Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr im April 2023 in München als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses auf der Donnersbergerbrücke in Richtung Aidenbachstraße. Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein Pkw kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführen musste.
Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem Amtsgericht München verklagte er den Fahrer des überholenden Pkw sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Das Gericht wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten Pkw-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des Pkw-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. So führte das Gericht aus: „[Jeder] Fahrgast [ist] verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen, vergleiche § 14 Abs. 3 Nummer 4 BOKraft. Die Vorschrift dient dem Schutz der Fahrgäste. Sie will sie insbesondere davor bewahren, dass sie bei Gefahrenbremsungen zu Fall kommen und sich verletzen […]. Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein.“
Video der Businnenkamera
Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Video der Businnenkamera, die Aufnahmen hätten gezeigt, dass „der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte.“ Die Stabilisierung mit der linken Hand sei „zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley bietet keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen ist. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte“, heißt es weiter.
Dies zeige sich auch daran, dass „keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich beispielsweise die ältere Dame, welche einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz“.
So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass „er sich nicht hingesetzt hat“, führte das Gericht aus. „Wie auf dem Video zu sehen ist, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete.“ Es handele sich zudem auch „nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden muss. Hinzu kommt, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ungenügenden Halt verschaffte“.