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Scania Irizar PB: Reiseprüfung

28.06.2007 17:36 Uhr
© Foto: Sascha Böhnke

Einige Reisebusse fallen aus dem Rahmen. Das gilt besonders für den Scania Irizar PB, der nach wie vor seine Fahrgäste mit besonderen Sichten überrascht.

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Nun hat der Bus einen neuen Euro-4-Motor erhalten, Grund genug für die OMNIBUSREVUE zu erfahren, wo das Fahrzeug aktuell steht und wie es sich auf der neuen, sehr anspruchsvollen Teststrecke bewährt. Mit Scania setzt neben Neoman ein weiterer Bushersteller bei seinen Motoren auf die AdBlue-freie Abgasrückführung EGR, um die geforderte Schadstoffnorm Euro 4 zu erreichen. Dazu hat der schwedische Hersteller seine Motoren in einem völlig neuen Programm aufgestellt und kombiniert diese im Beispiel PB auch gleich mit einem überarbeiteten Getriebe. Herauskommt im Beispiel des gefahrenen Testbusses ein echter Kraftprotz auf sanften Pfoten. Denn 470 PS sind schon eine Hausnummer. Und 2.200 Nm verleihen dem extravaganten Schönling ordentliche Power. Überhaupt wurde der Irizar PB von der Öffentlichkeit fast unbemerkt einer gewaltigen Auffrischung unterzogen, was zusammengefasst bedeutet: Am Design wurde nichts verändert, unter dem Blech/Kunststoffmantel jedoch steckt nun jede Menge modernster Fahrwerks- und Sicherheitstechnik. Zwölf Gänge besitzt das Dreigang-Hauptgetriebe mit Split- und Randgruppe, das der Fahrer über die Scania Opticruise-Schaltung bedient. Scania-typisch: Zum Anfahren und Anhalten benötigt man zwingend das Kupplungspedal, sonst wird der Motor abgewürgt, den Rest erledigt Opticruise ohne Kupplungspedal. Anfänglich ist diese Schaltung gewöhnungsbedürftig, doch unüberwindlich ist deren Erlernen nicht. Die Oberhoheit beim Anfahren und Rangieren beim Fahrer zu lassen, ist die Intention der Getriebe-Entwickler gewesen, doch ZF mit seiner AS-Tronic hat längst gezeigt, dass auch ein komplett automatisiertes Schaltgetriebe in speziellen Rangiermodi sauber funktioniert. Gut gefallen haben während der Fahrt die ruckfreien Schaltvorgänge, zudem ist durch die Form und Anbringung des Opticruise-Hebels ein fast intuitives, manuelles Eingreifen, speziell bei bergigen Etappen, ohne große Übung möglich.

Reiseprüfung: der Scania Irizar

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Bereits in niedrigen Drehzahlen steht ausreichend Kraft zur Verfügung

Der Zwölf-Liter-Motor überrascht durch seine fast endlos scheinenden Kraftreserven. Bereits in niedrigen Drehzahlen steht ausreichend Kraft zur Verfügung, um den Dreiachser voranzutreiben. Neben der Hochdruckeinspritzung und der obligatorischen Turboaufladung mit Ladeluftkühlung kommt im neuen Motor ein weiteres System zum Einsatz: Turbocompound. In einem Satz kann man sagen, die Turbocompound-Technologie erzeugt zusätzliche Leistung durch Nutzung von Energie, die ansonsten verloren ginge. Dies ist das klassische Beispiel von Recycling. Anstatt überschüssige Energie durch den Auspuff ins Freie zu lassen, wird mehr Hitze aus den Abgasen herausgeholt, indem eine zweite Abgasturbine dem normalen Turbolader nachgeordnet ist. Dieser zweite Turbo, die Turbocompound-Turbine, arbeitet mit einer Drehzahl von 55.000 U/min. Diese Bewegung wird durch ein Turbinengetriebe und eine Hydraulikkupplung weitergegeben, dann über die Steuerräder auf die Kurbelwelle. Die Übersetzung dieser Drehzahl ergibt am Schwungrad ein zusätzliches Drehmoment. Ergebnis: höhere Antriebskraft ohne zusätzlichen Kraftstoffverbrauch. Und noch ein Nebeneffekt tritt ein: Der Motor läuft dank Turbocompound noch ruhiger, weil durch den gleichbleibenden Druck auf die Kurbelwelle mechanische Schwingungen unterdrückt werden. Den Unternehmer interessiert in erster Linie natürlich der Verbrauch. Um es kurz zu machen, auf der neuen, extrem anspruchsvollen Teststrecke der OMNIBUSREVUE mit einer Länge von 616 Kilometern kam der dreiachsige PB mit einem Testgewicht von rund 21 Tonnen auf einen durchschnittlichen Verbrauch von 33,6 Litern auf 100/km. Das ist nicht besonders viel, aber auch nicht gerade sparsam. Besonders auf langsamen, schweren Etappen zeigte sich der Bus schluckfreudig, was aber auf der anderen Seite mit einer sagenhaften Performance ausgeglichen wurde. Wie von einer unsichtbaren Kraft-Schnur gezogen, marschierte der PB auch 18-prozentige Steigungen leichtfüßig hinauf. Wo der Bus allerdings im Vergleich zu seinen Mitbewerbern steht, kann exakt erst nach einigen weiteren Fahrten auf dieser neuen Runde festgestellt werden. Noch jedenfalls hält hier der Cityliner die Messlatte hoch, der mit 27,83 Litern auskam, aber auch nur zwei Achsen und etwas weniger Leistung mitbrachte.

