerade der Markt für diesen Bereich. Stichwort: Liberalisierung des Fernlinienverkehrs. Und günstige, moderne Busse könnten gefragt sein. Der i6 will sich nämlich eingereiht sehen in die Riege der „Business-Class“-Busse. Also viel Bus zu einem vernünftigen Preis. 250.000 Euro muss man für den getesteten i6 auf den Tisch legen, das klingt fair – wenn man denn auch ein faires Produkt erhält. Im Test will OMNIBUSREVUE versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Zuvor aber ein Wort zur Variantenvielfalt. Die ist beim i6 nicht unerheblich. Großer Wert wird auf die Modulbauweise gelegt. Es gibt fünf Längen. Der ­kürzeste Bus misst 12.200 Millimeter, ihn haben wir auch getestet. Es folgen Varianten von 12.920, 13.870, 14.590 und 14.980 Millimetern Länge.­ ­Jede Länge wird dabei in zwei unterschiedlichen Höhen angeboten: 3.734 Millimeter und 3.934 Millimeter. Bei den höheren Fahrzeugen gibt es dann deutlich mehr Kofferraum. Ab dem hohen 12,90 Meter-Bus werden drei Achsen verbaut, was schlicht dem Leergewicht geschuldet ist. Sehr edel wirkt die Schwinge hinter der vorderen Einstiegstür. Sie ist verchromt und spiegelt ein gesundes Maß an Selbstvertrauen wieder. Der i6 wirkt gefällig und durchaus wohl-proportioniert. Die Front trägt das typische Irizar-Markengesicht, steckt aber voll zahlreicher Neuerungen. Dazu zählen das serienmäßige Tagfahrlicht oder die serienmäßigen Kurvenscheinwerfer. Auch das ist ein wichtiges Detail in Richtung mehr Sicherheit bei Reisebussen.
© Foto: Sascha Böhnke

Heller, freundlicher Innenraum

Eine Besonderheit, die nicht unerwähnt bleiben soll, betrifft die Türen. Sie funktionieren nämlich elektrisch und stammen vom spanischen Hersteller Masats. Das hat verschiedene Vorteile, einer davon betrifft die Passgenauigkeit beim Schließen, ein weiterer die Zuverlässigkeit. Betritt man den Bus, erwartet einen ein sehr heller, freundlicher Innenraum. Hoffentlich verschmutzt hier nicht alles zu schnell, mag man denken, doch die verwendeten Materialien machen einen soliden, strapazierfähigen Eindruck. Gelungen ist die Integration des vorderen Monitors. Ihn haben die Designer gekonnt in das Dach eingepasst. Gesessen wird auf eigenem Gestühl. Im Testbus war dieses allerdings von der sehr schlichten Sorte. Die gangseitigen Sitze ließen sich nicht ausfahren, auch fehlten Tische an den Rücklehnen. Und unschön war auch die Verarbeitung im Bereich der Armlehnen. Diese wirkten teilweise wie aus dem Werkunterricht einer Schule – bemüht aber nicht professionell. Mit 55 Fahrgastsitzen war der Bus zudem für deutsche Verhältnisse eindeutig zu eng bestuhlt – doch das ist bekanntlich Kundensache und soll hier auch nicht kritisiert werden. ­Unangenehmer ist da schon der Platz des Reise­leiters, den unser Tester in einer solchen Enge noch nie erlebt hat. Eine Lösung lässt sich hier nur konstruktiv ändern – genau das aber soll laut einem Irizar-Vertreter auch geschehen. Der Fahrer hat es da deutlich komfortabler. Sein Arbeitsplatz wirkt geräumig und ebenfalls sehr modern. Allerdings dürften sich Neulinge mit den vielen Schaltern, die teilweise willkürlich angeordnet wirken, etwas schwer tun. Zumal die Beschriftung der Schalter an der linken Seite recht ähnlich ausgefallen ist. Auch nicht so schön ist der Platz des digitalen Tachografen. Er wird nämlich vom Lenkrad und vom Retarderhebel verdeckt, was Bedienung und Beobachtung etwas schwierig ­gestaltet. Aber dafür stimmt der Rest und die Fahrt kann beginnen. Die gestaltet sich sehr komfortabel, denn geschaltet wird per ZF AS-Tronic. Ein manuelles Schaltgetriebe ist laut Irizar nicht vorgesehen – aus ökologischen Gründen – vorbildlich! ­Fahren lässt sich der i6 sehr einfach. Der Schwerpunkt sitzt nicht zu tief und die verbauten Achsen leisten einen guten Dienst. Sie stammen ebenfalls von ZF. Zwar war beim Testbus im Bereich der Vorderachse eine partielle Unruhe zu spüren, doch das lassen wir mal als Problem bei diesem speziellen Fahrzeug durchgehen. Auf dem ADAC-Testgelände leistete sich der Bus keine Schwäche. Im ­Gegenteil: In Disziplinen wie der Bremswegmessung ließ er Mitbewerber mit seinem sehr kurzen Bremsweg teils deutlich hinter, be­ziehungsweise in diesem Fall vor sich zum ­Stehen kommen. Vorbildlich: Der i6 ist serienmäßig mit ESP ausgestattet, in Kürze soll zudem ein Abstandsregeltempomat folgen. Sehr zügig ging es in Sachen Beschleunigung zu, der DAF Paccar Motor schiebt mit über 400 PS aber auch ordentlich. Für uns war übrigens sehr interessant, dass der Irizar i6 den identischen Kraftstrang aufwies, wie ihn beim Test zuvor auch der VDL Futura hatte. Gleiches Getriebe, gleiche Achsen, gleicher Motor. Und wen wundert's: Bei den Verbräuchen nehmen sich beide Kandidaten nichts. Der Durchschnittsverbrauch betrug bei beiden Fahrzeugen recht exakt 29 Liter auf 100 Kilometer. (plus 4 bis 6 Prozent AdBlue) Der Unterschied war: Beim Futura war es recht frisch mit ­Dauerregen und viel Wind, beim i6 regnete es zwar nicht, dafür lief die Klimaanlage.
© Foto: Sascha Böhnke

