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Tourismo und Sprinter Travel: Stern im Doppelpack

25.09.2011 17:42 Uhr
Tourismo und Sprinter Travel: Stern im Doppelpack
© Foto: Sascha Böhnke

Diese Busse besetzen spannende Bereiche: Der Mercedes-Benz Tourismo bedient das Segment der „Business-Class“ wie kaum ein anderer und ist ein echter Bestseller bei den wirtschaftlichen Reisebussen. Der Sprinter Travel 65 aus gleichem Haus agiert in einem Bereich, in dem ein brutaler Preiskampf herrscht. Aber: Mit ihm sollte man rechnen.

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Das gab es bei der OMNIBUSREVUE noch nie: Zum ersten Mal haben wir zwei auf den ersten Blick völlig unter­schiedliche Konzepte gemeinsam auf ­unsere anspruchsvolle Teststrecke geschickt. Beide Kandidaten mussten sich sowohl auf der ADAC-Teststrecke im brandenburgischen Linthe den identischen Prüfungen stellen, als auch nacheinander die 600 Kilometer lange Route meistern. Auf der einen Seite der Mercedes-Benz Tourismo – der Bestseller unter den wirtschaftlichen Reisebussen in Europa. Auf der anderen Seite der Mercedes-Benz Sprinter ­Travel 65, ein Bus für gerade mal 15 Fahrgäste, der aber eine anspruchsvolle Kundschaft bedienen will. Beide Fahrzeuge zählen zu den ganz wichtigen Vertretern ihrer jeweiligen Segmente, beide Fahrzeuge erheben den Anspruch, sowohl technisch als auch wirtschaftlich eine tragende Rolle innezuhaben. War der Tourismo früher ein Bus, den sich der Unternehmer kaufte, weil er unbedingt einen Bus mit Stern im Fuhrpark haben wollte, das Geld für den Travego aber nicht unbedingt reichte, ist das Fahrzeug heute so beliebt wie kaum ein zweites. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass wir uns in wirtschaftlich schwierigen, beziehungsweise unsicheren Zeiten befinden. Da wird genau geschaut, wohin der wertvolle Euro gegeben wird. Der neue Tourismo kam genau zur richtigen Zeit. Feinste Technik – bezahlbar, und dazu ein After-Sales-Netz, quasi mit doppeltem Boden. Die Minibus-Fraktion wiederum erlebt schon seit Jahren einen Aufstieg, der nach wie vor anhält. Das liegt keineswegs daran, dass sich die Unternehmer keine „Großen“ mehr leisten können, sie rechnen heute nur anders, genauso übrigens, wie ihre Kunden auch. So werden die Gruppen­größen immer kleiner, die Ansprüche an eine Fahrt aber auch immer größer. Ein Abteilungsausflug mit zwölf Personen in einem 12-Meter-Bus findet kaum noch Gefallen. Wer eine S-Klasse im Firmenfuhrpark hat, will auch auf Reisen individuell angesprochen werden. Ob das ein Sprinter zu leisten vermag, wird unser Test hier zeigen. Wir wagen den Spagat.
© Foto: Sascha Böhnke

