„Wir könnten eigentlich doppelt so viel Leistungen fahren, wie wir derzeit durchführen“, sagt Josef Ettenhuber. Der Busunternehmer aus dem Großraum München beschäftigt 250 Fahrer, aktuell fehlen ihm 40. Deswegen hat deswegen schon Schülerverkehre gekündigt, um das knappe Personal für Buslinien im ÖPNV freizustellen.
So wie ihm geht es auch den anderen Teilnehmern am virutellen Roundtable-Gespräch der OMNIBUSREVUE. Anja Hackenberg und Günther Cermak vom oberpfälzische Busunternehmen Cermak mussten aufgrund des Mangels bereits Anfragen im Schienenersatzverkehr ablehnen. Man stopfe immer ein Loch, bevor sich woanders gleich ein neues auftue, berichtet die Co-Geschäftsfüherin Anja Hackenberg. Fünf bis zehn Fahrer würden sie bei Cermak gern noch einstellen, wenn der Bewerbermarkt es hergeben würde.Das entspricht einem Bedarf von rund etwas zehn bis 15 Prozent - gemessen an der aktuellen Mannschaft von rund 60 Fahrerinnen und Fahrern, die das oberpfälzische Busunternehmen schon für sich gewinnen konnte.
Bei großen Unternehmen wie der ESWE Verkehr, die in Wiesbaden mit 300 Stadtbussen und rund 750 Fahrern den ÖPNV betreibt, fällt der Mangel in absoluten Zahlen noch gravierender aus: Täglich fehlen etwa 50 Fahrer, mit Blick auf Wachstumsprognosen und den neuen Nahverkehrsplan, der jetzt zur Fortschreibung ansteht, werden zukünftig insgesamt eher gut 1.000 Fahrerinnen und Fahrer benötigt werden. „An und für sich sind wir ein wachsender Markt, also mit guten Zukunftsperspektiven“, sagt Dr. Martin Pächer, Geschäftsbereichsleiter Busbetrieb bei ESWE Verkehr. mit Blick auf die Verkehrswende. „Aber wir erleben zurzeit genau das Gegenteil: dass wir diesem Wachstumsauftrag nicht gerecht werden können und unsere Leistungen sogar zurückfahren müssen.“ Auch LBO-Geschäftsführer Stephan Rabl ist davon überzeugt, „dass die Busbranche wirklich goldenen Zeiten entgegengeht“, wenn man sie lasse. Aber man lässt sie nicht, dabei sind die Probleme seit Jahren sichtbar und spitzen sich immer weiter zu.
Busunternehmen werden zu Dienstleister ihrer Fahrer
Dabei leisten die Busunternehmen bereits so viel, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren: Sie schaffen Wohnraum, werden zu Vermietern und Wohnungsvermittlern für ihr Personal, unterstüzten bei der Einkommenssteuererklärung, bei Bankangelegenheiten und helfen bei sprachlichen Barrieren. Ettenhuber hat zum Beispiel im teurern Großraum München, den angespanntesten und teuersten Wohnungsmarkt der Republik, Wohnungen für 48 Busfahrer gebaut und zusätzlich noch Wohnraum für sie angemietet. Und dennoch reicht es nicht. Zu viele Stellen bleiben unbesetzt.
Viele Faktoren bremsen die Busunternehmen aus: Da ist zum einen der teure Busführerschein. der günstiger werden muss, wie alle Diskussionsteilnehmer finden. Außerdem solle die Busfahrer-Ausbildung wie andere Qualifizierungsmaßnahmen von der Arbeitsagentur bezahlt werden. Dann das geringe Ansehen des Beruf wegen der Schicht-und Wochenendarbeit. Und Gefahr von Aggressionen und Übergriffen gegenüber dem Fahrpersonal in Linienbussen, die Pächer erwähnt. Dies schrecke nicht nur Bewerber ab, sondern erschwere auch den Arbeitsalltag der bereits angestellten Fahrer auf psychischer Ebene.
Demografischer Wandel als tickende Zeitbombe
Hinzu kommt noch der demografische Wandel, der zur Folge hat, dass weniger junge Leute auf den Arbeitsmarkt kommen, als Ruheständler ausscheiden. Dieser Effekt wird sich in den nächsten Jahren noch massiver als heute bemerkbar machen und den Mangel noch zusätzlich verstärken. Bei ESWE liegt das Durchschnittsalter schon jenseits von 50 Jahren. Anja Hackenberg schätzt es bei sich im Betrieb auf 45 bis 50 Jahre, aber die langjährigen Fahrer und Fahrerinnen würden immer älter. Für die Branche wird der demografische Wandel zu einer tickenden Zeitbombe. Es bleiben nur noch wenige Jahre, um dem daraus resultierenden Fahrermangel entgegenzuwirken.
Einen ausführlichen Nachbericht zur Gesprächsrunde der OMNIBUSREVUE lesen Sie in Ausgabe 11-12/22, die am 17. November erscheint.