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Deutschlandticket: VDV sieht 49-Euro-Ticket finanziell nicht gedeckt

03.11.2022 15:47 Uhr | Lesezeit: 8 min
Deutschlandticket: VDV sieht 49-Euro-Ticket finanziell nicht gedeckt
Das Risiko eines höheren Verlustes sei ins unternehmerische Risiko der Unternehmen verschoben, das gehe nicht, betonte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff
© Foto: VDV

Nach den Beschlüssen von Bund und Ländern zur ÖPNV-Finanzierung und der Einführung eines Deutschlandtickets, fallen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus. Einige Stimmen haben wir hier gesammelt.

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„Das Deutschlandticket bedeutet einen Paradigmenwechsel für mehr klimafreundliche Mobilität in unserem Land und wir begrüßen, dass sowohl Bund und Länder ihre finanzielle Verantwortung in einem höheren Maße wahrnehmen wollen“, sagte Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), zu den Beschlüssen der Bund-Länder-Runde am Mittwoch, 2. November. „Verkehrsunternehmen und -verbünde werden alles daransetzen, diesen Beschluss so schnell wie möglich umzusetzen, allerdings ist klar, dass der 1. Januar nicht zu halten sein wird, da entscheidende Fragen unbeantwortet geblieben sind“, sagte Wollf weiter. Diese offenen Punkte würden auch dazu führen, dass „das Ticket zunächst nicht überall in digitaler Form kommen kann“.

Der Bund stellt für das Deutschlandticket ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro für den Verlustausgleich zur Verfügung und die Länder beteiligen sich in gleicher Höhe. Allerdings betonte Wolff: „Das Risiko eines höheren Verlustes sowie die erforderlichen Anlaufinvestitionen sind ins unternehmerische Risiko der Unternehmen verschoben, das geht nicht. Völlig unberücksichtigt geblieben sind auch die pandemiebedingten Verluste und die hohen Anlaufverluste. Auch die monatliche Kündbarkeit führt zu erheblichen Einnahmenrisiken, die den Kompensationsbedarf erhöhen. Damit fehlen dem Beschluss zwei wesentliche Parameter. Einerseits die Übernahme der Nachschusspflicht und andererseits die Dynamisierung nach zwei Jahren, wie sie die Verkehrsministerkonferenz noch vor Kurzem einstimmig beschlossen hatte.“

Den Unternehmen könne nicht aufgebürdet werden, das von Bund und Ländern beschlossene Ticket umzusetzen und dabei das eigene Unternehmen in eine massive Schieflage zu bringen, kritisierte Wolff. Auch aus kommunaler Sicht sei der Beschluss nicht ausreichend, da auch die städtischen Haushalte keinen Risikoausgleich finanzieren können. Insofern müsse „umgehend verhandelt werden – im Sinne der hälftigen Finanzierung der tatsächlichen Kosten durch Bund und Länder“.

Pendler auf langen Strecken profitieren

Der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (Nah.SH) hat die geplante Einführung des Deutschlandtickets begrüßt und auf das Einsparpotenzial für seine Abo-Kunden hingewiesen. Damit gehe es in Richtung Verkehrswende, sagte eine Sprecherin der „Deutschen Presse-Agentur“. Nun gehe es an die Umsetzung des Tickets. Nach Angaben des Nahverkehrsverbunds wird das Deutschlandticket vor allem auf längeren Strecken innerhalb Schleswig-Holsteins günstiger als die bisherigen Abokarten. Die Sprecherin nannte ein paar Beispiele. Am meisten sparen demnach Kunden und Kundinnen mit einem Abo etwa für die Strecke Lübeck-Hamburg, die bisher 230 Euro monatlich kostete. Das wären mit dem neuen Ticket 181 Euro weniger. Auf der Strecke Kiel-Hamburg beträgt die Ersparnis 207 Euro. Für Abonnenten innerhalb Kiels, Lübecks, Rendsburgs und Flensburgs ändere sich hingegen wenig, teilweise sei das Deutschlandticket sogar teurer. Der Nahverkehrsverbund betonte jedoch den Vorteil, dass die Menschen damit in ihrer Freizeit auch landes- und deutschlandweit fahren können.

Komplizierte Abstimmung steht nun an

Laut dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) müssten nach dem Beschluss die organisatorischen und technischen Details noch geklärt werden. „Eine abschließende Bewertung ist daher noch offen und ohne alle finalen Details nicht möglich“, teilte der VBB mit. Kompliziert werde es vor allem durch die notwendigen Abstimmungen zwischen den beiden Bundesländern.

Zumindest für Berlin ist ein gestaffeltes Angebot absehbar. Erst in dieser Woche hatte der Senat eine Verlängerung des nur in der Hauptstadt gültigen 29-Euro-Monatsabos bis mindestens Ende März angekündigt. Außerdem werde es ab Januar in Berlin ebenfalls bis mindestens Ende März ein Sozialticket für monatlich neun Euro geben. Denkbar ist also, dass der Senat auch über den März hinaus diese Modelle beibehalten will. Das bundesweite 49-Euro-Ticket würde dann als zusätzliches Angebot für diejenigen hinzukommen, die auch bundesweit im ÖPNV fahren wollen. Die Mittel für all diese Angebote in Höhe von einer halbe Milliarde Euro für dieses und das kommende Jahr sind bereits im Nachtragshaushalt eingestellt. In Brandenburg wiederum sind bislang keine eigenen Angebote oder Staffelungen geplant. Noch völlig offen ist, wann und in welcher Form das 49-Euro-Ticket in den beiden Bundesländern umgesetzt wird.

Ausgleich für gestiegene Energiepreise fehlt

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) begrüßte, dass der Bund mit der Erhöhung der Regionalisierungsmittel den Weg für die gemeinsame Finanzierung des 49-Euro-Tickets durch Bund und Länder freigemacht hat. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert, erklärte aber auch: „Allerdings lassen sich die dringenden Herausforderungen Angebotsausbau, mehr Personal und mehr Fahrzeuge mit der Erhöhung der Regionalisierungsmittel um rund eine Milliarde Euro nur teilweise lösen. Auch für den Ausgleich der gestiegenen Energiepreise reichen die zusätzlichen Mittel nicht aus.“

Mit Blick auf die Regionalisierungsmittel sagte auch VDV-Hauptgeschäftsführer Wolff: „Wir begrüßen außerordentlich, dass der Bund seiner Verantwortung stärker gerecht wird und die Regionalisierungsmittel anheben möchte. Es ist ein Meilenstein, dass der Bund schon ab dem Jahr 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich zur Verfügung stellen will und das die Regionalisierungsmittel jährlich ab 2022 um drei Prozent erhöht werden. Wir gehen davon aus, dass diese Mittel – angesichts der stark gestiegenen Strom- und Kraftstoffkosten – auch und vor allem in die Sicherung des Bestandsangebotes fließen werden. Die Branche steht weiter für eine konstruktive Zusammenarbeit bereit. Dabei ist aber von entscheidender Bedeutung, dass die finanziellen Risiken nicht auf die Verkehrsunternehmen und -verbünde verlagert werden.“

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