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Supertest Zhongtong Sunny City: Ende der Schonzeit

26.06.2012 16:20 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

„Der deutsche Generalvertreter des Stadtbusses Zhongtong Sunny City, die ZT Bus AG, wollte es ganz genau wissen: Wie kann sich der preisgünstige Wagen im Rahmen unseres strengen Supertests behaupten? Ist dieser Bus auch geeignet für den harten Betriebsalltag einer Großstadt oder entpuppt er sich bei genauer Betrachtung als Blender?

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Der sieht ja richtig chic aus! Ach, der wird in China gebaut?" Solche Sätze hörten wir vor Kurzem häufiger, als wir mit dem Zhongtong Sunny City in der Niederflurvariante in Berlin unterwegs waren. Zum Stadtbustest gehört es nämlich auch, die Haltestellen vorbildgerecht anzufahren. Gut, der Bus war nicht gelb, doch den Berliner Fahrgast störte das nicht weiter, er wäre eingestiegen, wenn er denn gedurft hätte. Durfte er aber nicht, schließlich war das Fahrzeug bereits gut gefüllt – mit Sandsäcken, die eine realistische Beladung simulierten und damit das Fahrverhalten unter Last. Dennoch, das Interesse war da. Kein Wunder: Was die Optik angeht, macht der Bus eine gute Figur. Große, glattflächige Seitenscheiben, natürlich doppelverglast, dazu eine modern wirkende Front mit schmal geschnittenen Scheinwerfern und in Wagenfarbe lackierten Außenspiegeln. Den großflächigen Front-Eindruck stört nur ein wenig der Bereich der Matrix-Anzeige, die etwas aufgesetzt und zerklüftet wirkt, obwohl sie integriert ist. Einen Herstellerhinweis in Form eines Logos oder Namens gibt es zwar, doch wer sich nicht auskennt, würde wahrscheinlich nicht drauf kommen, wer dahinter steckt. Einen chinesischen Hersteller allerdings würde wohl kaum jemand vermuten.

Das gilt auch beim Betreten des Fahrgastraumes. Hier dominieren klare Strukturen und ein heller Gesamteindruck. Zwar vermisst man die teilweise raffinierten Haltestangenkonstruktionen renommierter Bushersteller, schlimm ist das aber nicht, denn auch eine konventionelle Anordnung funktioniert. Dafür besitzen die für einen Linienbus durchaus bequemen Sitze in ihren Rückenlehnen durchsichtige Felder, in die sich Werbung einlegen lässt. Gut gefallen haben uns auch die integrierten Kopfschoner. Insgesamt betrachtet würde der Innenraum des Zhongtong zwar keinen Designpreis gewinnen, er ist aber durchaus praxisgerecht und letztlich ist es genau das, was zählt. Das gilt im übrigen auch für die Türsteuerung. Wer beim Sunny eine aufwändige Konstruktion neuester Bauart sucht, wird nicht fündig. Die konventionellen Innenschwenktüren werden per einfacher Druckluft-Kontaktsteuerung betätigt, was zugegebenermaßen nicht mehr ganz up to date ist, aber auch hier gilt: Das Ganze funktioniert tadellos. Die Öffnungs- und Schließzeiten sind außerordentlich kurz, Störungen, etwa an Steigungen, traten während des Tests nicht auf. Etwa 300 Mal betä­tigten wir die Türen. Von innen sind die Führungen der Türen frei sichtbar. „Wir zeigen, was wir haben", erklärt der Importeur, nun ja, es stört nicht, man ist den Anblick einer freiliegenden Türführung hierzulande halt nicht mehr gewohnt. Aber wie schrieben wir weiter vorn in Sachen Designpreis ...

Daran sollten sich potenzielle Sunny City-Käufer ohnehin gewöhnen, an eine teilweise sehr robuste und nicht immer 100-prozentig professionelle Ausführung bestimmter Details. Als Beispiel sei an dieser Stelle die derzeitige Betankungs-Lösung beschrieben. Es gibt zwar hinter der Hinterachse eine entsprechende Tankklappe, wer die öffnet, blickt aber erst einmal in ein recht tiefes Loch, bis sich dann irgendwann die Schraubklappe des Tankstutzens zeigt. Hier ist eine Arbeitskombi Pflicht, sonst ist der weiße Hemdsärmel schwarz. Natürlich lässt sich die gesamte Seitenklappe hochklappen, doch wer möchte schon stets in gebückter Haltung tanken? Viel einfacher wäre eine Verlängerung des gesamten Tankstutzens – und das soll laut Importeur auch bei den nächsten Bussen erfolgen. Gleich auf die ganze Tankklappe an der Seite hat der Hersteller beim AdBlue-Behälter verzichtet. Hier kommt man um ein Öffnen der kompletten Seitenklappe nicht umhin. Das funktioniert natürlich, bei einem häufigen AdBlue-Nachtanken ist das aber nicht schön.