Bodenwellen bereiten ihm keinerlei Kopfschmerzen

Beim Handling zeigt sich der PB von seiner sicheren Seite. Trotz seiner Höhe von stolzen 3.900 mm liegt der Bus satt auf der Straße, Schlechtwegstrecken und lange, gemeine Bodenwellen bereiten ihm keinerlei Kopfschmerzen. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten bleibt das Fahrzeug ruhig. Wie sehr es allerdings arbeitet, erkennt man gut an den schwingenden, lang ausgreifenden Spiegelarmen. Das ist aber auch schon alles, im Innenraum klapperte zumindest beim Testbus nichts, trotz geschlossener Handgepäckfächer ein ausgezeichnetes Ergebnis. Wer zu zügig in die Kurve geht, den bremst das ESP ein, welches leider nur gegen Aufpreis als Option zu haben ist. Verzichten sollte man darauf aber nicht, auch wenn ein Dreiachser von Hause aus sicherer auf der Straße liegt als ein zweiachsiges Fahrzeug. Sehr schön auch die Berganfahrhilfe Hill-Hold, ein System, das elektronisch so viel Druck in den Betriebsbremsen hält, dass der Bus auf einer Steigung oder einem Gefälle sicher gehalten wird. Erst bei Betätigung der Kupplung werden die Bremsen deaktiviert. Und noch ein Sicherheitssystem zeichnet den erneuerten PB aus: Der Bremsassistent registriert, wenn der Fahrer eine Notbremsung einleitet und setzt die maximale Bremsleistung frei. Überarbeitet wurde der Fahrerarbeitsplatz. Besonders in Sachen Ergonomie hat sich einiges getan. So hat sich Scania entschieden, hängende Pedale einzusetzen. Die Übersichtlichkeit des Cockpits ist nach wie vor ein wenig gewöhnungsbedürftig, besonders die zahlreichen, identisch aussehenden Schalter links vom Fahrer können unter Umständen stark vom Fahrgeschehen ablenken. Die Verarbeitung des Cockpits hat sich im Vergleich zu ersten Fahrzeugen erheblich verbessert, hier hat Aufbauer Irizar noch einmal deutlich Hand angelegt. Leider aber gibt es immer noch zu wenig und zu kleine Ablagemöglichkeiten für den Fahrer.

Reiseerlebnis der Sonderklasse

Die Fahrgäste erwartet bei der Fahrt in einem PB immer noch ein Reiseerlebnis der Sonderklasse. Dazu trägt sicherlich auch der sehr hochwertig wirkende Innenraum bei. Was der Bus von außen mit seinem auffälligen Design verspricht, hält er auch im Inneren. Die Gepäckablagen verlaufen in geschwungenen Linien und sind zudem auch noch ausreichend groß. Auch die Innenstehhöhe von 2,10 Metern im vorderen und 2 Metern im mittleren und hinteren Bereich trägt zu einem luftigen Eindruck bei, der nur durch die extrem tief nach unten gezogene Dachfläche an der Front an seine visuellen Grenzen stößt. Schade auch, dass durch die beiden LED-Bildschirme zu viel Gepäckablagen verloren gehen, diese wurden nämlich für eine bessere Fernsehsicht einfach großräumig im Bildschirmbereich herausgenommen. Dafür entschädigt ein Kofferraumvolumen von 10 Kubikmetern. An die Koffer gelangt man zudem noch spanisch-typisch bequem: Per Knopfdruck vom Fahrerplatz. Pneumatisch werden die beiden Klappen je eine links und rechts geöffnet oder geschlossen. Auch sonst verfügt der PB über eine große Anzahl von nützlichen Staufächern. Besonders die schmalen Fächer lassen sich aber nur mit recht großem Kraftaufwand schließen. Und noch ein kleines Detail kann zu Unmut beim Fahrer führen: Zum Wechsel einer defekten Glühlampe vorn muss erst umständlich eine Mutter ertastet/gelöst werden, was besonders im Dunkeln eine Fummelei sein kann. Dafür gefällt wiederum die strikte Trennung von Fahrwerks- und Aufbauelektronik. Wie mittlerweile fast überall eingesetzt, ist auch beim PB die CAN-Bus-Technologie die Grundlage der neuen Bordelektronik. Da diese zudem von den Lkw-Baureihen stammt, kann man hier eine ausgereifte Großserientechnologie erwarten.

Fazit

Der Scania Irizar PB hat seine Reifeprüfung bestanden. In ihn sind die Erfahrungen vieler Busjahre eingeflossen und haben den Bus so reif werden lassen, wie er es noch nie gewesen ist. Und so dürfte es niemanden verwundern, den coolen Schweden mit seinem feurigen Mantel auch zukünftig noch untrennbar mit hochwertigem Busbau verknüpft zu sehen.
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