Im Mercedes-Benz Museum zeigen die Ausstellungsexponate weit mehr als nur die Technik vergangener Jahrzehnte, sie erzählen vielmehr spannende Geschichten, etwa das Fahrzeug, auf Basis des Mercedes-Benz Omnibus O 10000, das in Österreich als mobiles Postamt auf Achse war und de heute im Raum Collection 2: Galerie der Lasten, zu sehen ist. Der Omnibus wurde in vier Jahrzehnten sehr nachhaltig weitergenutzt und für drei verschiedene Funktionen verwendet.
Gebaut wurde der Bus 1938 ursprünglich als Fernverkehrsbus. In der zweiten Folgenutzung als mobiles Postamt ermöglichen zahlreiche individuelle Lösungen, den kompletten Service des staatlichen österreichischen Brief- und Kommunikationsdienstleisters an einem Ort temporär anzubieten.
Der größte Mercedes-Benz-Bus der 1930er Jahre
Der O 10000 war mit rund 14 Meter Länge der größte Omnibus, den Mercedes-Benz in den 1930er-Jahren gebaut hat. Stahlaufbauten – auch in Leichtbauweise – als Stadt- oder Fernverkehrsomnibus lieferten die Mercedes-Benz Werke Gaggenau und Sindelfingen.
In Deutschland und Österreich wurden die bis zu 65 km/h schnellen Busse auch von der Post im Linienfernverkehr eingesetzt – als sogenannte „Kraftpost“. Als Bus bot er Ende der 1930er-Jahre Raum für bis zu 60 Passagiere. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die Österreichische Post den Bus erstmals um. Der O 10000 verkehrte nun als Paketwagen auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg.
Für die Nutzung als Paketauto eignete sich der O 10000 wegen seiner großzügigen Dimensionen. Groß ist auch sein Motor. Der Sechszylinder-Dieselmotor OM 57 lieferte 110 kW (150 PS) aus mächtigen 11.197 Kubikzentimetern Hubraum. Das Aggregat befindet sich unter der lang gestreckten Haube des Fahrzeugs. Auf der vorderen Stoßstange stehen zwei Peilstege mit runden Rückspiegeln. Sie erleichtern das Rangieren des schweren und langen Omnibusses.
Ein Bus wird zum mobilen Postamt
Seine Größe kam dem Bus auch zugute, als – vermutlich in den 1960er-Jahren – ein erneuter Umbau anstand, der den Bus zum mobilen Postamt machte. Es öffnete immerhin bis Ende der 1970er-Jahre stets an verschiedenen Orten seine Schalter.
Auch Ferngespräche konnte man vom Bus aus führen, schließlich war mobiles Telefonieren im Alltag damals noch eine Zukunftsvision, das Prä-Smartphone-Zeitalter lässt grüßen. Das mobile Postamt bot den Kunden drei „Fernsprechzellen“. Ihre Kabinen liegen auf der linken Seite des Busses hinter massiv wirkenden, bündig in die Karosserie integrierten Türen. In den nüchternen Kammern steht je ein schwarzes Wählscheibentelefon auf einem an der Wand verschraubten Tischchen. Die Anschlusskabel der Fernsprechapparate verschwinden in der Wand.
Besonders relevant für Standorte mit weltweiter Ausstrahlung war damals wohl die Kabine mit der Nummer 3: In ihr konnten laut Beschriftung der mattierten Glasscheibe internationale Ferngespräche geführt werden.
Postbus mit Komfort an Bord
Auffallend ist die unterschiedliche Position der hoch liegenden Fenster der Telefonkabinen und der deutlich niedriger angeordneten Postschalter. Diese waren für die vermutlich auf einem Podest stehenden Postkunden so bequemer zu erreichen. Das macht ein Kniff beim Innenausbau möglich: Die Beamten, die Briefe, Telegramme und Pakete annehmen, sitzen nicht auf klassischen Büromöbeln. Stattdessen sind Stuhlsitze verschiebbar auf dem Boden des Innenraums befestigt, davor gibt es Vertiefungen für die Beine.
Eingehende Postsendungen worden offensichtlich sofort vorsortiert. Daran erinnert ein Regal im Innenraum mit den entsprechenden Fächern. Für den weiteren Transport standen Postsäcke bereit. Sie wurden mit Klammern an einer Stange befestigt und mit Postsendungen befüllt.
Die Mitarbeiter konnten übrigens durchaus einen gewissen Komfort genießen. An Bord gab es unter anderem einen Kühlschrank und ein Handwaschbecken. Eine Klimaanlage hatte das Postamt hingegen nicht. Frischluft wurde während des Betriebs bei warmem Wetter durch eine Gittertür am Heck zugeführt.