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Leitfaden: So gelingt die Elektrifizierung von Busflotten für KMU

15.06.2023 09:15 Uhr
Elektrobusse
Das private Busunternehmen Scharf Omnibus + Reisebüro aus Fraunberg hat bereits Elektrobusse angeschafft und umfassende Erfahrungen gesammelt, die in die Studie des LBO eingeflossen sind
© Foto: Scharf Busreisen

Private Busunternehmen im ÖPNV können sich nicht mit kommunalen Verkehrsbetrieben vergleichen. Das gilt umso mehr bei der Elektrifizierung des Fuhrparks. Und für keine Flotte gibt es eine Blaupause für die Umstellung auf Elektrobusse. Dennoch führt auch für mittelständische Busunternehmen kein Weg daran vorbei. Ein Leitfaden des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) speziell für KMU soll sie dabei unterstützen. Wer diese 12 wichtigen To-dos berücksichtigt, tut sich leichter.

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Ein Jahr lang, von Anfang April 2022 bis Ende März 2023, hat VDE Renewables im Auftrag des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) vier private Busunternehmen in Bayern befragt, deren Betriebshöfe inspiziert und so die Gegebenheiten und Bedürfnisse für die Umstellung auf Elektrobusse identifiziert. Daraus ist der erste Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entstanden, der nicht nur bayerische Busunternehmen im ländlichen Raum, sondern auch bundesweit bei der Transformation unterstützen kann. Und die wird angesichts der Komplexität deutlich länger dauern als das eine Jahr, das die Durchführung der Studie in Anspruch genommen hat.  Doch das soll nicht demotivieren, sondern Ansporn sein, die Transformation anzugehen. Schließlich geht es um keine geringere Frage als die, wie der eigene Betriebshof für die nächsten 20 Jahre aufgestellt werden soll.

Auch wenn es keine Blaupause für mittelständische Busunternehmen gibt, wie sie ihren Fuhrpark elektrifizieren, konnten anhand der Analyse der vier LBO-Mitgliedsbetriebe Aschenbrenner Bustouristik in Viechtach, Scharf Omnibus + Reisebüro in Fraunberg, Schütz Reisen in Kulmbach und Stempfl in Ingolstadt die wichtigsten Handlungsempfehlungen für die Umstellung auf batterieelektrische Busse und Brennstoffzellenfahrzeuge abgeleitet werden. Wegen des in Deutschland stark dominierenden Anteils der BEV von 86 Prozent soll sich im Folgenden auf diese beschränkt werden.

Da der Fuhrpark sukzessive umgestellt wird, empfehlen die Studienmacher, bei der Umsetzung mit den einfachen und kürzeren Linien zu beginnen.

Anschaffung von Elektrobussen - welche?

Hier steht zunächst die Entscheidung an: Depotlader oder Gelegenheitslader – oder als Sonderform davon Pulslader, bei denen der Energiespeicher auch an jeder Haltestelle kurz mit einer sehr hohen Ladeleistung von 450 kW und mehr nachgeladen wird. Auch eine Mischform mit Depot- und Gelegenheitsladern ist laut Studienmachern als Betriebskonzept denkbar.

Bei Depotladern wird die Batterie zu Zeiten aufgeladen, in denen das Fahrzeug länger auf dem Betriebshof steht – sie haben im Vergleich zu den Gelegenheitsladern oder neudeutsch „Opportunity Charger“, die aufgrund ihrer geringeren Batteriekapazität mehrere Nachladungen über den Tag benötigen, eine relativ große Reichweite. Ihre Ladeinfrastruktur muss ausschließlich am Betriebshof errichtet werden.

Dadurch, dass Gelegenheitslader idealerweise während der Wendezeiten oder Fahrerpausen an Endhaltestellen oder am Betriebshof nachgeladen werden, hat dieser begrenzte Zeitslot zur Folge, dass innerhalb kurzer Zeit große Energiemengen übertragen werden müssen – Ladeleistungen bis zu 450 kW werden benötigt. Die Studienmacher weisen darauf hin, dass die Ladepunkte räumlich nah genug aneinander sein müssen, um flexibel auf Ausfälle oder Reichweitenprobleme reagieren zu können.

