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Studie: „Nicht nur ein Ticket für Großstädter“

09.11.2023 11:52 Uhr | Lesezeit: 4 min
Flexibilität statt Komfort im ÖPNV
Man dürfe sich bei der Betrachtung nicht nur auf die Neukunden des Deutschlandtickets fokussieren
© Foto: GettyImages/simonkr

In einer aktuellen Studie widmet sich Rogator auch zahlreichen „Mythen“, die rund um das Deutschlandticket zu hören seien. Das Ticket sei geeignet, Neukunden für den ÖPNV zu gewinnen.

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Zwar sei der Marktstart im Mai 2023 sehr erfreulich verlaufen, doch in den letzten Wochen hätten die Diskussionen zwischen Ländern, Verkehrsunternehmen und Bund zur weiteren Finanzierung und ein mögliches „Aus“ des Deutschlandtickets im Vordergrund gestanden und weniger die Kundschaft und Nutzer des Tickets.

„Wie befürchtet, verfestigen sich trotz der positiven Marktwirkungen auch dieses Jahr wieder ähnliche Mythen, wie sie auch schon das Neun-Euro-Ticket begleitet haben“, sagte Johannes Hercher, Vorstand von Rogator und Co-Autor der Studie Opinion Train. Dies sei Grund genug, sich die Gruppe der Nutzer des Deutschlandtickets, aber auch der Menschen, die noch über ein Kaufpotenzial verfügen, „genauer anzuschauen“.

Bisherigen Hochrechnungen für die Monate Mai bis August 2023 zufolge setze sich der Bestand an Deutschlandtickets (10 Millionen im August 2023) zu etwa 4,5 Millionen aus Personen zusammen, die bereits vor dem 1. Mai 2023 über ein Zeitkarten-Abo im Nahverkehr verfügt haben, während das bei etwa 5,5 Millionen nicht der Fall ist (Abo-Neukunden), so die Studie.

In der Diskussion um die Wirkungsweise des Tickets werde aber häufig auf die Gruppe der Neukunden fokussiert. Diese soll verhältnismäßig klein sein – ein Beleg dafür, dass die Monatskarte ungeeignet für die Neukundengewinnung ist. Laut Opinion Train handelt es sich bei etwa 12 Prozent der Besitzer des Deutschlandtickets um Personen, die den ÖPNV bisher „selten oder nur sporadisch genutzt haben“, umgerechnet sind das rund 1,3 Millionen Menschen (September 2023). Richtig sei also, dass „das Deutschlandticket Neukunden mobilisieren“ könne, so die Studie.

Studie sieht noch weiteres Potenzial für das Ticket

Die Autoren der Studie schreiben, dass drei Aspekte für eine neutrale Bewertung des Tickets wichtig seien: Erstens wurden mit dem deutlich günstigeren Neun-Euro-Ticket vor einem Jahr monatlich etwa zehn Millionen bisherige Nicht-/Selten-Nutzer von Bussen und Bahnen als Kunden gewonnen. Das Problem sei „also nicht das Instrumentarium der Flatrate an sich, sondern vielmehr deren Preishöhe“.

Zweitens sei für die Nachfrage-, Fahrtenverlagerungs- und Klimawirkung nicht nur die Gruppe der „Systemeinsteiger“ relevant, sondern die „viel größere Gruppe der Personen, die sich bisher nicht für ein Abonnement entschieden haben, aber den ÖPNV bzw. Nahverkehr bereits vorher genutzt haben“. Und drittens sollte im Blick behalten werden, dass immer noch ein erhebliches zusätzliches Absatzpotenzial im Markt bestehe. Bei diesen Potenzial-Kunden (sechs Prozent der Befragten geben an, das sie das Deutschlandticket in den kommenden zwei Monaten kaufen möchten) handele es sich „überproportional um ÖPNV-Gelegenheitskunden“.

Wichtig für die Akzeptanz des Deutschlandtickets sei, dass „größere Schichten der Gesellschaft auch einen Zugang zum Ticket bekommen“, so die Studie. Nachvollziehbar sei, dass dort, wo faktisch kein Nahverkehrsangebot besteht – zum Beispiel in weniger dicht besiedelten, ländlichen Gebieten – das Ticket kaum nutzbar ist. Diese Betrachtungsweise „gipfelt zum Teil in der Darstellung, das Deutschlandticket sei primär ein Ticket für Großstädter“, so die Studienautoren.

Dies bedeute im Umkehrschluss, die Bevölkerung außerhalb von Großstädten (100.000 und mehr Einwohner) hätte kaum Zugang zum Deutschlandticket bzw. könne dieses nicht nutzen. Die Studienergebnisse zeigen denn auch eine ansteigende Kaufquote mit der Einwohnerzahler des Wohnortes. So liegt die Quote an Ticketbesitzern bei kleinen Orten (bis 1000 Einwohner) bei nur fünf Prozent und steigt auf bis zu 35 Prozent (500.000+ Einwohner) an. Trotzdem: Knapp die Hälfte der Deutschlandtickets wird im Sep. 2023 von Menschen genutzt, die nicht in Großstädten (<0,1 Millionen Einwohner) leben. Richtig sei also, dass „das Deutschlandticket in gleichem Maße ein Ticket für sowohl Großstädter als auch Nicht-Großstädter ist“. Bei den Personen, die eher im ländlichen Raum als Abo-Kunden mobilisiert werden, handelt es sich zu einem größeren Anteil um bisherige Nicht-/Selten-Nutzer des Nahverkehrs als in urbanen Räumen. „Konsequenterweise sind die Nachfrage- und Verlagerungswirkungen in diesem Kundensegment relativ besonders groß“, heißt es weiter.

Viele Pendler nutzen das Deutschlandticket

Eine weitere Kritik, insbesondere von Mobilitätsexperten formuliert, lautet, dass durch die bundesweit gültige Monatskarte eine „Verteilung von unten nach oben“ stattfinde. So steht die Aussage im Raum, Nutzer des Deutschlandtickets seien Pendler im Speckgürtel der Großstädte mit relativ hohem Einkommen. Richtig sei aber, dass „der Besitz des Tickets relativ gleich verteilt über Einkommensklassen mit einer Tendenz zu niedrigen Einkommen ist“, so die Ergebnisse von Opinion Train. „Der Mythos, die bisherigen Zeitkarten-Abo-Inhaber seien primär Menschen, die außerhalb der Städte wohnen, lässt sich bereits durch einen Blick auf die bestehende Kundenstruktur im ÖPNV vor Einführung des Deutschlandtickets entkräften, heißt es in der Studie weiter.

Die meisten ÖPNV-Abo-Kunden hätten ihren Wohnort im Zentrum oder Zentrumsnähe. Wenn aber tatsächlich Pendler, die bisher mit dem Pkw tagtäglich zur Arbeit in die Stadt gefahren sind, mit dem Deutschlandticket auf Busse und Bahnen umsteigen, dann „ergeben sich maximale Klimaeffekte“.
Dies erschließe sich, wenn eine Pendlerstrecke von 30 Kilometer und lediglich 150 Arbeitstage zugrunde gelegt werden und jährlich circa 9000 P-km mit dem Pkw mit nur einem Deutschlandticket substituiert werden können. Selbst, wenn es sich bei dieser Person um einen Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichem Einkommen handelt, bedeute dies „sicherlich keine Umverteilung von unten nach oben, aber mit Sicherheit eine signifikante Klimawirkung“.

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