Zhongtong Sunny City NF

Zhongtong Sunny City NF Bildergalerie

© Foto: Sascha Böhnke

Das Getriebe ZF Eco-Life wird serienmäßig angeboten

Dafür aber überrascht der Zhongtong Sunny City bei anderen Blicken hinter die Kulissen. Wird nämlich die Frontklappe geöffnet, erkennt man in Bodennähe einen massiven Stahlträger, der sich quer über die gesamte Fahrzeugbreite erstreckt. Damit wird deutlich, dieser Bus schützt den Fahrer und alle, die sich vor der Vorderachse befinden, im Falle eines Unfalls durch seine sehr massiven Strukturen. Und was auch eine gute Idee ist: Der Scheibenwischermotor ist ebenfalls durch die geöffnete Frontklappe gut zu erreichen. Vielfach gelingt das heutzutage ansonsten nur durch eine fast vollständige Entfernung der Innenverkleidung vorn. Öffnet man die Motorraumklappe, ist man erst einmal überrascht, wie viel Platz hier herrscht. Nichts wirkt eng und verbaut, an sämtliche Aggregate scheint man gut heranzukommen. Der Motor selbst hat keinen großen Platz­bedarf. Es handelt sich hierbei um einen ­„kleinen“ Cummins mit einem Hubraum von knapp sieben Litern. Daraus schöpft das Aggregat aber 285 Pferdestärken, im normalen Stadtverkehr reichen die völlig aus. Auch beladen machte der Bus einen agilen Eindruck. Sowohl beim Anfahren aus den Haltestellen, als auch beim zügigen Mitschwimmen im Verkehr gerät der Bus nie an seine Grenzen. Dazu trägt mit Sicherheit auch das verwendete ­Getriebe bei. An Bord des Sunny City NF überraschte uns nämlich das ZF Eco-Life. Die Kraftstrang-Abstimmung empfanden wir als sehr gelungen. Die Schaltungen erfolgten butterweich, was sowohl für Beschleunigungs- als auch Verzögerungsfahrten gilt. Das Interessante an der ganzen Sache ist zudem: Das ZF-Getriebe wird serienmäßig angeboten! Zeit also, an dieser Stelle auf den Fahrzeugpreis einzugehen. Der beträgt nämlich in Euro-5-Version knapp 160.000 Euro. Dafür gibt es neben dem topaktuellen Getriebe auch auf Wunsch einen VDV-Arbeitsplatz der neuesten Generation mit farbigem Zentraldisplay, eine vollautomatische Feuerlöscheinrichtung im Motorraum (die ist zwar chinesischer Bauart, soll aber auch funktionieren), zahlreiche Überwachungskameras mit automatischer Aufzeichnung auf eine Festplatte, eine Art Flottenmanagement mit Übertragung sämtlicher relevanter Fahrzeugdaten per GPRS/EDGE an das eigene Büro, sämtliche Matrix-Anzeigen und und und. Für dieses Geld bekommt man bei uns normalerweise noch nicht mal ein einfachst konfiguriertes Basisfahrzeug. Aber, und auch das soll nicht verschwiegen werden, man erhält hierzulande in der Regel ein rundum sauber abgestimmtes Fahrzeug. Und da ist bei Zhongtong noch nicht alles in Ordnung. So fiel uns nicht erst bei diesem Bus auf, dass das Fahrzeug im Stand zu einem unangenehmen Vibrieren/Schütteln mit entsprechend unerfreulicher sonorer Geräuschentwicklung neigt. Hier ist Nachbessern gefordert. Das gilt auch – zumindest beim Testbus – für die Bremsen. Der Bremsweg von 24,7 Metern aus Tempo 60 km/h geht zwar in Ordnung. Leider aber neigte der Bus bei der Vollbremsung dazu, recht stark nach links zu ziehen. Dagegen konnte die Straßenlage voll überzeugen. Auf der Lkw-Kreisbahn machte der Bus sogar jenseits der 50 km/h eine gute Figur, bei anderen Bussen hatten wir hier längst das Gefühl, gleich im Kiesbett zu landen. Das ist umso bemerkenswerter, als der Zhongtong Sunny vorn lediglich über eine Starrachse verfügt. Die Abstimmung von Fahrwerk/Federung/Aufbau jedenfalls ist gelungen. Das ließ sich auch im Rahmen der Pylonengassen-Übung erfahren. Ohne langsamer zu werden, lässt sich der Parcours ­problemlos mit Tempo 40 km/h durchfahren. Das einzige, was auffiel, als Fahrer muss man recht viel Lenkradarbeit leisten.
© Foto: Sascha Böhnke

