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Setra S 415 NF: Hauptstadt-Fahrten

26.07.2007 15:38 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

Dieser Bus zeigt echte Größe. Nicht etwa, weil er sich vors Brandenburger Tor traut – sondern weil er ein Bus mit jeder Menge innovativer Technik ist. Beim Hauptstadttest konnte der S 415 NF zeigen, dass er mit dem Berliner Pflaster zurechtkommt.

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Vor etwas mehr als zehn Jahren, 1996, erhielt der Setra S 315 NF den begehrten Titel „Bus of the Year 1996“. Ein Titel, der noch nie leicht zu erreichen war, im Falle des Setra aber verdient war, schon damals überzeugte die Jury die technische Ausgereiftheit und das zukunfts- weisende Konzept des Fahrzeuges. Die Einschätzung der Fachjournalisten sollte sich bestätigen, bis zu seiner Einstellung konnten über 23.000 Busse der gesamten Baureihe 300 und 3.100 der Baureihe NF an den Kunden gebracht werden. Genau zehn Jahre später, nämlich auf der IAA Nutzfahrzeuge 2006 in Hannover, feierte dann der Setra S 415 NF seine Weltpremiere. Damit war die Baureihe 400 endlich komplett. Mitte Juni 2007 gab es ein weiteres Jubiläum, die OMNIBUSREVUE schickte mit dem S 415 NF den ersten Bus auf die neue Überland-Teststrecke. Wie schon die Teststrecke der Reisebusse, startet auch diese in Berlin. Auf wohl Deutschlands heißestem Omnibusparcours musste der gutmütige Schwabe beweisen, dass er mit dem teilweise ruppigen Pflaster keine Probleme hat. Die Fahrt begann am Alexanderplatz, führte über verschlungene Linien-Pfade in die Märkische Schweiz, deren idyllisches Panorama nicht über die stellenweise extrem schlechten Straßen hinweg- täuschen konnte und führte schließlich über den Berliner Ring wieder in das pulsierende Zentrum der Hauptstadt zurück. Um es vorwegzunehmen: Der Verbrauch konnte sich sehen lassen. Rund 30 l auf 100 km sind für einen typischen Stadt-/Überlandeinsatz ein passabler Wert. Und darauf kommt es gerade beim Linienbus an. Der S 415 NF profitiert von seiner technischen Partnerschaft mit dem Mercedes-Benz Citaro. Denn von ihm steckt eine ganze Menge unter dem Setra-Kleid. Entsprechend hat sich auch in den Maßen einiges geändert. Mit 2.705 mm sind die Überhänge der MultiClass 400 im vorderen Bereich größer als bei den Vorgängermodellen, der Radstand ist mit 5.845 mm etwas geringer. Und auch der Wendekreis konnte mit 20,83 m gegenüber der Baureihe 300 reduziert werden. Zum Vergleich: Der S 315 NF hatte einen Wendekreis von 21,56 m. Der Böschungswinkel der 400er-Serie beträgt 730 Grad;. Mit der serienmäßigen 100-Prozent-Bereifung in der Größe 11 R 22,5 liegt die Antrittshöhe im Bereich der Tür 1 bei 360 mm und bei Tür 2 bei 380 mm. Das sind Spitzenwerte. Auch in Sachen Gewicht macht der neue NF eine gute Figur. Dazu hat eine Verringerung der Scheibenstärke sowie eine neue gewichtsoptimierte Vorderachse beigetragen. Eine halbe Tonne, also 500 kg ist der S 415 NF leichter als sein Vorgänger. Beim Fahrverhalten setzt der Bus Maßstäbe.