Um gegenseitige Behinderungen zu vermeiden, sollen an einer außerhalb aufgestellten Ladestation nicht mehr als vier bis fünf Batteriebusse betrieben werden, wie eine Untersuchung des Fraunhofer IVI ergeben hat.

Energiebereitstellung und Energiemanagement

Rechtzeitig vor der Anschaffung von Elektrobussen müssen sich Busunternehmen mit der Energiebereitstellung und dem Energiemanagement beschäftigen. Eine Energieanalyse, bei der neben Faktoren wie die Fahrzeuggröße und die Passagierauslastung auch die Wetterbedingungen, die Fahrcharakteristik – zum Beispiel die Geschwindigkeit – oder lokale Gegebenheiten wie die Topografie oder Absenkungen an Haltestellen mit einbezogen werden, hilft dabei, den Gesamtenergiebedarf zu ermitteln, bei dem auch die Nebenverbraucher zu berücksichtigen sind.

VDE Renewables rät dazu, einen Tag im Winter mit hoher Verkehrslast in die Kalkulation mit aufzunehmen, um den Energiebedarf eines Umlaufs zu bestimmen. Alternativ könne auch mit kürzeren Einsatz- und verlängerten Standzeiten kalkuliert werden, um eine Nachladung zwischen den Fahrten zu ermöglichen.

In Regionen mit kalten Wintern sollten Busunternehmen ihren Energiebedarf besonders sorgfältig kalkulieren: Zwischen 20 und 66 Prozent mehr Strom gegenüber dem Jahresdurchschnitt benötigt ein elektrisch beheizter Zwölf-Meter-Solobus je nach Umgebungstemperatur. Optional können auch Wärmepumpen eingebaut werden.

Mehrbedarf durch Leistungsverluste einplanen

Auch Leistungsverluste sind  bei der Energieplanung mit einzukalkulieren, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Die Studienmacher weisen darauf hin, dass allein die Ladeinfrastruktur bei der Wandlung von Wechsel- auf Gleichstrom zum Laden der Batterie Effizienzverluste von sechs bis zehn Prozent aufweist. Insgesamt ist mit einem Mehrbedarf von 22 bis 36 Prozent zu rechnen.

Netzbetreiber in die Planungen des E-Betriebshofes miteinbeziehen

Weil meist ein Anschluss des Betriebshofes an das Mittelspannungsnetz über Transformatoren – üblicherweise 10 oder 20 kV – notwendig ist, sollten Busunternehmer frühzeitig den Netzbetreiber in die Planungen mit einbeziehen. Auch das ist nicht trivial: Einerseits sollte der Transformator nicht zu klein ausfallen, um eine Erweiterung der Ladeinfrastruktur und einen damit verbundenen Energiemehrbedarf im Vorfeld mit einzukalkulieren, andererseits sollte er nicht zu groß gewählt werden, weil dadurch ebenfalls die Standby-Leistungsaufnahme steigt – und damit die Stromkosten in die Höhe gehen.

Lademanagement, Monitoring-Systeme und Dispositionssoftware

Mit Monitoring-Systemen kann der Ladevorgang in Echtzeit überwacht werden, wodurch Fehler frühzeitig erkannt werden können. Mit einem IT-gestützten Lademanagement lassen sich die Ladevorgänge optimieren. In Echtzeit ermittelt es die entstehenden Lasten und verteilt die verfügbare Leistung optimal auf die an­geschlossenen Fahrzeuge. Bei langen Standzeiten von Bussen werden deren Ladevorgänge zum Beispiel in Zeiten mit geringer Belastung verschoben.

Auch eine Dispositionssoftware ist unerlässlich: Sie unterstützt den Disponenten bei der Fahrzeugauswahl durch eine intelligente Streckenplanung, um die Reichweiten zu optimieren. An einem sehr kalten Wintertag schlägt das System automatisch einen Bus mit höherer Reichweite vor.