LED-Lichter im Mittelgang, schließbare Gepäckfächer

Ein Reisebus ist tags und in der Nacht unterwegs – wie schlägt sich der Probant in dieser Disziplin? Recht gut, denn die Xenon-Scheinwerfer leuchten den Bereich vor dem Fahrzeug gut aus, geht es um die Ecke, hilft das Kurvenlicht. Die übrigen Lampen sind vorwiegend in LED-Technik verbaut, das gilt auch für den Innenbereich. Hier weisen LED-Leuchtbänder am Mittelgang den Weg und eben­solche helfen in Kopfhöhe, den gesamten Fahrgastraum ­inklusive Gepäckfächer zu erhellen. Letztere sind übrigens vorbildlich mit sauber schließenden Klappen versehen. Einen kleinen ­Wermutstropfen gibt es aber auch beim Licht: Die Mittelgangbeleuchtung spiegelt sich sehr unschön in der Frontscheibe, das kann für den Fahrer zum echten Ärgernis werden. Dafür aber wird dieser spätestens beim Koffer-Ausladen entschädigt, denn beim i6 braucht man sich nicht mit schweren Kofferraumklappen abzuplackern, diese schließen – wie bei spanischen Aufbauherstellern ohnehin üblich – per Knopfdruck bequem vom Cockpit aus. Alles in allem ist der Irizar i6 ein ordentliches Fahrzeug. Gelegentlich spürt man die spanische Leichtigkeit, mit der gewisse Probleme einfach gelöst – oder eben auch nicht gelöst werden. Doch insgesamt macht der „Neue“ seine ­Sache gut. Jetzt muss nur noch die Eine-Million-­Euro-Frage gelöst werden: Wie schafft es ­Irizar, seinen Bus bei uns nicht nur bekannt zu machen, sondern auch einen funktionierenden Sales- und After-Sales-Bereich zu ­etablieren? Denn so exotisch, wie mancher vermuten mag, ist dieser Bus gar nicht. Im Gegenteil, in ihm steckt die gesammelte Erfahrung namhafter Zulieferer, der Wissensschatz eines erfahrenen Herstellers und zahllose Jahre, in denen man Kunden in der halben Welt ­studieren konnte. Und genau deswegen wäre es einfach schade, diesen Bus „nur“ in Süd­westeuropa fahren zu sehen. Unser Urteil: Dass sich Irizar mit seinem i6 auf den recht harten deutschen Test-Markt gewagt hat, das verdient Respekt. Doch das Engagement hat sich gelohnt, denn wir können diesem Fahrzeug jede Menge Potenzial bescheinigen. Natürlich steckt der Teufel wie so oft im Detail, doch alle festgestellten Mängel lassen sich mit relativ vertretbarem Aufwand beheben. Uns gefiel besonders die Kraftstrang-Kombination und das damit verbundene sehr gutmütige und auch sichere Fahrverhalten. Übermäßig viele Innovationen finden sich beim i6 zwar nicht, doch der Bus ist eine sehr ehrliche Angelegenheit. Auch in Sachen Verarbeitungsqualität haben sich die Spanier weiterentwickelt, auch wenn es gelegentlich noch im Gebälk ächzt. Wenn es nun noch gelingt, den hiesigen Markt mit einer Sales-Organisation zu erreichen, dann steht auch bei uns diesem Bus eine rollende Zukunft bevor. (sab)
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