MAN Pure Diesel. Selbstbewusst schreibt sich der Bushersteller diese drei Worte in unübersehbar großen Lettern auf seinen derzeit saubersten Stadtbus mit konventioneller Antriebstechnik. Nur Diesel, sonst nichts. Das kann als kleiner Seitenhieb auf die Mitbewerber verstanden werden, soll es wohl auch. Denn MAN kommt auch bei der EEV-Version seines Stadtbusmotors D 2066 ohne Additive aus. Darauf sind die MANler so stolz, dass sie den Bus noch einmal auf große Testfahrt schicken. Die OMNIBUSREVUE nutzte das Fahrzeug, um ihre neue Teststrecke im Berliner Stadtzentrum einzuweihen. Der Start ist am Bahnhof Zoo, dem Omnibus-Bahnhof der Stadt schlechthin. Dann zieht sich die Strecke entlang der legendären Linie 100 bis zum Alexanderplatz, um von dort aus den Spuren der Linie 200 in Richtung nordöstliche Stadtgebiete zu folgen. Insgesamt keine leichte Strecke. Unzählige Stopps, verursacht durch Ampeln, Haltestellen im 100-Meter-Takt und dichter Verkehr lassen recht hohe Verbräuche erahnen. Doch der Lion’s City EEV schlägt sich in der Sprit-Disziplin tapfer und kann letztlich mit knapp 50 Litern Durchschnittsverbrauch einen passablen Wert vorlegen. Man darf gespannt sein, auf welche Verbräuche die Mitbewerber im Laufe der Zeit kommen werden.
Angetrieben wurde der Testwagen von einem MAN D 2066 LUH Common Rail. Der Abgasstandard EEV des im Heck links liegend angeordneten Motors wird erreicht durch Abgasrückführung, doppelte Turboaufladung und elektronisch überwachtem CRTec-Partikelfiltersystem. Geboten werden Leistungen von 280, 320 und 360 PS. Der große EEV-Motor folgt bei MAN einer konsequenten Entwicklung. Seit Anfang 2007 sind für den Stadtbusbereich die kleinvolumigen Motoren der Baureihe MAN D08 Common Rail als 260 PS starke EEV-Version für den MAN Lion’s City mit stehendem D08-Motor, sowie für das Low-Entry-Modell MAN Lion’s City T, verfügbar. Seit Ende 2007 auch der liegende MAN D20 Common Rail mit 10,5 Litern Hubraum in Leistungsstufen von 280 bis 360 PS, was jeweils 10 PS über den Euro-4-Varianten liegt.
Die neuen MAN D 20 Vierventil-Motoren sind deutlich kompakter als ihre Vorgänger. Sie verfügen über einen einheitlichen Hubraum von 10.518 Kubikzentimeter. Mit der erhöhten spezifischen Leistung arbeiten die Aggregate trotz höherer maximaler Drehmomente wesentlich wirtschaftlicher und emissionsärmer, da sie in Richtung vollkommener Verbrennung optimiert sind. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das Thema Gewicht, denn im Vergleich zum Vorgänger-Motor D2866 werden bis zu 100 Kilogramm Gewicht gespart. Dass Hubraum nicht das Maß aller Dinge ist, zeigt die Leistungscharakteristik der D20-Common-Rail-Motoren. Verantwortlich dafür sind die auf über 180 bar erhöhten Verbrennungsdrücke. Dadurch stimmen die Drehmomentkurven besser als bisher und die Drehzahlen können bei gleichen oder sogar noch besseren Leistungen minimiert werden.
Dass die Motoren auch in der Praxis funktionieren, zeigte auch eindrucksvoll der Test. Der Testwagen kam mit der kleinsten Motorisierung vorgefahren, welche sich aber als völlig ausreichend darstellte. Schnelle Sprints im hektischen Berliner Berufsverkehr waren ebenso drin wie dynamische Beschleunigungsfahrten, um beispielsweise in Berlin vermehrt auftretende Radfahrer auf Busspuren überholen zu können. Das klappt deswegen so gut, weil die Motoren bereits knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl ihre Leistung entfalten können, schon bei 1.500 Kurbelwellen-Umdrehungen in der Minute kann der Fahrer die volle Motorleistung abfordern, das maximale Drehmoment steht über ein breites Drehzahlband von 1.000 bis 1.400 Umdrehungen zur Verfügung. Die Nennleistung wird im Gegensatz zu den Lkw-Motoren im Bus bereits bei 1.700 1/min (270/280 PS: 1.900 1/min) erreicht, was für frühen Antritt und spontane Leistungsbereitschaft spricht.
Die MAN EEV-Motoren verfügen über den elektronisch geregelten Partikelfilter CRTec, der bis zu 99 Prozent der Partikel aus dem Abgas filtert. Darüber hinaus kommen weitere innermotorische Maßnahmen wie zum Beispiel eine zweistufige Abgasturboaufladung mit Zwischenkühlung zum Einsatz, um die geforderten NOx-Werte der Euro-5-Norm beziehungsweise des EEV-Standards zu erreichen.