Organisatorischen Abläufe prüfen

Ebenso die organisatorischen Abläufe kommen mit Blick auf die Ladezeiten auf den Prüfstand. Standzeiten müssen im Voraus geplant werden. Auch die Umlaufplanung muss der Disponent anpassen. Wird ein Fahrzeugwechsel notwendig, muss eine Strecke geteilt werden. Wichtig bei der Planung ist die Kalkulation verschiedener Faktoren wie verkürzte Nachladezeiten aufgrund von Verspätungen. Der Aufbau dieser Ladeinfrastruktur sollte daher fokussiert angegangen und mit ausreichenden personellen Kapazitäten geplant und umgesetzt werden, empfehlen die Studienmacher.

Planung des Betriebshofs

Eine große Baustelle ist der Betriebshof bei der Planung. Dass durch die Elektrifizierung des Busfuhrparks mehr Fläche benötigt wird, ist schon wegen der Ladeinfrastruktur und der dadurch nötigen Anpassung der Verkehrswege wahrscheinlich. Beim Um- oder Neubau sind die Bauvorschriften der örtlichen Behörden zu beachten. Das Gelände muss vor dem Zutritt von Unbefugten gesichert werden.

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Auch bei der Planung der Ladeinfrastruktur für Elektrobusse gibt es viel zu berücksichtigen
© Foto: Scharf Busreisen

Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof

Welche Ladeinfrastruktur gewählt wird, hängt neben der technischen Realisierbarkeit und dem verfügbaren Platz auch vom Energiebedarf und der Energieeffizienz ab. Auch die Verfügbarkeit der Komponenten und die Kosten beeinflussen die Entscheidung des Unternehmers. Dass die Inbetriebnahme in Deutschland genehmigt werden muss, versteht sich von selbst.

Wegen der besonderen Anforderungen wie Brandschutz oder Klimatisierung ist es sinnvoll, das Abstell- und Ladekonzept der Busse vor der Umsetzung mit der Sachversicherung, dem Brandschutzbeauftragten und der Feuerwehr zu besprechen

Weitere Entscheidungen, die bei der Ladeinfrastruktur zu treffen sind: Soll es ein zentralisiertes System sein, bei dem sich alle elektrischen Komponenten in einem zentralen Schaltschrank befinden, oder ein dezentralisiertes, wo jeder Parkplatz eine eigene Ladesäule hat? Soll die Ladeinfrastruktur vertikal – also platzsparend oberhalb der Busse, aufgrund des hohen baulichen Aufwands aber teurer, oder horizontal, also auf einer Ebene mit den E-Bussen und dafür günstiger, verbaut werden? Vorteil: Diese Konfiguration ist modular und leicht erweiterbar.

Die Studienmacher geben zu bedenken, dass es notwendig sein kann, die Abstellordnung anzupassen, um die geforderten Abstandsrichtlinien einzuhalten.

Zu beachten bei der Planung sind auch die verschiedenen Kontaktierungssysteme: entweder automatisiert mit einem Stromabnehmer (Pantograph), stationär konduktiv oder induktiv, wobei VDE Renewables darauf hinweist, dass sich die induktive Ladetechnik noch in der Entwicklung befindet und die konduktive Variante mit Kabel und Stecker den Markt dominiert.

Die Experten empfehlen, die Kabellänge von der Ladesäule zum Bus möglichst klein zu halten, um Leistungsverlusten vorzubeugen. Und noch ein praktischer Tipp für die Planung: Mit Positionierungshilfen für den Fahrer kann ein Umparken des Busses vermieden werden, wodurch Zeitverluste beim Laden entstehen würden.

Bus-Werkstatt anpassen

Auch die Werkstatt ist ein Bereich, in dem verschiedene Anpassungen – natürlich unter Berücksichtigung der DGUV-Vorgaben – notwendig sind. Das beginnt ganz trivial bei den Toren, die wegen der Batterie-Module auf dem Dach eventuell nicht mehr hoch genug sein können, und geht über die Hebebühne, deren maximal zulässige Gesamtlast durch die schwereren Elektrobusse überschritten werden könnte, hin zu festen oder mobilen Dacharbeitsständen, die nötig sind, um an die verbauten Batterien zu gelangen.