Hauptstadt-Farten: der S 415 NF

Hauptstadt-Farten: der S 415 NF Bildergalerie

Spurrillen machen dem Bus nichts aus

Durch seine Einzelradaufhängung, die Achsen werden von ZF geliefert, liegt das Fahrzeug satt auf der Straße. Spurrillen machen dem Bus nichts aus, das Lenkrad vermittelt in so gut wie jeder Situation einen direkten Kontakt zur Straße ohne je nervöse Zuckungen zu bekommen. Und auch die Fahrgäste dürften sich sanft gewiegt zum Ziel chauffiert fühlen. Einen nicht unerheblichen Anteil an dem für einen Linienbus außergewöhnlichen Federungs- und Rollkomfort haben die 100-Prozent-Reifen. Sie sind größer als beim Citaro, der im Gegensatz zum Setra aber auch wesentlich stärker auf einen reinen Stadteinsatz hin getrimmt wurde. Die Federung ist zwar straff, aber dennoch mit einem Touch Reisebusabstimmung eingestellt. Es gibt nur wenige Situationen, in denen dem Fahrer mulmig werden könnte. Dann nämlich, wenn lange Bodenwellen dem Bus das Aufschaukeln beibringen, kommt der NF etwas ins Nicken. Doch wohlgemerkt, wir haben das bei einem voll beladenen Bus festgestellt. Verwindungen oder ächzende Verdrehungen bei extremen Fahrsituationen sucht man beim NF vergeblich. Kein Wunder, das Rohbau-Gerippe basiert auf dem Ringspanten-Prinzip. Dabei werden quer zur Fahrtrichtung umlaufende Rohre durch Längsträger miteinander verbunden. Diese Technik erhöht die Torsionssteifigkeit des Fahrzeugkörpers. Das Rohbau-Gerippe der MultiClass 400-Fahrzeuge ist durch die kathodische Tauchlackierung vor Korro¬sion geschützt. Doch nicht nur die inneren Werte, auch das Design hat sich der modernen Zeit angepasst. Der S 415 NF zeichnet sich durch fließende Übergänge und eine dynamische Linienführung aus. Die weit nach unten gezogene Panorama-Frontscheibe wird vom typischen Setra-Gesicht aufgefangen. Dazu kommt ein Novum: Wegen reduzierter Toleranzen im Gerippebau konnte bei der Frontscheibe auf Gummileisten als Umrahmung verzichtet werden. Das Ergebnis ist eine hohe Glattflächigkeit rund um den Fahrzeugkörper. Eine große Rolle beim neuen Niederflurbus spielte die Praktikabilität. Stoßecken, Stoßfänger und Scheinwerfer sind ohne Hilfsmittel aufklappbar und so für die Wartung gut zugänglich. Die Gestaltung des Heckbereiches mit der gekrümmten Heckscheibe sowie den geschwungenen Leuchteneinheiten bietet viel Platz für großflächige Beschriftungen. Die Stoßfänger sind nach unten abklappbar. Die Fahrtzielanzeigen sind an allen Seiten in die Scheiben integriert und die Markierungsleuchten entlang der Seitenwände dank LED-Technik rundum gut sichtbar. Und der NF wäre kein echter Setra, wenn er nicht irgendwo auch eine Art „La Linea“ hätte. Im Falle unseres Testkandidaten ist es das aus Aluminium gefertigte Designelement, das auf der rechten Fahrzeugseite über dem Radlauf in die Linienführung eingebettet wurde. Angetrieben wurde der Testbus von einem liegend eingebauten Sechszylinder-Reihenmotor MB OM 457 hLA mit einer Leistung von 220 kW/299 PS (max. Drehmoment 1.250 Nm). Das entspricht der Serienausstattung. In unserem Fall erfüllt der Motor auch die Abgasnorm Euro 5. Optional kann man eine Variante mit 260 kW/354 PS bei einem maximalen Drehmoment von 1.600 Nm ordern. Zudem haben die Busunternehmer die Möglichkeit, sich für den Mercedes-Benz-Motor OM 906 mit 210 kW/285 PS bei 1.120 Nm zu entscheiden. In Serie werden die neuen Fahrzeuge mit dem Voith-Diwa-864.3-Automatik-Getriebe oder als Sonderausstattung mit dem ZF-Zwölfgang-HP-Automatik-Getriebe mit integriertem Retarder ausgerüstet. Das Tankvolumen wurde von 254 auf 350 l erhöht, die Kraftstoffbehälter sind von beiden Fahrzeugseiten aus betankbar. Der 45 l fassende „AdBlue“-Tank befindet sich unmittelbar neben dem Tank auf der rechten Fahrzeugseite. Das Elektronische Bremssystem EBS ist in den NF-Modellen mit ABS serienmäßig sowie mit der Antriebs-Schlupf-Regelung ASR erhältlich. Leider aber sucht man auch beim NF das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP vergeblich.