Fahrerarbeitsplatz: Den Chauffeur erwartet teils Bekanntes, teils Ungewohntes

Womit das Thema Fahrerarbeitsplatz erreicht wäre. Den Fahrer erwartet teils Bekanntes, teils Ungewohntes. Die Sicht in die Außenspiegel ist gut, aber nicht perfekt. Besonders die Rampenspiegel vermitteln kein eindeutiges Bild. Dafür kostet ein kompletter Ersatz-Spiegelarm unter 300 Euro. Das ist eine Ansage! Auf Wunsch und ohne Aufpreis gibt es einen VDV-Arbeitsplatz der ­neuesten Generation. Und damit bleiben, was die Bedien-Grundfunktionen angeht, kaum Wünsche offen. Geht man dann etwas in die Tiefe, wird es ein wenig unübersichtlicher. Denn die Schalteranordnung für Licht et cetera finden wir beim Zhongtong-eigenen Cockpit besser gelöst. In der VDV-Variante kann der Eindruck entstehen, hier hat sich der Hersteller dort Platz verschafft, wo gerade etwas frei war und Schalter und Bediengruppen ein wenig lieblos um den Fahrer herum verteilt. Es gibt zwar vieles, was praktisch ist, so etwa die in ausreichendem Maße vorhandenen Ablagen für große und kleine Utensilien, aber auch ­einiges, was unfertig wirkt. Dazu zählen die Einpassungen von Radio, digitalem Tacho, Matrix-Kontroll-Paneele, aber auch die un­günstige Anordnung einiger Anzeigen. So hat eine Temperatur-Überwachungsanzeige des Motorraums fast auf Fußraumhöhe nichts verloren, sie gehört ins zentrale Sichtfeld des Fahrers. Und gar nicht gefallen haben uns die teilweise nachlässig ausgeführten Aussparun­gen im Bereich des Fahrerarbeitsplatzes. ­Sicherlich sind solche Dinge nicht lebensnotwendig, doch der deutsche Buskunde – und damit sind sowohl der Unternehmer, als auch der Fahrer gemeint, ist nun mal unglaublich verwöhnt. Da fallen Ungereimtheiten sofort auf. Der günstige Preis ist das eine – ein ernstzunehmender Mitbewerber aber wird erst draus, wenn es der Hersteller schafft, dafür auch einen tadellosen Bus auf die Räder zu stellen.
© Foto: Sascha Böhnke

Urteil: Viel Potenzial, aber auch Optimierungsbedarf

Die Zutaten für dieses Erfolgsrezept sind beim Zhongtong Sunny City ohne Frage vorhanden. Wobei wir einen ganz entscheidenden Punkt noch gar nicht erwähnt haben: den ­Verbrauch. Auf unserer harten Berliner Teststrecke erzielte der Bus nämlich den bisher geringsten Verbrauch in allen Abschnitten seit Beginn unserer Aufzeichnungen dort. Ins­gesamt betrug der Durchschnittsverbrauch unglaublich geringe 45 Liter auf 100 Kilometern. Einen der Bestwerte bisher fuhr beispielsweise der Citaro EEV ein, der mit 48,8 Litern auf 100 Kilometer und einer vergleichbaren Motorengröße auch schon nicht schlecht dastand. Beim Zhongtong aber scheint die Kombina­tion Cummins-Motor, Achsunter­setzung und Getriebe eine perfekte Ehe ein­gegangen zu sein. Und genau so etwas kann dann unter Umständen die eigene Kauf­entscheidung beeinflussen. Heute mehr denn je. Damit aber Zhongtong – auf dem chinesischen Markt ohne Frage einer der ganz großen Bus­hersteller – auch bei uns nennenswert zum Zug beziehungsweise zum Bus kommen kann, ist noch etwas Arbeit gefordert. Grundsätzlich aber zählt der Bus zu den Kandidaten, die es mit der richtigen Vertriebsmannschaft, den richtigen Ideen, mit einem funktionierenden Service und beim Einsatz des nötigen technischen Sachverstands auch in Deutschland schaffen könnten, nicht nur Einzelerfolge zu verzeichnen. Denn wer sich intensiver mit dem Fahrzeug beschäftigt, entdeckt immer wieder spannende Details, zu denen beispielsweise auch der KTL-Korrosionsschutz zählt. Insgesamt also ist der Zhongtong Sunny City NF schon heute ein Bus, der seine Berechtigung hat, der viel mehr ist als ein Blender. Schon heute stellt das Fahrzeug ehrlichen Busbau dar, wo nichts geschönt wird, manches zum Schmunzeln ist, prinzipiell aber funk­tioniert – und dort, wo es drauf ankommt, besser, als man erwartet hätte. Unser Urteil: Wenn ein Bus zum Supertest kommt, kann sich der Hersteller auf etwas gefasst machen. Denn dann müssen die sprichwörtlichen Hosen heruntergelassen werden. Entsprechend deutlich ist unser Urteil, welches dem Zhongtong Sunny City NF viel Potenzial bescheinigt, einen hohen wirtschaftlichen Faktor, aber auch einiges an Optimierungsarbeit aufzeigt. Erst wenn alle Punkte eine funktionierende Einheit bilden, kann das der Beginn einer wunderbaren Geschichte werden. Die Vergangenheit hat Beispiele in positiver wie auch negativer Richtung gezeigt. Der Weg dazwischen ist verdammt schmal. Wir glauben auch nach diesem Test noch, dass es Zhongtong schaffen kann, nicht nur im eigenen Land eine große Nummer zu werden. Mit der ZT Bus AG haben die Chinesen zumindest schon mal einen Partner, der weiß, was der deutsche Busunternehmer will. (sab)
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