Tourismo unscheinbar, Sprinter auffällig

Äußerlich kommt der Tourismo recht unscheinbar vorgefahren. Er ist ein typischer Vertreter seiner Art: nett, aber nicht gedacht für einen bleibenden Eindruck. Keine imposanten Scheibenkonstruktionen sorgen für hängenbleibende Blicke, kein forsches Tagfahrlicht signalisiert seine Ankunft. Er ist ein Bus, der zwar modern wirkt, den man aber durchaus auch übersehen kann. Beim Sprinter Travel 65 ist das ein wenig anders. Einen Sprinter kennen alle – Stichwort Transporterschwemme allerorten. Doch einen solch edlen Vertreter seiner Art bekommt der Allgemeinbürger nicht sehr häufig zu Gesicht. Riesige, aber von außen undurchdringliche Scheiben signalisieren: Hier kommt etwas ganz Besonderes. Betritt man den Sprinter, heißt es zwar nicht unbedingt „Kopf einziehen“, denn die Stehhöhe ist üppig bemessen, dennoch ist und bleibt der Travel 65 ein Minibus. Gut gefallen haben uns die extrem niedrigen Trittstufen hinein an Bord. Die Einstiegsbreite beträgt 750 Millimeter, das geht in Ordnung. Weniger schön ist der recht schmale Mittelgang. Das hat seinen Grund unter anderem in den zwar sehr ergonomischen, aber mit 450 Millimetern eben doch recht breiten ­Travel Star Xtra-Sitzen. Die stammen nämlich aus den großen Baureihen. Zwar bietet der Travel 65 rund zehn Zentimeter mehr Platz im Innenraum als sein preiswerterer Transfer-Kollege (eine aufwändige Gerippekonstruktion machts möglich), doch Bequemlichkeit hat halt ihren Preis. Gesessen wird auf Podesten, den Boden ziert ein schicker Belag in Schiffs-Optik. Was aber auffällt: Die Sicht nach außen entpuppt sich als äußerliche Mogelpackung, denn die innere Fensterbrüstung fängt recht weit oben an. Und auch der Blick nach vorn entschädigt nicht wirklich, dafür kann aber der Sprinter nichts, das hat schlicht und einfach mit dem Grundkonzept zu tun. In der ersten Sitzreihe vermissten wir Dreipunktgurte und auch die rechte Sitzreihe verspricht durch ihre Einzelsitze mehr, als sie tatsächlich halten kann: Der Sitzabstand ist mal eben 170 Millimeter geringer als in der linken Reihe. Grund ist der Kühlschrank direkt hinter der Einstiegstür. Hier heißt es also aufpassen, wohin man die Chefetage platziert. Insgesamt aber überwiegen die positiven Aspekte. Der Travel 65 schafft es durchaus, eine sehr edle und professionelle Grundstimmung im Inneren zu produzieren. Als Fahrgast zweiter Klasse muss sich niemand fühlen. Im Gegenteil: Diesem Sprinter haftet der Hauch von Luxus im Kleinen an.
© Foto: Sascha Böhnke

Rundum funktionierender Arbeitsplatz im Tourismo

Der Tourismo wird über einige hochdeckerübliche Trittstufen vorn und in der Mitte betreten. Der Innenraum wirkt sehr hell und freundlich, toll harmonieren die hellen Leder-Kopfteile der Travel Star Xtra-Sitze (TSX), die ja der neuesten Sitzgeneration entstammen, mit der Wand- und Deckenverkleidung. Und wenn auch mit dem Tourismo in erster Linie Geld verdient werden soll, ein wenig Luxus darf schon sein, auch wenn er optischer Art ist. Der Fußbodenbelag kommt nämlich im Yachtdesign „Harmonia Ship Tropical“ daher. Der Testwagen hatte 49 Fahrgastsitze verbaut. Damit wird klar, bei einer Fahrzeuglänge von zwölf Metern darf auch hier kein Wunder in Sachen Beinfreiheit erwartet werden – Drei-Sterne-Abstand eben. Dafür gibt es an Bord ein WC und eine vollwertige Podestküche, im Sprinter beides Fehlanzeige. Den Fahrer erwartet im Tourismo ein rundum funktionierender Arbeitsplatz. Den gibt es ja auch schon ein Weilchen und eventuelle Kinderkrankheiten sind längst ausgeräumt. Stauräume sind ausreichend vorhanden, die Spiegelsicht ist sehr gut und alle Schalter sind da, wo man sie vermutet und man sie gut sehen kann. Allerdings macht die Weiterentwicklung auch im Busbereich nicht Halt, und wer in Kürze auf der Busworld in Kortrijk schon die zweite Generation des Travego-Farbdisplays erleben wird, dürfte angesichts der grün-grauen Monochromanzeige im Tourismo etwas wehmütig werden. Dafür war das Editionsmodell mit der sensationell guten Schaltung Powershift und dem passenden Getriebe GO 240-8 ausgestattet. Mit diesem Getriebe kann sich der Fahrer komplett auf das Fahren konzentrieren, ohne auch nur noch einen Gedanken an das Schalten zu verschwenden. Das gilt auch für bergige Auf- und Ab-Etappen. Der Fahrerarbeitsplatz im Sprinter ist auch nicht schlecht. Aber er ist eben nicht so gut, wie der im Tourismo. Ein vollwertiger Reisebus ist doch noch mal eine andere Hausnummer. Das wird zum Beispiel beim Blick auf die Instrumente deutlich. Viel kleiner als beim Tourismo und auch die busspezifischen Anbauten wollen nicht so recht ins fertige Sprinter-Cockpit passen. So passierte es während der Testfahrt immer wieder, dass wir versehentlich mit gezogenem Retarderhebel fuhren, die rote Warnlampe dafür wurde nämlich vom Lenkrad verdeckt. Der aufmerksame Leser dürfte hier aber auch feststellen: Weit her kann es dann ja mit der Retarderleistung nicht sein – stimmt. Das gilt auch für die Stauräume, die sind eher für einen Pkw-Betrieb ausgelegt. Fährt man Transporter, hat man ja noch den Beifahrersitz, den gibt es hier natürlich nicht. Im Travel 65 ist ein vollwertiger Reiseleitersitz verbaut. Auf den gelangt man aber nur nach kräftigem Tritt auf die Entriegelung und dann auch nur mit ein wenig Akrobatik. Doch eigentlich will man dort gar nicht sitzen. Selten haben wir einen derart engen Begleitsitz erlebt, wie in diesem Bus. Hier sollten sich die Techniker eine bessere Lösung einfallen lassen.
© Foto: Sascha Böhnke

