Die Bundesregierung soll sich in den anstehenden Verhandlungen im Europäischen Rat für eine „technologieneutrale Regelung mit Anerkennung erneuerbarer Kraftstoffe einsetzen, um effektiveren und schnelleren Klimaschutz im Verkehrssektor zu ermöglichen“, fordern mehrere Verbände aus dem Güter- und Personenverkehr– unter anderem der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) – in einem offenen Brief.
Das Schreiben ist an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Bundesumweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Ministerpräsidenten der Länder sowie an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages adressiert. Der Brief wurde von Verbänden sowie Vertretern der Nutzfahrzeugindustrie und Logistikunternehmen unterzeichnet, die somit in dieser Frage eine breite Allianz bilden.
In ihrem Schreiben betonen die Unterzeichner die Bedeutung einer „technologieneutralen Ausgestaltung“ der Verordnung (EU) 2019/1242 über CO2-Emissionsstandards für neue schwere Nutzfahrzeuge, im Zuge der laufenden Überarbeitung. Hierbei gehe es beim sogenannten „Carbon-Correction-Factor“ (CCF) darum, dass CO2-Fahrzeuggrenzwerte angerechnet werden sollen, wenn der Sprit durch Beimischung von CO2-ärmeren Kraftstoffen weniger Treibhausgase verursacht. Bislang ist das noch nicht so. So weist der bdo darauf hin, dass „selbst wenn ab morgen alle Busse mit 50prozentigem Biodiesel führen, fände das bei den Flottengrenzwerten keine Berücksichtigung“.
Branche fordert eine technologieneutrale Regelung
Das Transportaufkommen im Güter- und Personenverkehr wird laut der Gleitenden Langfrist-Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums weiter steigen. Dies werde trotz laufender Effizienzsteigerungen bei den Fahrzeugen und trotz Bündelung der Verkehre, aufgrund der überwiegend fossil betriebenen Bestandsflotte, zu einem Anstieg der CO2-Emissionen führen, heißt es weiter. Daher führe „einzig eine technologieneutrale Ausgestaltung der CO2-Regulierung für neue schwere Nutzfahrzeuge zu einem wirksamen Klimaschutz“. Erneuerbare Kraftstoffe würden bereits heute einen erheblichen Beitrag zur Reduktion verkehrsbedingter CO2-Emissionen leisten und müssten daher Berücksichtigung finden.
Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission zu CO2-Emissionsstandards für schwere Nutzfahrzeuge konterkariere dies jedoch. Der Kommissionsvorschlag für neue schwere Nutzfahrzeuge sei „nicht technologieneutral“, so die Kritik und führe zu einer „technologischen Festlegung auf batterieelektrische- und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie Wasserstoffmotoren“. Der Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe werde nicht berücksichtigt und „letztlich bestraft“. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor würden dadurch unabhängig von der Antriebsenergie benachteiligt.
Appell an die Bundesregierung
„Diese technologische Festlegung schränkt die Möglichkeiten von Speditionen, Transport- sowie Busunternehmen ein, durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe wie Bio-LNG, eLNG, Bio-CNG, HVO100, B100 und auch künftig strombasierte synthetische Kraftstoffe Nutzfahrzeuge klimaneutral bzw. emissionsarm zu betreiben“, heißt es in dem Schreiben.
Damit erneuerbare Kraftstoffe ihre entscheidende Rolle bei der Transformation des Nutzfahrzeugsektors spielen können, muss das für die CO2-Regulierung notwendige Fahrzeug-Emissionsberechnungstool mit dem Namen „VECTO“ um einen technologieneutralen Kraftstofffaktor ergänzt werden. Derzeit arbeite das VECTO-Tool unter der Annahme, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. „Dies entspricht jedoch nicht der Realität in Europa“, so die Nutzfahrzeugbranche. Eine Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Emissions-Reduktionsbeitrag dieser Kraftstoffe wird als Carbon-Correction-Factor bezeichnet. In der aktuell vorliegenden Position der Bundesregierung zum Regelungsvorschlag werden erneuerbare Kraftstoffe nicht berücksichtigt.
„Wir appellieren daher an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene aktiv für die Einführung eines Carbon-Correction-Factors in die Regelung der CO2-Emissionsstandards für schwere Nutzfahrzeuge einzusetzen“, so die in dem Schreiben formulierte Forderung.