Neben aller Motoren-Euphorie soll aber auch der Rest des Busses nicht zu kurz kommen. Bereits 2004, als der Lion’s City aufgehübscht wurde, gefielen die harmonischen Linien im Außenbereich, die einen MAN-Stadtbus zwar immer noch als nüchternes Stadtmöbel, dennoch versehen mit einem Pfiff Charme ausstatten. Mit einem Standard-Linienbus der 70er oder 80er Jahre jedenfalls hat der neue Lion’s City nichts mehr zu tun. Deutlich wird das an der Frontpartie, deren einteilige Verbundglas-Scheibe mit integrierter Fahrtzielanzeige bis weit ins Dach hochgezogen ist. Gleichzeitig wurde sie optisch nach unten vergrößert, was zusammen mit der abgerundeten Frontklappen- und Scheinwerfergestaltung für ein leichtes Auftreten sorgt. Praktisch: Der gesamte Bug ist zur größeren Reparaturfreundlichkeit in vier Segmente unterteilt. Unterhalb der Frontscheibe gibt es kein Verkleidungsbauteil mehr, das über die gesamte Breite des Fahrzeuges läuft. Die Seitenansicht wird von den großen, hochgezogenen Scheiben geprägt, die ebenfalls bis ins Dach hineinreichen und leicht nach innen gebogen sind. Auch das betont das neue optische Selbstbewusstsein. Auch das Heck setzt klare Akzente und erinnert an die MAN-Reisebusse. Neben der ins Dach hochgezogenen Heckscheibe mit integriertem Nummernkasten, dritter Bremsleuchte und oberen Markierungslichtern fallen die geschwungenen Linien und die großflächigen Heckleuchten in Klarglastechnik ins Auge, die in die Motorraumklappe hinein vergrößert werden.
Helle und freundliche Farben sind hier optimal aufeinander abgestimmt und harmonieren mit den abgerundeten Formen von Haltestangen und der durchgehenden Decke. Die seitenwandbefestigten Sitze sorgen für eine hohe Reinigungsfreundlichkeit des Innenraumes sogar bis hin zu den Längsbänken im Heck – ein Novum im Busbau. Wenn allerdings ein Busbetreiber den Innenraum eher dunkel gestaltet, wie es beispielsweise bei den Berliner Verkehrsbetrieben der Fall ist, dann nützt auch die beste Idee nichts, dann wirkt ein Bus dunkel und ein wenig kühl. Ausgezeichnet gelungen auch der Fahrerarbeitsplatz. Das Cockpit ist kein VDV-Produkt, sondern eine MAN-Entwicklung. Die ist bei MAN mittlerweile fast Standard und das ist auch gut so. Denn auch ohne Einheitsnorm dürfte sich jeder Neuling schnell zurechtfinden. Zudem ist auch hier die gesamte Cockpit-Einheit verstellbar. Neu sind die hochwertigen, serienmäßigen Außenspiegel mit reisebusähnlichem Design und Weitwinkelgläsern sowie ein angepasster Innenspiegel. Besonders der rechte Aussenspiegel gefällt gut, denn im Falle einer Berührung mit einem Passanten oder einem zu weit am Fahrbahnrand stehenden Hindernis klappt dieser einfach um. Das funktionierte im Selbstversuch übrigens ausgezeichnet.
Dazu sind die Niederflurfahrzeuge der Lion‘s-City-Familie serienmäßig mit korrosionshemmender KTL-Tauchlackierung versehen. Hierzu wurde im MAN-Rohbauwerk Starachovice mit einer Investition von rund zehn Millionen Euro eine der modernsten KTL-Anlagen Europas errichtet.
Keine Überraschungen gab es in Sachen Fahrverhalten. Den Handlingparcours auf dem ADAC-Fahrsicherheitsgelände in Linthe im Süden von Berlin meisterte der Bus erwartungsgemäß sehr gut. Ein Grund für die stabile Straßenlage ist sicherlich auch der tiefe Schwerpunkt. Dass der Bus nicht mit Einzelradaufhängung vorn ausgestattet ist, spürt man, besonders kurze und schräg verlaufende Bodenunebenheiten werden etwas störrisch quittiert. Dafür konnte das Voith-Automatikgetriebe überzeugen, es wirkte in jeder Fahrsituation optimal abgestimmt. Insgesamt gefiel der MAN Lion’s City EEV aufgrund seiner zahlreichen verbauten innovativen Komponenten. Zahlreiche Busbetreiber wird es freuen, ohne Harnstoff auszukommen, nun muss nur das AGR-System zeigen, dass es in Sachen Wartungsarmut hält, was versprochen wurde.
Fazit: Es ist ein Bus, der nicht nur in den Hauptstädten dieser Welt ein zu Hause finden sollte.