14 Liter verbrauchte der Sprinter im Gesamt-Durchschnitt

Entschädigt wird der kritische Bustester aber von der Motor-Getriebe-Kombination. Im Testfahrzeug war die große Maschine verbaut, die 190 PS aus einem V6-Diesel schöpft. Die Gangwechsel werden vollautomatisch mit einem Wandlergetriebe erledigt – und das ­äußerst souverän. Die schier unendlichen Kraftreserven werden deutlich beim Start aus dem Stand, der Sprinter zieht mit einer Leidenschaft an, die man nur dem eigenen Pkw zugetraut hätte. Obwohl im Bus das große Aggregat verbaut war, lag der Gesamt-Durchschittsverbrauch am Ende der Testrunde bei gerade einmal knapp 14 Litern. Das ist nicht einmal die Hälfte dessen, was sich der Tourismo auf der gleichen Route genehmigte, und bei dem kommt noch das Ad Blue dazu. Nun mag der eine oder andere anmerken, man solle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Doch! Denn auch ein Sprinter in Reisebusausführung wird beileibe nicht nur im Stadtrundfahrtdienst genutzt. Heute ist es längst gang und gäbe, mit solchen Minis quer durch ­Europa zu rauschen. Gerade bei kleinen Gruppengrößen ist ein Minderverbrauch um die Hälfte eine mehr als deutliche Ansage. Fahr- und sicherheitstechnisch können beide Busse glänzen. Beide besitzen serienmäßig ESP und einen Bremsassistenten. Das Fahrwerk des Tourismo hat uns schon in früheren Tests überzeugt und auch das des Sprinters weiß zu gefallen. Die Hinterachse wurde mit einer Luftfederung ausgestattet, ein wenig hart ist es dennoch auf holprigen Passagen im Heck. Das ESP ändert seinen Regelbereich je nach Ausladung, das ist eine gute Sache, für den Einsatz als Bus könnte man den Schwellwert, an dem es anspricht, ruhig etwas konservativer einstellen. So haben wir wieder einmal selbst auf der Kreisbahn den Fuß bei zirka Tempo 55 km/h vom Gas genommen, bevor die Systeme eingriffen. Kein gutes Gefühl. Ein klassischer Reisebus mit zwölf Metern Länge regelt ja bekanntermaßen bei Tempo 40 gnadenlos ab. Und das ist gut so. Was wir nicht so gut finden, ist die Tatsache, dass ART oder ABA nicht im Tourismo vorgesehen sind. Diese wichtigen aktiven Sicherheitssysteme bleiben dem Travego vorbehalten oder einer durchaus vergleichbaren ComfortClass der Schwestermarke Setra. Insgesamt bleibt am Ende der Fahrt mit beiden Bussen ein sehr gutes Gefühl. Wer sich mit solchen Fahrzeugen umgibt, ist auf der sicheren Seite. Denn Mercedes-Benz kann mit einer Tatsache punkten, mit der sich so mancher Anbieter preiswerter Alternativen bei uns extrem schwer tut: einem funktionierenden, allumfassenden Service. Und das ist in diesem Sektor Gold wert. Unser Urteil: Wie soll man zwei derart unterschiedliche Fahrzeuge zusammen testen und gemeinsam bewerten? Kann das funktionieren? Es kann, denn für sich genommen, bedient jeder Bus zwar unterschiedliche Kundenansprüche, was die Gruppen- beziehungsweise Fahrzeuganforderungen angeht, in Sachen Anspruch aber darf ein Sprinter nicht hinter einem „Großen“ zurückstehen. Fahrgast zweiter Wahl will niemand sein. Und tatsächlich – kleine Busse haben durchaus das Zeug, mit Exklusivität und Individualismus zu punkten. Der Sprinter Travel 65 erfüllt diese Dinge fast auf ganzer Länge mit Bravour. Der Test des Tourismo hat zudem wieder einmal verdeutlicht, weshalb dieser Bus so erfolgreich unterwegs ist. Der Anschaffungspreis kann der Grund nicht sein, den unterbieten viele in dieser Kategorie, doch das stimmige Gesamtpaket lässt sich so leicht nicht kopieren. (sab)
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