Natürlich sollten Busunternehmen auch eine Fremdvergabe der Instandhaltung in Betracht ziehen, gerade zu Beginn der Umstellung, wenn der Aufwand in der eigenen Werkstatt als zu groß eingeschätzt wird.

Auch in der Waschanlage können die größeren Außenmaße des E-Busses zu Problemen führen. Ob diese dort gesäubert werden können, ist auch in die Planung mit einzubeziehen.

Maßnahmen für den Brandschutz treffen

Wegen der Brandgefahr ist eine gesicherte Ruhefläche einzuplanen. Mit dem auch Quarantäne- oder Havariefläche genannten Abstellplatz für (potenziell) beschädigte Fahrzeuge mit Lithium-Ionen-Batterien soll ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Fahrzeuge oder Gebäudeteile verhindert werden, der Schaden so minimiert werden.

Wichtig ist ein geeigneter Standort: ein Platz, an dem ein Brand keine Folgeschäden verursacht. Am besten ist es, diesen zu markieren, damit keine Fahrzeuge versehentlich dort abgestellt werden.

Wie schon beim Abstell- und Ladekonzept sind auch hier Brand- und Umweltschutzbeauftragte sowie die Feuerwehr mit einzubeziehen. 

Auch wenn es bei Elektrobussen keine höhere Brandwahrscheinlichkeit gegenüber Dieselbussen gibt, ist Brandschutz bei der Transformation des Fuhrparks natürlich ein wichtiges Thema.

Bei Elektrobussen kommt es – anders als bei Dieselbussen – eher im Ruhezustand beim Laden zu Bränden. Eine Brandrisikoanalyse ist der Studie zufolge daher genauso unerlässlich wie Maßnahmen für ein wirksames Brandschutzkonzept. Denn bricht während des Ladens Feuer aus, sind die Brandherde wegen enger Zwischenräume schwer erreichbar. Und schon, weil E-Busse teurer in der Anschaffung sind, geht es um hohe Unternehmenswerte, die zu schützen sind.

 

Personal für den E-Bus-Betrieb schulen und qualifizieren

Am Personal darf die Planung zu keiner Zeit vorbeigehen, auch müssen die Mitarbeiter gegebenenfalls geschult und qualifiziert werden. Bei den regelmäßig anstehenden Unterweisungen denkt man zuallererst an das Fahrpersonal, doch auch Büro- und Reinigungskräfte müssen regelmäßig unterwiesen werden.

Auch die Betriebsanweisungen müssen im Zuge der Elektrifizierung aktualisiert und an das Betriebskonzept angepasst werden. Orientierung geben die DGUV-Information 209-093, DGUV-Vorschrift 3 und DGUV-Regel 103-011.

Mit einem Notfallkonzept kommt das Busunternehmen seiner Pflicht zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung und den daraus entstehenden Schutzmaßnahmen nach.

Für den Fall einer Panne sollte der zusammengefasste Rettungsleitfaden des Herstellers auf einer Rettungskarte zu finden sein. Alternativ kann dies auch über einen QR-Code außen am Fahrzeug ermöglicht werden.

 

Zeitmanagement

Trotz aller Hilfestellungen, die der Leitfaden des LBO zur Einführung von Elektrobussen in KMU gibt, zeigt sich, wie viel Arbeit auf die Busunternehmen zukommt. Und die braucht viel Zeit. Unter zwei Jahren sollten sie nicht planen, und schon das ist in Anbetracht von neun bis 14-monatigen Lieferfristen für Busse und Ladeinfrastruktur ambitioniert.  Die vielen To-dos und Unwägbarkeiten sollen aber nicht abschreckend wirken – im Gegenteil: Sie sollen den kleinen und mittelständischen Busunternehmen den Weg in die Zukunft ebnen. Und die sieht im ÖPNV nun einmal Elektromobilität vor.

Hier können Sie die Originalstudie des LBO herunterladen

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