Sanfte Linienführung im Innenraum

Die Fahrgäste erwartet ein rundum runderneuerter Innenraum. Durch die sanfte Linienführung im Innenraum kann man gut vom Alltag abschalten, wenngleich die Sitze allzu lange Fahrten ausschließen. Der zweiachsige S 415 NF verfügt in der zweitürigen Version über 42 Sitz- und 40 Stehplätze. Die Anzahl der Stehplätze hängt dabei natürlich von der gewählten Ausstattungsvariante ab, zu der unter anderem auch eine Kommunikationsecke im Heckbereich, eine Vis-à-vis-Bestuhlung sowie ein Rollstuhlplatz gehören können. In den Niederflur-Versionen wird der „Transit“-Fahrgastsitz verbaut, der speziell für die Busse der MultiClass 400 entwickelt wurde. Der gewichtsreduzierte und robuste Fahrgastsitz ist in mehreren Varianten lieferbar, so zum Beispiel mit Antivandalismusschale, und erleichtert durch seinen geschwungenen Stuhlfuß den Ein- und Ausstieg zum Mittelgang hin. Der wird zudem unterstützt, da die Sitze auf Podesten angebracht sind. Insgesamt wirkt der Fahrgastraum zwar klar und sachlich, ohne dabei aber auf eine freundliche Atmosphäre zu verzichten. Die Sicht der Fahrgäste nach außen lässt keine Wünsche offen, lediglich nach vorn stört konzeptbedingt der integrierte Zielkasten die Sicht für stehende, hochgewachsene Fahrgäste. In Sachen Verarbeitung kann sich der Setra sehen beziehungsweise hören lassen. Man hört nämlich selbst auf Schlechtwegstrecken kein Klappern, Quietschen oder Poltern. Wenn sich diese Passgenauigkeit auch noch nach zwei Jahren hartem Linieneinsatz bestätigt, dann dürfte Setra mal wieder zeigen, wo der Hammer hängt. Kaum Wünsche offen lässt auch der Fahrerarbeitsplatz. Dieser wurde in eine Art Kabine integriert. Die Bedienteile sind gut erreichbar und die Verstellmöglichkeiten von Lenkrad und Armaturen sind gut, was aber auch kein Wunder ist, schließlich verbaut Setra den VDV-Arbeitsplatz. So langsam aber wird es Zeit, den rundzuerneuern. Dieser versprüht immer noch den Charme der 80er Jahre. Praktisch kann auch gut aussehen, das zeigen die Hersteller mittlerweile mit eigenen Cockpits. Der Spiegel für die Fahrgastbeobachtung wurde oben im Bug integriert. Das sieht gut aus, der Spiegel an sich ist aber etwas klein geraten. Dafür zeugen die Ablagemöglichkeiten für einen Linienbus von echter Größe. Man merkt, der S 415 NF wurde von Reisebusprofis entwickelt. Fahrertaschen, Fundsachen, Notgeräte und Feuerlöscher können in großräumigen Staufächern untergebracht werden. Zudem ist der Fahrerarbeitsplatz mit Becherhalter und Kühlfach versehen. In der Trennwand zwischen Fahrer und Fahrgästen befindet sich das Elektrikfach, in dem Sicherungs- und Relaisplätze eingebaut sind. Gut gefallen hat die Funktionsweise der beiden Außentüren. Lieferbar sind pneumatisch betätigte Außenschwingtüren, die sich ohne Heben und Senken öffnen und schließen, sowie elektrisch gesteuerte Schwenkschiebetüren und Innenschwingtüren. Besonders beeindruckt hat uns während der Testfahrt die elektrische Außenschwenkschiebetür vorn, die mit extrem kurzen Öffnungs- und Schließzeiten das Herz jedes in Eile befindlichen Busfahrers höher schlagen lassen dürfte. Für einen kühlen Kopf auch in stressigen Stadtsituationen sorgt die 32 kW starke Klimaanlage mit bürstenlosem Verdampfergebläse, die auf dem Fahrzeugdach über der Vorderachse aufgesetzt ist. Diese Basisanlage soll hohe Filterstandzeiten garantieren und besitzt einen seitlichen Servicezugang. Ein eigener Hauptluftkanal und zusätzliche Fensterluftkanäle an den Seiten sorgen für eine optimale Luftverteilung und ein zugfreies Klima. Optional steht den Busunternehmern für Einsätze in heißen südeuropäischen Ländern ab diesem Jahr eine Klimaanlage mit 39 kW Leistung zur Verfügung. Für Wärme sorgen Bodenheizgeräte mit Doppelradialgebläsen sowie eine leistungsstarke Frontbox. Für die Be- und Entlüftung stehen vier Klappfenster und ein leistungsstarker Dachlüfter sowie in die Dachverkleidung integrierte, elektrisch betätigte Dachluken zur Verfügung.

Fazit

Der Setra S 415 NF hat während seiner Testfahrt gezeigt, dass er in der Lage sein dürfte, die hohen Ansprüche von Unternehmern, Fahrern und natürlich Fahrgästen zu erfüllen. Erfreulich auch, wie souverän sich der Bus auf Langstrecken verhielt. Im Anschluss an die Testfahrt ergab sich die Möglichkeit, den Bus auf rund 700 Autobahnkilometern zu erleben. Das Einzige, was dem Fahrer zu seinem Glück fehlte, war ein Tempomat, zugegeben, ein für Linienbusse eher untypisches Ausstattungsmerkmal. Dafür überzeugte der Motor mit einer unglaublichen Laufruhe, den ruhigen Achsen und relativ geringen Windgeräuschen. Trotz der kleinsten Motorisierung machte der beladene NF auch an Steigungen des Mittelgebirges eine mehr als gute Figur und musste sich nie hinter Lkw verstecken.
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